[Sachsen-Anhalt] „Gegenpart“ zu wem? Der Umgang vom Projekt Gegenpart mit der Oury Jalloh Initiative.

[Sachsen-Anhalt] „Gegenpart“ zu wem? Der Umgang vom Projekt Gegenpart mit der Oury Jalloh Initiative

Mit diesem Text wollen wir, das Antirassistische Netzwerk Sachsen-Anhalt, Stellung zu den vor kurzem bekannt gewordenen Informationen beziehen, dass Mitglieder des Projektes Gegenpart Strafanzeigen gegen Mitglieder der Inititiative in Gedenken an Oury Jalloh gestellt haben und Aussagen gegenüber dem Staatsschutz machten.

 

Im Zuge des am 27.11.2014 begonnenen Prozesses gegen zwei Mitglieder der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wurde bekannt, dass Herr A. von Gegenpart am 07.01.2013 bei der Dessauer Polizei Strafanzeige wegen Körperverletzung stellte. Die Anzeige richtet sich gegen Personen, welche sich seit zehn Jahren für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh, in eben jener Polizeidienststelle, einsetzen. Oury Jalloh verbrannte auf den Tag genau acht Jahre zuvor, am 07.01.2005, in der Zelle Fünf des Dessauer Polizeireviers.

 

Des Projekt Gegenpart beschreibt sich selbst folgedermaßen auf seiner Webseite: „Wir setzen auf den Aufbau langfristig wirkender zivilgesellschaftlicher Strukturen, die zur stärkeren Partizipation anregen. Im Kern ist unsere Tätigkeit durch unabhängiges, gesellschaftspolitisches Engagement ohne parteipolitische und konfessionelle Bindung gekennzeichnet. Das Mobiles Beratungsteam unterstützt und berät prozesshaft Kommunen, Landkreise, Behörden, MultiplikatorInnen und Medien bei ihren Bemühungen, rechtsextreme Ereignislagen zu erkennen und erfolgversprechend einzudämmen. Dabei knüpfen die Angebote an die Alltagserfahrungen der Akteure vor Ort an und ermöglichen es so, lokale Handlungsstrategien zu entwickeln, die sich an dem tatsächlichen Bedarf und den Ressourcen der jeweiligen Partner orientieren und dadurch gezielte und nachhaltige Veränderungen bewirken. Die Arbeit des Mobilen Beratungsteams ist durch das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" gekennzeichnet. Mobile Beratung findet vor Ort statt, ist aufsuchend und als Teamarbeit konzipiert.“1

 

Fakt ist, dass Herr A. ein paar Tage nach dem 07.01.2013 mit dem zuständigen Staatsschutzbeamten telefonierte und mindestens zwei Gesprächstermine mit diesem wahrnahm. Bei diesen Terminen machte er belastende Aussagen gegen die beiden Angeklagten und identifizierte sie auf vorgelegten Fotos, welche am 07.01.2013 gemacht wurden. Außer den zwei Angeklagten machte er auch belastende Aussagen gegenüber einer völlig unbeteiligten Person und denunzierte diese als Straftäter.

 

Auch sein Kollege Herr B., ebenfalls vom Projekt Gegenpart, traf sich mit dem Staatsschutz und untermauerte die Aussagen von Herr A.

 

Herr S., auch ein Angestellter des Vereins und das, laut Aussagen des Herrn A. und B., Opfer der Körperverletzung, äußerte sich ebenfalls zu der Strafsache beim Staatsschutz. Bei dem Gerichtsprozess am Dessauer Amtsgericht gegen die beider Mitglieder der Initiative hat er sich mit Aussagen eher zurückgehalten und deutet an, sich nicht erinnern zu können. Angesichts seiner zu vermutenden Aussagen beim Staatsschutz hindert ihn dies nicht daran, angeblich beteiligte Personen namentlich zu benennen und so eventuell Unbeteiligte mit in die Sache hineinzuziehen.

 

Dass staatlich geförderte2 Projekte, wie das Projekt Gegenpart, auch mit Behörden zusammenarbeiten, ist weder überraschend noch neu. Dennoch ist hier das Ausmaß der Zusammenarbeit deutlich zu hoch. Gerade in strukturschwachen Regionen wie Sachsen-Anhalt ist die Zusammenarbeit zwischen antirassistischen Gruppen und solchen Vereinen meist die Basis der Handlungsfähigkeit aller Beteiligten. Es werden Informationen ausgetauscht, man berät sich untereinander oder greift sich helfend unter die Arme. Die nötige Existenz von Vereinen, welche staatlich geförderte Beratung für Opfer von rechter Gewalt betreiben, soll hier auch nicht zur Diskussion gestellt werden. Vielmehr sollten sich alle AkteurInnen, welche zur Zusammenarbeit mit diesem Verein tendieren, fragen, ob die Informationen, die sie weitergeben, und auch die Menschen, welche sich vertrauensvoll und mit Bitte um Diskretion an sie wenden, nicht als nächstes den staatlichen Behörden ausgeliefert werden, weil einzelne Menschen einen Vorteil darin sehen. Gerade im Bereich der Opferberatung hat Vertrauen darauf, dass Informationen diskret behandelt werden, auch zum Opferschutz, oberste Priorität. MitarbeiterInnen, welche eng mit staatlichen Repressionsorganen zusammenarbeiten, missbrauchen damit das Vertrauen derer, die sich an sie wenden.

Bei der Zusammenarbeit und der spekulativen Herrausgabe von Informationen sowie der Identifizierung von Menschen anhand von Fotos des Staatsschutzes, welche zu ihren potenziellen Opfergruppen gehören, ist die Grenze der Zumutbarkeit längst überschritten. Ganz abgesehen davon empören wir uns über die Dreistigkeit, am Todestag eines Menschen, welcher in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen ist, dessen Freunde und UnterstützerInnen anzuzeigen und zu belasten und somit zu bewirken, dass diese sich einem langen und nervenaufreibenden Prozess unterziehen müssen.

 

Der Träger des Projektes Gegenpart ist unter anderem das Alternative Jugendzentrum (AJZ) Dessau, welches ursprünglich klar in der antifaschistischen Szene zu verorten war. Seit Jahren entwickelt sich das AJZ Dessau nun zu einem Ort, welcher mehr und mehr nur noch Raum für Kommerz bietet und sich Stück für Stück entpolitisiert. Dass eben dieses Jugendzentrum der Träger des Projektes ist, dessen Mitarbeiter Menschen aus der linken Szene mit Repressionen belasten, spricht seine eigene Sprache.

 

Wir meinen damit nicht, dass alle MitarbeiterInnen dieses Projektes oben genannter Logik entsprechen. Dennoch hat uns das Vorgefallene für das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen Behörden und solchen Vereinen sensibilisiert.

 

Es ist uns ein besonderes Anliegen, unsere Informationen und Gedanken zu diesem Thema mit allen Menschen, welche mit dem Projekt Gegenpart zusammenarbeiten, zu teilen und auf die Gefahren hinzuweisen, welche dadurch entstehen können.

Wir fordern eine umfangreiche Stellungnahme, sowohl der Betiligten des Projektes Gegenpart, als auch der MitarbeiterInnen, welche unbeteiligt sind. Ebenso erwarten wir auch, dass sich der Träger zu den Vorfällen äußert.

Wir sind schockiert und betroffen, dass anstatt Mediation und Vermittlung zur Konfliktlösung anscheinend lieber die Polizei, der Staatsschutz, die Staatsawaltschaft und der Richter genutzt werden und möchten an dieser Stelle unser absolutes Unverständnis und die Ablehnung gegenüber dieser Vorgehensweise zum Ausdruck bringen.

 

Wir solidarisieren uns in vollem Umfang mit den Betroffenen der Repression.

Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt

www.antiranetlsa.blogsport.de

1http://www.projektgegenpart.org/index.php?option=com_content&view=article&id=45&Itemid=75

2http://www.projektgegenpart.org/

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Also, dass sich Menschen, die nicht klar linksradikal sind dafür entscheiden im Falle einer Körperverletzung eine Anzeige zu stellen ist absolut normal. Das Menschen, die eine Anzeige gemacht haben auch aussagen ist völlig klar.

 

Ihr ruft zur Solidarität mit den "Repressionsbetroffenen" auf. Aber was haben diese gemacht?

Falls tatsächlich eine nicht gut begründete bzw. nicht politisch motivierte Körperverletzung stattfand, finde ich es eher unangebracht davon zu sprechen, dass hier Leute von Repression betroffen sind und Solidarität verdienen. Entsprechend wäre eine Schilderung des Falls absolut notwendig.

Zudem ist die Situation sehr umfangreich von einem Lokalsender dokumentiert worden. Ob das tatsächlich im Sinne der Initiative ist, was dort ablief, darüber kann sich jede_r eine eigene Meinung bilden - konkretere Situation nochmal am Ende des Beitrages: https://www.youtube.com/watch?v=T3xv5gTkVFM