Nach Demo-Verbot für Legida: Angespannte Atmosphäre in der City

Erstveröffentlicht: 
10.02.2015

Autonome und Hooligans jagen sich / Auch friedlicher Protest gegen Islamkritiker

Von Roland Herold, Jens Rometsch und Frank Döring


Auch wenn die Stadtverwaltung einen Aufzug der selbst ernannten Bewahrer des Abendlandes untersagt hatte: Die Leipziger Innenstadt stand gestern stundenlang im Zeichen von Legida und No Legida. Im Laufe des Abends kam es im Bereich Goethestraße/Willy-Brandt-Platz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rund 150 Sympathisanten der islamkritischen Bewegung, überwiegend Hooligans, und etwa doppelt so vielen Linksautonomen. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, die rivalisierenden Gruppen auseinanderzuhalten. Es flogen Fäuste und Flaschen, Journalisten gerieten zwischen die Fronten.


Lange vor 18 Uhr zeichnete sich im und am Hauptbahnhof ab, dass das Demo-Verbot Dutzende Legida-Anhänger nicht davon abhalten würde, zum Augustusplatz zu ziehen. Gegen 18.30 Uhr versammelten sich die Islam- und Systemkritiker unter der Pergola vor der Oper, in Sicht- und Hörweite einer der vier Gegendemonstrationen, die das Ordnungsamt vorab genehmigt hatte. Die Partei "Die Partei" setzte am Mendebrunnen einmal mehr auf den satirischen Protest, süffelte mit 250 Gleichgesinnten Bier ("Bier trinkt das Volk"), schwenkte Bananenrepublik-Fahnen und skandierte "Wahrheitspresse, Wahrheitspresse!" Ein Redner stellte zufrieden fest, "dass wir heute Abend die größte Demonstration in Leipzig sind".


Doch der Spaß hatte bald ein Ende. Nachdem die Polizei zunächst Platzverweise für Legida-Demonstranten ausgesprochen hatte, versuchten Hooligans aus der Legida-Gruppe, an die Biertrinker heranzukommen, wurden aber von der Polizei daran gehindert. Die Ordnungshüter - der Freistaat hatte diesmal nur acht Hundertschaften bereitgestellt - forderten die Rechtsextremen auf, ihre nicht genehmigte Zusammenkunft am Augustusplatz zu beenden und den Rückweg zum Bahnhof anzutreten. Andernfalls drohten bis zu 1000 Euro Ordnungsgeld. Eskortiert von Polizei ging es durch die Goethestraße. Dann, gegen 19.15 Uhr, kam es vor dem Hauptbahnhof zu Jagdszenen zwischen Autonomen und Hooligans. Die Polizei zog zahlreiche Einheiten zur Verstärkung heran und trennte die Lager durch ein massives Aufgebot. Viele Schaulustige und Angetrunkene verfolgten das Ereignis. Die Lage beruhigte sich erst gegen 19.40 Uhr, nachdem die Legida-Anhänger von der Polizei ins Innere des Bahnhofes gedrängt waren. Dort wurden von den Islamkritikern, darunter rund ein Drittel Hooligans, Personalien aufgenommen und Fotos geschossen. Diese Identitätsfeststellungen zogen sich bis in die späten Abendstunden hin. Gegen 21 Uhr lief der Straßenbahn- und Autoverkehr draußen wieder störungsfrei.


Nach Informationen aus dem Führungsstab der Polizei wurden mehrere Personen in Gewahrsam genommen, sowohl Legida-Anhänger als auch Gegendemonstranten. Die Auseinandersetzungen forderten auch mehrere Verletzte, darunter mindestens ein Polizeibeamter.


Vor den Handgreiflichkeiten hatten sich mehrere Hundert Leipziger mit Kerzen auf den Weg durch die Innenstadt gemacht. Ihre Botschaft: "Willkommen in Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt". Bei nasskaltem Wetter zogen sie nach dem montäglichen Friedensgebet vom Nikolaikirchhof durch die City und über Teile des Rings, traten für die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen sowie weltanschaulichen Bekenntnisses ein. "Jedes Wort, das die Rechte von Menschen verletzt, darf nicht in die Welt", sagte Pfarrer Enno Haaks, Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks, der das Friedensgebet geleitet hatte.


Am späten Montagmittag war auf der Facebook-Seite von Legida eine "Offizielle Erklärung zum Verbot unserer Veranstaltung" aufgetaucht. "Das Orgateam Leipzig bereitet sich mit ganzer Kraft auf die nächste Veranstaltung am 16. Februar vor", hieß es darin, von Rechtsmitteln gegen das am Wochenende von der Stadt Leipzig verhängte Demo-Verbot war keine Rede. Nur so viel: "Die juristischen Hintergründe werden wir in den nächsten Tagen öffentlich verbreiten." Beim Verwaltungsgericht ging bis zum Nachmittag kein Einspruch ein.


Einige Hundertschaften der Bundespolizei waren gestern dennoch im Einsatz, um erneute Anschläge von mutmaßlichen Linksautonomen auf Bahnanlagen zu verhindern. In den vergangenen Wochen hatten Vermummte Kabel an Bahnstrecken zerschnitten, Sicherungskästen zerstört, Signalanlagen sabotiert und Spangen an Gleisen angebracht, um die Anreise zu Legida-Demos zu blockieren (die LVZ berichtete). Um das gefährdete Streckennetz noch besser im Blick zu haben, hatte die Bundespolizei auch zwei Hubschrauber in der Luft. Mehr als 300 Beamte waren im Einsatz. "Wir haben denselben Kräfteeinsatz, den wir ohne das Verbot der Legida-Demo geplant hatten", sagte Bundespolizei-Sprecherin Yvonne Manger. Auch deshalb, weil Anhänger von Legida und des Netzwerks HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) zu spontanen Treffen im Hauptbahnhof aufgerufen hatten. Um die Lage besser kontrollieren zu können, wurden deshalb einige Türen des Bahnhofsgebäudes verschlossen.


Schwerpunkt sei, rivalisierende Gruppierungen voneinander zu trennen, so Manger. Deshalb hatte auch die Polizeidirektion Leipzig - statt beantragter 31 Hundertschaften waren nur 800 Beamte im Einsatz - zunächst den Hauptbahnhof im Blick, wie Behördensprecher Uwe Voigt sagte. Zumal direkt vor der Tür, auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz, eine Kundgebung des Anti-Legida-Bündnisses "Leipzig nimmt Platz" stattfinden sollte.