Antifa Actionday in München

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700 auf kraftvoller autonomer Antifademo +++ 1000 auf bürgerlicher Demo +++ 3000 Antifaschist_innen an der Route +++ Direkte Aktionen und Blockaden +++ Nazidemo wird nach der Hälfte der Route aufgelöst. Bericht über einen erfolgreichen Antifa-Aktionstag.

 

Vorgeschichte:

Nachdem Nazis aus dem Umfeld der "Freien Nationalisten München" nach 2008 zum zweiten mal zu einem sogenannten "Heldengedenkmarsch" durch München aufrufen, formiert sich antifaschistischer Widerstand: Mit einem Antifa-Actionday wollen autonome Antifaschist_innen nicht nur gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus und der Relativierung der Verbrechen von Wehrmacht und SS vorgehen, sondern auch gegen den sexistischen, rassistischen, kapitalistischen Normalzustand, sowie jegliche Form der Soldat_innenverherrlichung und des Militarismus. Unabhängig von den Aktionen gegen den Naziaufmarsch soll ein starkes antifaschistisches Zeichen gesetzt werden.

Das bürgerliche "Bündnis gegen Naziaufmärsche" mobilisiert auf eine eigene Demonstration.

Der Vorabend des 14.11. bietet zunächst wenig Überraschung. Wie erwartet, wird das Verbot des Naziaufmarsches in der zweiten Instanz aufgehoben. Auch 2008 wurde der "Heldengedenkmarsch" erst am Vorabend wieder erlaubt, was sich damals merklich demobilisierend auf die Gegenproteste auswirkte. Der Vorbereitungskreis des Antifa-Actiondays macht deshalb im Vorfeld klar: "Ob die Nazis laufen oder nicht, wird nicht von Entscheidungen des Kreisverwaltungsreferates abhängen, sondern von den antifaschistischen Gegenaktivitäten."

Die Antifa-Demo:

Um 10:30 wird auf dem Georg-Freundorfer-Platz im Westend, die Auftaktkundgebung eröffnet. Neben musikalischen Einlagen machen auch die mitorganisierenden Gruppen Stimmung in ihren Redebeiträgen um einen powervollen Antifa-Actionday einzuläuten. Dabei machen Sie jeweils auch klar, dass antifaschistischer Kampf weit mehr bedeuten muss, als den Versuch Naziaufmärsche zu verhindern.
Nach einer Stunde startet die Demo lautstark und entschlossen mit etwa 700 Menschen (650 laut Polizeiangaben), von denen weite Teile in Ketten laufen. Mit vielen Transparenten und Fahnen, permanenten Sprechchören und einer kämpferischen Stimmung läuft die Demo zunächst eine Runde durch das Westend. Nach einem Stück über die Schwanthalerstraße, gibt es einen Sprint Richtung des massiv abgesperrten Hauptbahnhofes, und eine anschließende spontane Abkürzung zum Stachus. Die Polizei hält sich zu diesem Zeitpunkt für Münchner Verhältnisse relativ zurück. Nach knapp anderthalb Stunden schließt die Demo auf den bürgerlichen Protestzug auf. Hierbei kommt es zu einer kurzen Konfrontation nachdem ein offensichtlich betrunkener Nazi vor den Block springt, und die Polizei die Demospitze recht massiv attackiert, als der Block sich daraufhin in Bewegung setzt. Trotz Einsatz u.a. von Pfefferspray kann die Demo aufgrund der gut organisierten Aufstellung allerdings direkt geschlossen weiterlaufen. Nach einigen Minuten gemeinsamer Route mit den über 1000 Teinehmer_innen der bürgerlichen Demo löst sich die Antifademo nahe des Goetheplatzes auf.

Der Naziaufmarsch:

Gegen 12 Uhr treffen sich die Nazis am Nordausgang des Münchner Hauptbahnhofes, von wo aus sie um 13 Uhr von der Polizei via U-Bahn zum Goetheplatz gebracht werden. Mit Lautsprechern im Fenster beschallen Anwohner_innen dort die Straße mit antifaschistischem Punk. Im Vorfeld sind zahlreiche CDs mit linken Songs entlang der Route verteilt worden. Erst nach drei Stunden können die etwa 130 Nazis los marschieren. Grund dafür sind offensichtlich Probleme mit dem Lautsprecherwagen, teils eigenem Unvermögen, teils antifaschistischer Intervention geschuldet. So wird der Wagen blockiert, muss den Rückzug antreten, steckt immer wieder fest. Bei einem Angriff auf den Wagen nimmt offensichtlich auch der Versammlungsleiter Schaden.
Um 16 Uhr setzt sich der Nazi-Marsch in Bewegung. Vor und hinter den Nazis marschiert ein skuril anmutender Polizeiauflauf aus mehreren hundert BePos und USKlern samt Kamerawägen. In der Landwehrstraße bombardieren dutzende Antifas die Nazis und die Polizei mit kistenweise verfaultem Obst und Gemüse. Es fliegen Flaschen, Eier und weitere Wurfgeschosse (unter anderem zu Ungunsten einer Polizeikamera). Viele Anwohner_innen des migrantisch geprägten Hauptbahnhofviertels applaudieren. Nach Polizeiangaben beteiligen sich jetzt rund 3000 Menschen an den Protesten am Rand der abgegitterten Route. Nachdem mehrere Blockadeversuche vor Beginn des Marsches recht zügig abgeräumt wurden, ist die Polizei nun für eine Weile völlig überfordert von den verteilt agierenden Mobs und Kleingruppen. Blockaden gibt es im Anschluss am Stachus, auf der Sonnenstraße und auf der Blumenstraße.
Bis hierhin allerdings kommen die Nazis gar nicht. Nach nur etwas mehr als der Hälfte der geplanten Route ist am Sendlinger Tor Schluss. Umringt von Gegendemonstrant_innen und begleitet von einem Pfeifkonzert, wird der Aufmarsch dort gegen 18 Uhr vorzeitig beendet. Das Ergebnis entschiedener antifaschistischer Aktionen.

Team Green:

1500 Polizisten sind im Einsatz, um den Nazis, der sogenannten "Münchner Linie" entsprechend, mit allen Mitteln, den Weg frei zu machen. Im Vorfeld war auf der Mobilisierungsseite der Nazis folgendes zu lesen: "Die Polizei wird (...) mit einem Großaufgebot jegliche Störer beseitigen. Insbesondere das USK knüppelt jeden Gegendemonstranten weg, der uns auch nur zu nahe kommt. Bundesweit ist das gewiss nicht selbstverständlich, aber die vergangenen Jahre haben gezeigt, daß jede unserer genehmigten Demonstrationen von Anfang bis Ende von der bayerischen Sondereinheit durchgesetzt werden. Linksextreme Blockaden werden wie immer vom USK entweder zuverlässig aufgelöst oder umgangen."
Ganz so komfortabel wird sich der Tag für die Nazis dann doch nicht gestalten, obwohl sich das USK tatsächlich redlich bemüht. So verhaftet die Polizei nach eigenen Angaben 31 Linke, steckt 2 Personen in Gewahrsam und stellt 39 Identitäten fest. Die Vorwürfe reichen von "gefährlicher Körperverletzung" über "Gefangenenbefreiung" zu "Sachbeschädigung". Außerdem kommt es immer wieder zu Gewaltexzessen gegenüber Antifaschist_innen, auch betont gewaltfrei agierende Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum sind betroffen. Zudem ist eine enorm hohe Zahl an Polizist_innen in Zivil unterwegs. Erfreulicherweise kann der Repression im Laufe des Tages immer wieder entschlossen und zielgerichtet begegnet werden. Während ein ähnliches Polizeiaufgebot beim "Heldengedenken" 2008 noch reichte, nahezu jeden effektiven Protest mittels mindestens 5 Kesseln und 90 Festnahmen zu unterbinden, scheitert das sogenannte Konzept der "Deeskalation durch Stärke" (O-Ton Münchner Polizei) diesmal am organisierten antifaschistischen Widerstand. Trotz teilweise weiträumigen Abriegelungen und enormem Personalaufwand, kann durch direkte Aktionen, Blockaden/Materialblockaden und kreativen Widerstand ein frühzeitiges Ende dieser widerlichen Verherrlichung des Nationalsozialismus erkämpft werden.

Abend:

Wie auch schon am Freitag gibt es ein Convergence Center im Kafe Marat, wo am Abend ein gut besuchter Vortrag über Nazistrukturen in Mecklemburg-Vorpommern und ein Konzert der Rootsbar (antifaschistischer Skinhead-Tresen) mit den Bands "Feine Sahne Fischfilet" und "Sick Sinus" den Antifa-Actionday würdig abrunden.

Fazit:

Mit einer lauten und entschlossenen Antifademo kann ein starkes linkes Zeichen in München gesetzt werden. Durch antifaschistische Aktionen wird der Auftakt der Nazidemo um Stunden verzögert. Nach nur etwas mehr als der Hälfte der Strecke wird der Naziaufmarsch beendet.
Erfreulich viele junge, engagierte Menschen können für autonome Antifa-Aktionen gewonnen werden. Viele Audimax-Besetzer_Innen beteiligen sich.
Trotz massivem Polizei-Aufgebot kommt es zu zahlreichen direkten Aktionen und Blockaden, was neben einer funktionierenden Infostruktur vor allem auf die Entschlossenheit vieler Antifaschist_innen zurückzuführen ist.

Alles in allem ein gelungener Antifa-Actionday.

Der Vorbereitungskreis hat eine ausführliche Nachbereitung angekündigt.