Im Jahr 2015 wird nicht nur in Deutschland, sondern auch im Baskenland eine Rosa-Luxemburg-Konferenz stattfinden: im bizkainischen Bilbao. Zu deren Organisation haben sich verschiedene Personen aus Internationalismus- und Stadtteilgruppen zusammengefunden und die Gruppe “Freundinnen und Freunde von Rosa Luxemburg“ – auf baskisch “Rosa Luxemburg Lagunak“, RLL – formiert. Ähnlich wie auf der seit 1996 veranstalteten und von Tausenden von Interessierten besuchten Konferenz in Berlin soll es in Bilbao sowohl um das Werk von Rosa Luxemburg, um die baskische Arbeiterinnen-Bewegung und um Perspektiven linker Politik im Baskenland gehen.
Neben Rosa Luxemburg wird auch der baskische Politiker Arnaldo Otegi ein Verbindungsglied sein zwischen Bilbao und Berlin. In Berlin sind seine regelmäßigen Grußworte bekannt, in Bilbao soll es unter anderem um die Thesen gehen, die er kürzlich aus dem Knast veröffentlicht hat und mit denen er erneut in die Geschicke der baskischen Linken einzugreifen versucht. Dass er maßgeblich zum Ende der bewaffneten Aktion von Seiten von ETA beigetragen hat und den Prozess in Gang brachte, der gemeinhin Friedensprozess genannt wird, hat ihm die spanische Rechte nicht verziehen. Denn durch diese Entscheidung wurde sie ihres Damokles-Schwerts für alle brenzligen Situationen beraubt. Deshalb wird Otegi, zusammen mit fünf weiteren Abertzalen Linken, wegen Nichtigkeiten weiter im Gefängnis gehalten. Die historischen Ereignisse haben die baskische Linke aus der Illegalisierung und in die Institutionen und Parlamente geführt. Was es dort zu tun gibt und wie, darum soll es unter anderem gehen bei der Konferenz, die aus zwei Veranstaltungen besteht.
Die erste Veranstaltung verbindet das Werk von Rosa Luxemburg mit der Geschichte der baskischen Arbeiterinnen-Bewegung. Entsprechend ist der Ort gewählt: das ehemalige bilbainische Arbeiterinnen-Viertel San Francisco. Dort, gegenüber der historischen Altstadt des baskischen Bürgertums begann vor 160 Jahren der industrielle Abbau von Eisenerz, der die Geschichte Bilbaos und ganz Bizkaias stark prägte und das Barrio zur Wiege der sozialistischen Bewegung machte, federführend im gesamten Staat. Einem Rückblick auf diese Geschichte wird sich der Historiker und Stadtteilaktivist Arturo Izarzelaia widmen. Vorher wird die Anthropologin und Journalistin Lorea Agirre Rosa Luxemburgs Leben und Werk in Erinnerung rufen. Lorea Agirre hat kürzlich eine Biografie Rosa Luxemburgs vorgelegt und kann somit als Expertin bezeichnet werden.
Nach diesem ersten Veranstaltungs-Part ist ein Raum-Wechsel auf die andere Fluß-Seite vorgesehen, ins HIKA-Ateneo, das Kulturzentrum einer ehemals marxistischen Organisation. Dort wird es um die Aktualität linker Politik im Baskenland gehen. Vom Podium zu hören sind dann Karmelo Landa und Olatz Dañobeitia. Karmelo Landa war Mitte der 90er Jahre Europa-Abgeordneter für die abertzale Partei Herri Batasuna, später im Vorstand der illegalisierten Batasuna-Partei. Dafür wurde er zwei Jahre in U-Haft gesperrt und musste erst kürzlich einen Prozess über sich ergehen lassen, dessen Urteil noch aussteht. Ihm drohen 6 Jahre Strafe und ein Berufsverbot als Hochschullehrer. Karmelo Landa ist nach der Legalisierung der Linken bei der neu gegründeten Partei SORTU organisiert. Olatz Dañobeitia stammt aus der jüngeren Generation der baskischen Linken, auch sie hat bereits Jahre von Knast hinter sich. Wegen ihrer politischen Arbeit in linken Jugendorganisationen wurde sie zu sechs Jahren Haft verurteilt, die sie zwischen 2001 und 2009 abzusitzen hatte. Sie ist Mitarbeiterin der Joxemi Zumalabe Stiftung, eines Organismus zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Baskenland. Die beiden Referent/innen werden sich dem Thema Sozialismus im Baskenland annehmen und dazu unterschiedliche Positionen vertreten.
Tastache ist, dass die Entwicklung der baskischen Linken nach dem Ende der bewaffneten Aktion von ETA in rasendem Tempo über die Bühne gegangen ist. Zu schnell, um auf breiter Ebene über sozialistische Modelle zu diskutieren oder die Organisationsfrage ausreichend zu klären, geschweige denn, der institutionellen Arbeit eine generelle Richtung zu geben. Die RLL-Initiative geht deshalb von der Notwendigkeit aus, Diskussionsforen zu schaffen, um die Linke nicht im institutionellen Dickicht stecken zu lassen.
Geplant war, die Konferenz zeitgleich zu der in Deutschland zu organisieren. Am Wochenende des 10.Januar 2015 findet in Bilbao jedoch eine baskenlandweite Großdemonstration für die Rechte der politischen Gefangenen statt, deren Vorbereitung das Wochenende in Anspruch nehmen wird. Deshalb findet die Konferenz eine Woche später, am Freitag 16.Januar statt.
Wenn die Konferenz auf Interesse stößt, beabsichtigt die Initiative Rosa Luxemburg Lagunak eine Fortsetzung der Konferenz in den kommenden Jahren. Dabei könnten sowohl internationale Aspekte eine Rolle spielen wie Diskussionen innerhalb der spanischen Linken, vorausgesetzt sie betreffen das Baskenland, wie zum Beispiel das Thema der Protestbewegung PODEMOS. Möglicherweise ist am Konferenztag bereits mehr bekannt über die Ereignisse bzw. die künftige Regierung in Griechenland, zu dem Euskal Herria eine besondere Parallele aufzuweisen hat. Denn europaweit sind rechte und neofaschistische Bewegungen auf dem Vormarsch, Sozialdemokratie und traditionelle Rechte verlieren zunehmend an Boden. Griechenland und das Baskenland sind die einzigen europäischen Länder, an denen die Linke derzeit noch in der Lage ist, Präsenz zu zeigen und relevante Teile der Bevölkerung hinter sich zu bringen. Aus dieser Tatsache erfolgt eine Verantwortung, die sich auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz wiederspiegeln soll. Nach den Veranstaltungen werden im Veranstaltungslokal zur Verlängerung der Diskussion Pintxos und Wein angeboten.
Konferenz-Programm:
Freitag, 16.1.2015:
Bürgerzentrum San Francsico, 18 - 19.30h: Lorea Agirre und Arturo Izarzelaia
“Rosa Luxemburg und der Kampf der Arbeiterwebegung“
Sozialzentrum HIKA, 20 – 21.30h: Karmelo Landa und Olatz Dañobeitia
“Sozialismus im Baskenland heute“