Noch im August hätte Baden-Württembergs Innenminister gerne auf sie verzichtet: die Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Jetzt soll sie doch Realität werden.
Eine Arbeitsgruppe soll Vorschläge erarbeiten, wie die Kennzeichnungspflicht umgesetzt und Polizisten trotzdem vor Verfolgung geschützt werden können. Das bestätigte Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Montag dem SWR.
"Ich habe immer betont, dass die anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizisten geschlossener Einheiten nicht die höchste Priorität auf meiner Agenda genießt", sagte Gall. Im Koalitionsvertrag steht die Vorgabe aber, und ein Blick über die Landesgrenzen hat jetzt offenbar den Ausschlag gegeben: Nachdem bereits fünf Bundesländer eine solche Pflicht eingeführt hätten und drei weitere sich damit beschäftigten, sei dies auch für Baden-Württemberg sinnvoll, so der Minister.
Kennzeichnung bei länderübergreifenden Einsätzen
Rheinland-Pfalz kennzeichnet Polizisten bereits seit Anfang 2014. Hessen hat im Dezember angekündigt, seine Polizisten ab Januar mit Codes auszustatten. Gall verweist nun darauf, dass Polizisten bei Großeinsätzen auch länderübergreifend zusammenarbeiten. Gerade in Hessen und Rheinland-Pfalz unterstützten baden-württembergische Polizisten häufiger die Kollegen. Dabei sollten alle Polizisten eine Kennzeichnung tragen - oder keiner.
"Insgesamt werbe ich bei diesem Thema für mehr Gelassenheit", sagte Gall. Übergriffe durch Beamte seien "die absolute Ausnahme". Demnach könne sich die Polizei auch mit einer Kennzeichnung "selbstbewusst, offen und bürgerorientiert präsentieren". In einem Interview mit dem SWR betonte Gall, er werde besonders darauf achten, "dass mit der Kennzeichnung keine unmittelbare namentliche Identifizierung möglich ist". Die Beamten hätten "das Recht, dass ihre allgemeinen Persönlichkeitsrechte auch gewahrt werden. Und dafür werde ich sorgen", so Gall.
Um die Persönlichkeitsrechte zu wahren, sind im Innenministerium bereits mehrere Vorschläge diskutiert worden. Unter anderem wäre es möglich, den Beamten wie in Hessen mehrere Nummern zu geben, die die Polizisten dann selbstständig austauschen könnten. Eine andere Lösung wäre, den Beamten bei jedem Einsatz neue Nummern auszugeben.
Eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums soll die Vorschläge zur Kennzeichnung prüfen und dabei die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern einfließen lassen. "Wir werden uns dem anpassen, was in anderen Ländern schon gemacht worden ist. So schlecht scheint das offensichtlich nicht zu sein", so Gall. Wann die Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse vorlegen wird, konnte Gall noch nicht sagen. Es sei aber "kein Hexenwerk" und werde zügig umgesetzt.
"Schwarze Schafe" unter Polizisten ermitteln
Die Grünen haben lange auf die Regelung gepocht, um "schwarze Schafe" unter Polizisten nach Einsätzen ermitteln zu können. Hintergrund ist auch der eskalierte Polizeieinsatz bei der Räumung des Schlossgartens wegen Stuttgart 21. Daher freute sich Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand am Montag über Galls Ankündigung. Sie sei "ein wichtiger Schritt hin zu mehr Bürgernähe und Transparenz", sagte Hildenbrand dem SWR.
Kritik kam von der Opposition: Es handle sich um ein "um ein ideologisches Projekt der Grünen, die ihrer Klientel unter den Bahnhofsgegnern einen Gefallen tun wollen", sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Doch Widerstand kommt auch von den Beamten. Polizeigewerkschafter Joachim Lautensack sagte dem SWR, eine Kennzeichnung von Polizisten sei weiterhin "nicht akzeptabel", es gebe keinen sachlichen Grund dafür.
Für Grünen-Chef Hildenbrand seien die Vorbehalte der Polizeigewerkschaft leicht auszuräumen: "Es geht ja nicht um eine Klarnamenpflicht, sondern um anonymisierte Buchstaben- und Zahlencodes."
Noch vor Rheinland-Pfalz und Hessen hat Berlin als erstes Bundesland 2011 eine Kennzeichnungspflicht eingeführt. Die Beamten können dabei zwischen einer individuellen Dienstnummer und ihrem Namen wählen. Ähnlich läuft es auch in Brandenburg. In Bremen müssen seit dem Sommer Polizisten in geschlossenen Einsätzen fünfstellige Nummern tragen. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein planen ebenfalls eine anonyme Kennzeichnung. Die restlichen Bundesländer verzichten darauf, ihre Polizisten individuell zu kennzeichnen.