Freiburgs Polizeichef hat harte Auflagen gegen Fußballfans durchgesetzt, obwohl die örtliche Ultra-Szene als friedlich gilt. Die SC-Fans wehren sich - und erhalten Unterstützung aus der Politik.
Von Christoph Ruf
Fußballanhänger, die ihren Klub zu einem Auswärtsspiel in Freiburg begleiten wollen, müssen sich keine Sorgen machen. Schließlich loben Auswärtsfans immer wieder die friedliche Atmosphäre rund um die Spiele des Sportklubs. Für die meisten Beobachter liegt das schlicht daran, dass der SC kaum Hooligans und eine weitgehend friedliche Ultra-Szene hat.
Dass es in Freiburg vergleichsweise idyllisch zugeht, sieht die Polizei vor Ort aber auch als Erfolg ihrer eigenen Arbeit. Um Gewalt erst gar nicht aufkommen zu lassen, "gucken wir schon genau hin, das stimmt", sagt Gabriel Winterer, Leiter des für Fußballeinsätze verantwortlichen Reviers Freiburg-Süd, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Allerdings kritisieren derzeit zahlreiche Kommunalpolitiker, dass die Polizei in Freiburg nicht nur genau hinschaut, sondern Politik mache. Deshalb haben sie sich mit einem scharfen Appell an die Öffentlichkeit gewandt.
Der Grund: Acht Mitglieder der Freiburger Fanszene unterliegen seit Sommer sogenannten Meldeauflagen. Bei jedem Heim- und Auswärtsspiel von Profi- und Regionalligamannschaft, also allein in der Hinrunde fast 40 Mal, müssen sie sich seither auf dem Polizeirevier ihres Wohnortes melden.
Für die Kommunalpolitiker sind die SC-Fans ungefährlich
Meldeauflagen gelten als extrem harte Maßnahme, die bei notorischen Gewalttätern angewandt werden. Davon könne hier keine Rede sein, finden die Politiker. Sie verweisen darauf, dass in der Begründung zu einem Fan stehe, er habe einen szenekundigen Beamten "drohend angeschaut" und "die Hände geknetet".
Die Aufregung über die Meldeauflagen teilt Winterer nicht: "Solche präventiven Mittel sind von der Innenministerkonferenz empfohlen, auch die Stadt Freiburg ist vom Städtetag aufgefordert worden, das zu nutzen." Das sei bundesweit so, nur in Freiburg werde es derzeit öffentlich debattiert. Dem widerspricht Volker Goll von der Koordinierungsstelle Fanprojekte in Frankfurt: "Nach allem, was wir wissen, ist Freiburg da eine absolute Ausnahme in Deutschland."
Die Lokalpolitiker sehen das ähnlich. "Es ist bekannt, dass die Freiburger Fans eine positive Fankultur prägen, weder regelmäßig über die Stränge schlagen, noch eine Gefährdung für die Menschen in Freiburg darstellen", heißt es in der Stellungnahme, die Vertreter von der SPD, den Grünen, der Wählervereinigung Junges Freiburg und der Unabhängigen Liste unterschrieben haben: "Wir fordern das Amt für öffentliche Ordnung auf, solche Maßnahmen und deren Ziele genauer zu überprüfen und unabhängig von der anregenden Polizei zu bewerten."
Noch deutlicher wird der Jurist Michael Moos, der für die Unabhängige Liste im Gemeinderat sitzt. "Unsere Ordnungsbehörden schießen mit Kanonen auf Spatzen", sagt er. Es sei "völlig unverhältnismäßig", wenn Fußballfans wegen Bagatellen oder angeblichen Straftaten, die kein Gericht je festgestellt habe, so gegängelt würden: "Die Freizügigkeit ist ein elementares Grundrecht, das nur aus wirklich wichtigen Gründen eingeschränkt werden darf. Die liegen hier beileibe nicht vor."
Polizeichef Winterer betont hingegen, dass mögliche Gewalttäter auf dem Index stünden. Die Polizei sammle nur Fakten, den Rest müssten die Ämter und Gerichte entscheiden.
Auch Stuttgarter Ultras waren irritiert
Kritiker sehen die Verhältnismäßigkeit der Mittel allerdings häufig missachtet. In der vergangenen Saison marschierten Polizeieinheiten in der SC-Kurve auf, als die Ultras beim Spiel gegen den VfB Stuttgart eine Fahne schwenkten, bei der auf einen Pferdekörper (das Symbol der Landeshauptstadt) ein Schweinekopf gesetzt war. Die Polizei lenkte erst ein, als die Freiburger Ultras die Fahne herunternahmen.
Über Humor lässt sich streiten, aber auch die Stuttgarter Fans im Gastbereich waren offenbar irritiert, als die Polizei ihnen anbot, die Fahne im Block gegenüber zu entfernen: "Selbstredend" habe man "sich nicht zu Erfüllungsgehilfen in diesem miesen Spiel" gemacht, berichtet die Stuttgarter Ultra-Gruppe Commando Cannstatt in der Zeitschrift "Blickfang Ultra".
Winterer hält das Vorgehen der Polizei für richtig: "Es kann keiner prognostizieren, wie die andere Seite auf solch eine Provokation reagiert." Die Null-Toleranz-Strategie habe auch dazu geführt, dass es im Freiburger Fußball gar nicht erst zur Eskalation komme: "In den letzten zehn Jahren gab es so gut wie nie Pfefferspray- oder Schlagstock-Einsätze in Freiburg. Darauf kann man stolz sein."
In diesem Jahr wurden allerdings schon zweimal SC-Ultras beim Fanprojekt angegriffen. Einmal von Nürnberger Ultras und einmal von Insassen eines Schalker Ultra-Busses mit getönten Scheiben, den die Polizei nicht begleitete. Winterer sieht das als Beweis dafür, dass der Standort des Fanprojekts, das unweit vom Stadion gelegenen ist, falsch gewählt sei.
Jugendliche Ultras müssen mit einem Anruf der Polizei rechnen
Ein Freiburger Ultra sagt hingegen, es wäre für die Polizei kein Problem gewesen, die Busse über eine andere Straße zur Autobahn zu leiten. "Wir haben den Eindruck, dass solche Vorfälle Herrn Winterer gerade gut in die Karten spielen, der seit Bestehen des Fanprojekts dessen Standort in Frage stellt."
Überhaupt sind sich Freiburgs Ultras sicher, dass Winterer die Szene an sich als Gefahr sieht. So mussten Jugendliche, die sich den Ultras anschlossen, schon 2011 damit rechnen, dass ihre Eltern von der Polizei angerufen wurden. "Kinder und Jugendliche sollen aus der Gruppe herausgeholt werden - zu ihrer eigenen Sicherheit", betonte Winterer. "Die Ultraszene wird hier kleingehalten", staunt das im schweizerischen St. Gallen erscheinende "Tagblatt".
Winterer sagt, er bleibe gesprächsbereit: "Wir würden uns wirklich mehr Dialog wünschen. Bis vor zwei Jahren war das in Freiburg auch möglich, dann wurde es von der aktiven Fanszene aufgekündigt. Wir bedauern das sehr."
Ein Freiburger Ultra sieht das anders: "Wir verschließen uns keineswegs der Polizei. Der Umgang mit der Freiburger Bundespolizei läuft zum Beispiel respektvoll und konstruktiv ab. Mit Herrn Winterer ist das leider nicht möglich."
Bildunterschriften:
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Anhänger des SC Freiburg: Die Fanszene in der studentisch geprägten Stadt gilt als friedlich.
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Die Freiburger Ultras schrecken jedoch zumindest vor geschmacklosen Aktionen nicht zurück. Im Spiel gegen den VfB Stuttgart provozierten SC-Fans mit einer Fahne, auf der das Wahrzeichen der Landeshauptstadt, das Stuttgarter Rössle, mit einem Schweinskopf dargestellt war. Aber dass die Freiburger Polizei deswegen gleich in der SC-Kurve einmarschierte, irritierte sogar die Ultras des VfB.
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Fan-Initiativen kritisieren die harten Maßnahmen der Freiburger Polizei - und erhalten Unterstützung aus der Politik.
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Im Zentrum der Kritik steht der Freiburger Polizeichef Gabriel Winterer. Der bestreitet, dass er per se ein Problem mit Ultras habe. "Es ist ja nicht so, dass an jedem Spieltag schlimme Dinge passieren. Wir müssen aber Straftaten verfolgen, egal, ob die in der Fankurve passieren oder ob am Wurststand ein Zuschauer einen anderen verprügelt", sagt Winterer.
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Zuschauer im Schwarzwald-Stadion: Acht Mitglieder der Freiburger Fanszene dürfen die SC-Spiele nicht besuchen und müssen sich bei jedem Heim- und Auswärtsspiel von Profi- und Regionalligamannschaft bei der Polizei melden. Einen gravierenden Eingriff mag Polizeichef Winterer darin nicht unbedingt erkennen: "Derjenige darf ja im Rahmen der rechtlichen Grenzen alles machen, was er will. Er darf eben nur für eine begrenzte Zeit nicht zum Fußballspiel. Das ist der einzige Eingriff in seine Grundrechte." Es treffe auch keine Leute, die nur Ordnungswidrigkeiten begangen hätten. Man sammle Vorfälle aus den vergangenen Jahren und wäge ab, ob von dem Betroffenen potenziell eine Gefahr ausgeht.