Erneut wurde ein besetztes Haus in Bilbao geräumt. Am gestrigen Donnerstag (11.12.) lief die baskische Polizei gegen 10 Uhr in der Altstadt von Bilbao auf, um den vom Gericht ausgestellten Räumungsbefehl zu vollziehen. Bereits einen Tag vorher hatten die Besetzerinnen von einer bevorstehenden Räumung erfahren. Nach der Räumung des Zubikaray-Gebäudes im Februar ist dies die zweite Räumung eines besetzten Hauses in Bilbo im Jahr 2014. Im “Maison 13“ genannten Haus gab es ein Kommunikations-Zentrum, gleichzeitig wohnten dort einige Personen in den oberen Stockwerken. Seit Jahrzehnten steht das Gebäude neben der Kathedrale der bilbainischen Altstadt leer. Vor zwei Jahren war es bereits einmal als Wohnraum besetzt und wieder geräumt worden. Im Sommer 2014 kam es zu einer erneuten Besetzung.
Um die Räumung zu behindern, hatten sich vier Bewohner/innen des Hauses im vierten Stock auf dem Balkon angekettet, die Polizei war machtlos und forderte die Feuerwehr an. Die weigerte sich, Polizeiaufgaben zu übernehmen und lehnte ab. Erst als die angeketteten Jugendlichen ausdrücklich darum baten, schritten sie ein (die Feuerwehr Bilbaos hat in der Bevölkerung eine außerordentlich guten Ruf und ist bekannt für ihr gutes Verhältnis zu den alternativen und sozialen Bewegungen.
Das “Maison 13“ in der Dendari Kalea (Straßenname) der Altstadt steht stellvertretend für die Wohnungspolitik in Bilbao und im Baskenland generell. Laut offiziellen Zahlen stehen 42.000 Wohnungen leer, 43.000 Personen oder Familien sind auf der Suche nach Miet-Wohnraum (real ist davon aust´zugehen, dass die Zahlen noch gravierender sind). Allein in Bilbo stehen nach Angaben des Sozialkollektivs Elkartzen (baskisch: Zusammengehen) 17.000 Wohnungen leer. Das Gebäude in der Dendari Kalea teilte dieses Schicksal über Jahrzehnte. Ursprünglich war dort ein Stoffladen untergebracht, die Händlerfamilien gehörte zur High-Society Bilbaos, der Name Gaston y Daniela ist noch heute spurenhaft an der Fassade zu erkennen. Das Geschäft in Bilbo wurde aufgegeben, Zweigstellen in anderen Städten existieren jedoch weiter. Trotz langem Leerstand war das sechsstöckige Haus bis auf einen Dachschaden perfekt bewohn- und benutzbar. Von kulturhistorischem Wert ist die hölzerne Fassade. All das hat den Besetzer/innen nicht geholfen, das Projekt zu retten. Denn Gerichte urteilen nicht nach moralischen Kategorien, sondern vertreten das Recht der verantwortungslosen Besitzer. In diese Kerbe schlägt die Pressemitteilung der linken EH-Bildu-Fraktion im Rathaus zur Maison-Räumung: “Initiativen wie diese Besetzung sind kein Zufall, sondern ein Ausdruck existenzieller Notwendigkeit, um die sich die Stadtverwaltung kümmern müsste, es aber nicht tut.“. Besetzungen seien der Versuch, Personen ohne Geld den Zugang zu Wohnraum zu ermöglichen. Und gleichzeitig über die freiwillige Arbeit vieler für ein kulturelles Angebot in den Stadttteilen zu sorgen. Der Stadtrat David Lopategi bezeichnete es als “inakzeptabel und peinlich“, dass die öffentliche Verwaltung jahrelangen Leerstand aus spekulativen Zwecken akzeptiere, dann aber Polizei schicke, wenn es darum gehe, dass Leute den leer stehenden Gebäuden einen sozialen Sinn gäben. “Offensichtlich ist es kein Delikt, Raum spekulativ leer stehen zu lassen. Soziale Verantwortung dagegen wird bestraft“.
Tatsache ist, die Geschichte wiederholt sich (in Bilbo): in drei Jahren wurde erst im Stadtteil Rekalde das 13 Jahre lang besetzte Fabrikgebäude und Stadtteilzentrum Kukutza geräumt, dann im Stadtteil Uribarri das Patakon-Projekt, vor 10 Monaten das Zubikaray-Gebäude. Vor Jahren wurde ein ebenfalls am Rande der Altstadt gelegenes Gebäude ebenfalls kurz nach der Besetzung geräumt und das Inventar zerschlagen, um es unbewohnbar zu machen. Nun war das Maison 13 dran. EH-Bildu kritisiert, dass die Stadtverwaltung keine Verantwortung übernimmt, wenn es darum geht, leerstehende Gebäude einer Nutzung zuzuführen. Dabei müsse auch an Enteignung gedacht werden, so der Stadtrat.
“Solange es in den Stadtteilen soziale Probleme und Wohnungsnot gibt, wird es weiterhin diese Art von Besetzungen geben, das muss die Verwaltung zur Kenntnis nehmen“. EH-Bildu forderte, der jüngeren Generation Räume zur Selbstverwaltung zur Verfügung zu stellen und die Eigentümer gleichzeitig zu einem verantwortlichen Umgang mit ihrem Besitz.
Der Räumung folgte eine solidarische Demonstration durch die Altstadt von Bilbo, die mannigfaltige Parolen zum Ergebnis hatte: nicht zuletzt “keine Räumung ohne Antwort“. “Hört auf Günter Netzer, werdet Hausbesetzer – jeder Stein der abgerissen, wird von uns zurückgeschmissen“ sang in den 80er Jahren die schwäbsiche Rockband Schwoißfuaß. Dieses Motto ist aktueller denn je, die in Hinblick auf die aktuelle soziale Notwendigkeit umso mehr.
Auch historisch hat das nunmehr geräumte Gebäude seinen festen Platz in der Geschichte Bilbaos und des Baskenlandes. Teil der Händlerfamilie war in den 20er Jahren der ehemalige österreichische Konsul Wakonigg, der in Zeiten des von den Faschisten um Franco und Mola 1936 angezettelten Krieges zum Nazi-Spion mutierte. Beim Transport von Geld und Geheimpapieren wurde er erwischt und obwohl er Teil des städtischen Establishments, wurde er von der baskischen Kriegsregierung zum Tode verurteilt und hingerichtet. (Red.Baskinfo)