Muslimhass in Dresden
Rund 6.000 Menschen demonstrieren in Dresden gegen die „Islamisierung“ Sachsens. Das Vorbild könnte Nachahmer finden.
Von Michael Bartsch, Inlandskorrespondent
DRESDEN taz | Der Zug erinnerte an die größten Naziaufmärsche Westeuropas, die Dresden in den Jahren bis 2010 erlebt hat. Wieder marschieren etwa 6.000 rohe Gestalten durch die Innenstadt, schwarze Kleidung dominiert. Es sind zwar keine verfassungsfeindlichen Symbole zu sehen, aber Geist und Reden haben viel mit der NPD gemeinsam.
„Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz Pegida, nennt sich die Initiative um deren Wortführer Lutz Bachmann. „Gewaltfrei vereinigt gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden“, steht auf dem Transparent an der Spitze des Zugs.
Pegida hat am 20. Oktober mit einigen hundert „Montagsdemonstranten“ unscheinbar begonnen. Als regionale Initiative, eine direkte Verbindung zu „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln und Hannover ist noch nicht nachweisbar. Seither wuchs die Teilnehmerzahl der sogenannten Abendspaziergänge stetig.
An diesem Montag kamen Marschblöcke aus einem Umfeld von etwa 50 Kilometer um Dresden hinzu. Wie bei den Nazis auch wird streng auf Disziplin geachtet: Einhaltung der Marschordnung, kein Alkohol, keine Interviews mit Journalisten. Gegendemonstranten werden dafür mit Rufen und lautem Klatschen übertönt: von Schweigemarsch keine Spur.
Stolz auf Kirchenaustritt
Äußerlich gibt man sich mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und Lampions betont friedlich, menschenfreundlich und deutsch-kleinbürgerlich. „Wir vermissen unser Land“, steht auf einem Plakat. Das ist angeblich von der Politik und den gleichgeschalteten Medien bedroht, besonders aber von Muslimen, die das christlich-jüdische Abendland bedrohen.
Auf Nachfrage wissen die Demonstranten zwar nicht zu sagen, was das Abendland eigentlich ist, und Redner Bachmann berichtet stolz von seinem Austritt aus der Kirche, weil diese gemeinsam mit der Linkspartei einen Aufruf zu Religionsfreiheit und religiöser Toleranz unterschrieben habe. Besondere Zielscheibe des Hasses ist aber auch das über die rechte Szene sehr genau informierte Kulturbüro Sachsen.
Wer da durch Dresden marschiert, ist aber nicht nur nach klassischem Rechts-links-Muster einzuordnen. Selbstredend dürfen die NPD- und JN-Reste nicht fehlen, sie stellen sich extra zum Gruppenfoto auf. Daneben aber wird’s schillernd: Reichsbürger, Identitäre, Rocker, Hooligans, Dynamo-Fußballfans, Security-Szene, aber auch zahlreiche in nationalkonservativem Stumpfsinn verharrende Bürger, die sich beispielsweise über die „degenerierte Musik“ bei einer Loveparade ereifern.
Auffällig auch: Es sind ganz überwiegend Männer, meist sehr junge und einige wenige sehr alte. Man suhlt sich mit Rufen wie „Wir sind das Volk!“ in 89er Romantik, lässt am Schluss sogar Handys in die Nacht leuchten.
Lob für Innenminister
Der Organisationskreis besteht nach Erkenntnissen des Kulturbüros meist aus Kleinunternehmern und Leuten, die sich zu kurz gekommen fühlen. Dabei ist aber auch ein Siegfried Däbritz, dessen Muslimhass das MDR-Magazin „exakt“ aus dem Internet zitiert: „Heizen wir die Kessel wieder auf. Dieses Pack muss brennen, damit sie ihrem Parasitengott lange beim Sterben huldigen können.“ Redner Lutz Bachmann hingegen spricht öffentlich von „muslimischen Freunden“. Viel Lob erhält Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der plötzlich eine besondere Kriminalität von Asylbewerbern entdeckt hat und deshalb eine neue Sondereinheit der Polizei bilden will.
Die Gegenwehr blieb schwach an diesem Montag – wohl auch, weil zeitgleich ein „Bürgerdialog“ der Stadt zu den geplanten Asylbewerberunterkünften stattfand. Zumindest aber die Pegida-Abschlusskundgebung auf dem Theaterplatz konnte von insgesamt etwa 500 Demonstranten lautstark gestört werden. Christian Demuth vom Verein „Bürger Courage“ erinnerte daran, dass der Anteil der Muslime in Dresden bei gerade einmal 0,4 Prozent der Einwohner liege. Und der Verfassungsschutz hat in Sachsen ganze 100 Salafisten gezählt.
Angeblich sollen sich auch in anderen Bundesländern Pegida-Kreise nach Dresdner Vorbild formieren. Für kommenden Montag wird dort mit noch mehr Teilnehmern gerechnet.