Fundamentalismus als Geschäftsidee - zum Abgang des Vorsitzenden der Evangelischen Kirche

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Der Chef der evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, tritt ab. Er war seit 2003 im Amt und leitete einen Kurswechsel mit dem Ziel der "Neuevangelisierung Deutschlands" ein. Das Programm ist streng fromm und konservativ: Missionieren für Jesu Christ und eine Offensive gegen den "Vormarsch des Islam". Die neue Gangart gegen den Islam wurde mit Huber die Generallinie der gesamten evangelischen Kirche. In vielen wichtigen Institutionen sitzen sogenannte "Islam-Experten". Huber bezeichnete den konsensorientierten Dialog seiner Vorgänger als „Multireligiöse Schummelei“ (SPIEGEL vom 17.12.01), „idealisierende Multi-Kulti-Stimmung“ (FOCUS vom 22.11.04) und wandte sich gegen „die Islamisierung Deutschlands“: „Natürlich wünsche ich mir keine Islamisierung unseres Landes.“ (Cicero, Juni-Ausgabe 2008). Unter Hubers Regie wurden die Evangelikalen (protestantische Fundamentalisten) in den Schoß der Kirche aufgenommen und ihre Massenspektakel (Pro Christ) unterstützt. Wie in der katholischen Kirche dürfte der konservativ-missionarische Kurs wohl auch in der evangelischen Kirche weitergehen. Im folgenden Artikel wird der Kurs Hubers nachgezeichnet und die evangelikalen Strukturen und ihr Einfluss behandelt.

 

Klarheit und gute Nachbarschaft?
In unverhüllter Form fand die neue Linie Platz in der Handreichung der EKD „Klarheit und gute Nachbarschaft - Christen und Moslems in Deutschland“ von 2006. Diese Handreichung soll den Mitgliedern der evangelischen Kirche helfen, mit ihren „Nachbarn“ moslemischen Glaubens umzugehen. Gleich im Vorwort finden sich die üblichen Schlagworte: Terroranschläge, Kopftuch, Türkei-Beitritt zur EU, Islamunterricht an deutschen Schulen, zunehmender Moscheebau. Es geht weiter mit der „Unterdrückung der Frau im Islam“, der Christenverfolgung in islamischen Ländern, der „Gewaltbereitschaft“ des Islam, der Unterdrückung von Konvertiten und schließlich wird die Vereinbarkeit des Islam mit Menschenrechten und Demokratie bezweifelt. Der Stichwortkatalog gleicht den von ganz rechts kommenden: Dschihad, Ehrenmord, Zwangsehe,  Parallelgesellschaften, christliche Werte und Leitkultur. Grundsätzlich wird Gewalt und Bedrohung durch Moslems betont: „Doch Überzeugungen, auch Glaubensüberzeugungen, können es nicht rechtfertigen, dass man anderen den Respekt versagt, grundlegende Menschenrechte in Frage stellt und die Achtung der eigenen Überzeugung durch Einschüchterung, Drohung oder Gewaltanwendung einfordert.“ (Handreichung, S. 9)

 

Die Begegnung soll nicht mehr davon geprägt sein herauszufinden, welche Ähnlichkeiten und Parallelen es zwischen den Religionen gibt und sich besser zu verstehen. An erster Stelle steht jetzt „Zeugnis ablegen“ und „Kritik benennen“, also sich als Christ zu definieren und „dem Moslem“ seine Kritik an seiner Religion entgegenzuhalten. Was sich nach einer theologischen Insider-Debatte anhört, hat weitgehende Konsequenzen. Unter „Zeugnis ablegen“ versteht man den ersten Schritt der Missionierung, also dem Gegenüber die Überzeugungskraft und Wahrheit seines Glaubens vorzuführen und damit die trennenden Punkte ins Zentrum zu stellen. 

 

Der Versuch der fortschrittlicheren Theologen, die Gemeinsamkeit in einem Gott zu suchen, wird rundweg abgelehnt und Jesus, den der Islam nicht als Prophet anerkennt, in den Mittelpunkt gestellt: „Vor kurzem haben 138 islamische Gelehrte zu einem Dialog auf der Grundlage des Doppelgebotes der Liebe zu Gott und zum Nächsten aufgerufen. Aber für uns Christen steht vor diesem Gebot die Gewissheit, dass Gottes Barmherzigkeit und seine Liebe uns in seinem Sohn Jesus Christus begegnen.“ (Huber in Cicero, Juni-Ausgabe 2008) In der Handreichung wird jegliche Zusammenarbeit auf kirchlicher Ebene untersagt und die Mission fundamental formuliert: „Christliche Mission bedeutet jedoch mehr als respektvolle Begegnung. Sie umfasst das Zeugnis vom dreieinigen Gott, der den Menschen durch Jesus Christus zu wahrer Menschlichkeit befreit. Es ist für die evangelische Kirche ausgeschlossen, dieses Zeugnis zu verschweigen oder es Angehörigen anderer Religionen schuldig zu bleiben. Das würde die Begegnung auch mit Muslimen von vornherein unwahrhaftig machen und in eine falsche Richtung lenken. Die evangelische Kirche redet dabei von Gott in der Gewissheit, dass er der Menschheit durch Jesus Christus in Wahrheit offenbar ist. (...) Zu anderen Menschen – also auch Muslimen –, die von dieser Wahrheit nicht berührt sind, reden sie von dem Gott, der sündige Menschen rechtfertigt, in der Erwartung, dass Gott auch ihnen die Gewissheit ihrer Rechtfertigung durch seine Gnade schenkt. (...) Gemeinsame christlich-muslimische Amtshandlungen sind nicht möglich.“ (Handreichung, S. 15, S. 117) Darüber freut sich auch der rassistische Blog „politically incorrect“ (pi-news.net: „EKD erteilt Toleranzgedusel eine deutliche Absage“, 29.11.06) 

Im Gegensatz zu früheren Bestrebungen, wird die Mission wieder in den Mittelpunkt gestellt: „Die Mission gehört zum Wesen einer christlichen Kirche. Denn sie ist von Jesus Christus gesandt, ‚alle Völker zu Jüngern (Jesu Christi) zu machen.‘ (Mt. 28,19)“ (Handreichung, 2006, S. 11/12) Da auch der Islam missioniere, könne es natürlich zu Konflikten kommen. Wie dieser Konkurrenzkampf gewonnen werden soll: Den Islam und die Moslems zu zivilisierten Bürgern machen. Darin liege nämlich das Problem. Nicht in der Ausgrenzung und Diskriminierung, nicht in der zunehmenden Islamophobie oder allgemein der rassistischen Stimmung, auch nicht in den Angriffskriegen, die gegen Länder geführt werden, aus denen viele Einwanderer kommen und natürlich nicht in der ökonomischen Ausbeutung und Unterdrückung dieser Länder durch die reichen Länder. Die mangelnde Integration ist ein Problem der Moslems selbst und ihrer Rückständigkeit. Das sollen die evangelisch Gläubigen in diesem Land angehen.

 

Grundgesetz-Fundamentalismus
Der Rahmen dieser fundamentalistischen Ziele ist die „Leitkultur freiheitlich-demokratische Grundordnung“, an die sich die Einwanderer anzupassen hätten. Neben dem Ziel, das Christentum wieder zu stärken und Deutschland zu einem christlichen Land zu erklären, werden die Menschen moslemischen Glaubens nicht nur einem Generalverdacht der Rückständigkeit und Gewaltbereitschaft unterstellt, sondern gezwungen sich besonders anzustrengen, modern und grundgesetztreu zu leben: „Jeder, der hier lebt, hat die gleichen Rechte und Pflichten, auch die Muslime. Dafür setzen wir uns als evangelische Kirche ein. Jeder, der hier lebt, muss unsere Rechtsordnung bejahen und befolgen; und er muss der kulturellen und religiösen Prägung dieses Landes Respekt entgegenbringen.“ (Huber in Cicero, Juni-Ausgabe 2008) Die formelle Bestätigung der Religionsfreiheit wird eingeschränkt durch die vermeintliche Verteidigung der Menschenrechte. Die evangelische Kirche Deutschlands definiert ihre Mission so: „Aber sie (die EKD) ist aufgrund der aus ihrem Glauben an Gott folgenden Nächstenliebe eine starke Anwältin der Achtung aller Menschen als gleichberechtigter und eigenverantwortlicher Bürgerinnen und Bürger.“ (Handreichung, 2006, S. 13)

 

Mißtrauen, Spaltung, Diskriminierung
Was sich fortschrittlich anhört, birgt Sprengstoff, denn damit ist gemeint, dass sie die christlichen Bürger vor den moslemischen schützen wolle. Die Frauen vor Unterdrückung, die Konvertiten vor Verfolgung und ganz allgemein Respekt vor Gesetz und christlichem Glauben einzuflößen sei: „Dazu bedarf es des Mutes, auch unangenehme Wahrheiten und Realitäten auszusprechen.“ (Handreichung, S. 13) In klassischer islamophober Manier wird die Stellung der Frau im Koran herangezogen, pauschal über moslemische Familien geurteilt (geschlechtsspezifische Erziehung, keine Erwerbsarbeit der Frau etc.) und eine Stelle im Koran zitiert, die die Frauenfeindlichkeit des Islam beweisen soll: „‘... ermahnt sie, meidet sie im Ehebett, und schlagt sie‘ Sure 4, 3“ (Handreichung, S. 53). Offensichtlich geht die evangelische Kirche davon aus, dass moslemische Migranten ihre Frauen schlagen, weil es ja so im Koran steht und dass sie deshalb absichtlich verfassungswidrig handeln würden: „Eine solche Züchtigung der Ehefrau ist nach deutschem Recht ein Straftatbestand. Er bleibt es auch dann, wenn Migranten diese Rechtsauffassung ablehnen und aus ihren Herkunftsländern andere rechtliche Vorstellungen und gesellschaftliche Praktiken in Deutschland fortführen. Diese sind wegen ihres Widerspruchs zu den Grundrechten nicht hinnehmbar. Von den hier lebenden Menschen muss erwartet werden, dass sie die Grundentscheidungen des Grundgesetzes akzeptieren und in ihrem Verhalten beachten.“ (Handreichung, S. 54) Damit ist der Generalverdacht ausgesprochen und ein Unterschied zwischen Deutschen bzw. Christen und Migranten bzw. Moslems hergestellt. Niemand würde einem christlichen Mann gleich Verfassungswidrigkeit unterstellen, wenn er seine Frau schlägt. Die Begegnung zwischen Protestanten und Moslems soll damit von Mißtrauen und unterschiedlicher Wertigkeit geprägt werden. Die wenigsten christlichen Männer werden einen Bibelspruch heranziehen, wenn sie ihre Frau „züchtigen“ - es ließen sich viele Stellen finden. Würden sie mit demselben Verdacht der Staatsgefährdung konfrontiert? Macht es einen Unterschied, welches religiöse „Zeugnis“ der Schlagende abgelegt hat? Die evangelische Kirche fordert in ihrer Handreichung zum Islam eine strengere Bestrafung von Gewalt gegen Frauen in der Ehe: „Auch bei der im Strafrecht so genannten einfachen Körperverletzung sollten die Behörden gegen angemaßte Züchtigungsrechte wegen besonderen öffentlichen Interesses stets einschreiten und die Bestrafung nicht von einem Antrag der geschlagenen Frau abhängig machen.“ (Handreichung, S. 55) Zwei verschiedene Rechtsmaßstäbe für Angehörige verschiedener Religionen. Damit wäre der Bogen geschlagen und aus dem Versprechen, „Anwältin der Achtung aller Menschen als gleichberechtigter und eigenverantwortlicher Bürgerinnen und Bürger“ ist das scharfe Schwert der christlichen Leitkultur geworden.

Mit voller Überzeugung hören wir, dass die evangelische Kirche für das moderne Frauenbild eintritt: „Auch widerspricht eine autoritäre, patriarchalische und oft religiös legitimierte Reduktion der Frau auf ihre angeblich natürliche Rolle, (...) den Grundwerten und Tugenden einer demokratischen Ordnung (...).“ (Handreichung, S. 49) Jetzt ahnt man, was Wolfgang Huber damit meint, wenn er eine „kulturell plurale“ Gesellschaft als „eine anstrengende Lebensform“ (Handreichung, S. 48) bezeichnet. Für Herrn Huber könnte es besonders anstrengend werden, wenn man ihm nicht einfach glaubt, sondern seine Freunde genauer betrachtet.

 

Der Konzern evangelische Kirche
Wolfgang Huber ist nicht einfach nur ein Bischof und besorgter Christ. Er ist der Chef eines der größten Unternehmens Deutschlands. Die evangelische Kirche ist mit rund 25 Millionen Mitgliedern nicht nur eine der größten Organisationen neben der katholischen Kirche, sie ist auch ein wirtschaftlicher Betrieb. Der zweitgrößte Arbeitgeber ist - nach der katholischen caritas - das evangelische Diakonische Werk mit rund 430.000 Mitarbeitern. Finanziert wird diese Firma zum größtenteil aus staatlichen Geldern, die Kirche beteiligt sich nur mit  2% (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland, Kirchenquote, 2003). Ein sehr großer fast vollständig subventionierter Betrieb. Ein Ergebnis des  „partnerschaftlichen“ Verhältnisses der Kirchen zum Staat. Sie bekommen die Aufgabe zuerkannt, sich um „Soziale Dienste“ zu kümmern. Ein recht ordentlicher Markt und vor allem ein gesellschaftlich sehr relevanter Bereich. Also für den Klingelbeutel und für neue Schäfchen ganz hervorragend.

Das bekommen natürlich nur „Körperschaften öffentlichen Rechts“ mit einem entsprechenden Vertrag (Staatskirchenvertrag bei den Protestanten, Konkordat bei den Katholiken) und da kann den Kirchen in Deutschland niemand das Wasser reichen - ein Monopol erster Güte. Um diese fruchtbare geschäftliche Verbindung abzusichern ist die Personalunion von geistlichen Amtsträgern und politischen Funktionären groß. Auch in der christlich-demokratischen Union (CDU) sind keineswegs nur Katholiken vertreten. Die Protestanten haben sogar einen eigenen Arbeitskreis mit eigenem Organ. Die Kirchenvertreter sitzen im Bundestag, in Ministerien und in vielen Aufsichtsgremien wie beispielsweise den Rundfunkräten für die öffentlichen Sender. Die beiden Kirchen betreiben außerdem jeweils über 1000 Schulen, selbstverständlich staatlich subventioniert, einige von ihnen mit strenger Bibelorientierung. Die deutschen Bischöfe und Priester weihen wie eh und je die Waffen der Bundeswehr und Polizei und sie sind Teil der Außenpolitik der BRD als „Entwicklungshelfer“, in immer offenerer missionarischer Funktion. Soviel zur Säkularisierung, die so oft von anderen vermeintlich zurückgebliebenen Staaten eingefordert wird und soviel zur Machtstellung der Kirchen.

 

Heilssuche im Fundamentalismus
Diese Machtstellung scheint allerdings gefährdet. Nicht so sehr vom Islam, denn es scheint eher unwahrscheinlich, dass die islamischen Gemeinden zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts erhoben werden. Wobei das langfristig natürlich auch verhindert werden muss und man deshalb schon mal scharf schießt. Das Problem ist, dass immer weniger Menschen in den Gottesdienst gehen. Beide Kirchen sind von starkem Mitglieder- und Gläubigemschwund betroffen. Das gefährdet nicht direkt ihre Pfründe und Privilegien, aber es droht ihnen langfristig ein Verlust an gesellschaftlichem Einfluss. Ihr Glück und ihr Heil suchen beide Kirchen im Fundamentalismus. Der katholischen Kirche gelingt es dabei nicht so elegant und modern zu erscheinen, wie die Protestanten. Beispielsweise kam die Wiederaufnahme der Holocaust leugnenden Pius-Bruderschaft nicht sehr gut an. Die fundamentalistische Version der evangelischen Kirche kommt erstens poppiger und jugendlicher daher und die EKD hat einen organisatorischen Vorteil. Sie ist nicht so zentralistisch organisiert wie die Katholische Kirche. Formell befinden sich die meisten Evangelikalen, das sind die Fundamentalisten, außerhalb der Amtskirche. So läßt sich ein Schein der Mäßigung aufrecht erhalten und die liberaleren Mitglieder beschwichtigen. Währenddessen nimmt nicht nur der Zulauf zu den Evangelikalen stark zu, auch ihr Einfluss in der Amtskirche ist mit Wolfgang Huber deutlich angestiegen.

 

Pro Christ e.V./JesusHouse - Poppige Missionare
Der Chefmanager der deutschen evangelischen Kirche ist zugleich Kuratoriumsmitglied des Vereins Pro Christ e.V., der jedes Jahr Massengottesdienste inszeniert, die per Satellit  übertragen und als Public-Viewing ausgestrahlt werden. Allein im Jahr 2000 beteiligten sich an 1200 Übertragungsorten 1,4 Millionen Menschen. Im Wechsel mit „Jesus House“ sind dies die erfolgreichsten und einnahmeträchtigsten Veranstaltungen der evangelischen Kirche. Ziel und Zweck des Vereins ist nach seiner Satzung „die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus und die Förderung des christlichen Glaubens in Deutschland und Europa.” Diese Verkündigung versteht sich bibeltreu: „Wir verkündigen den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus – so, wie ihn die Bibel bezeugt,“ sie richtet sich, obwohl man offiziell überkonfessionell sein will, an fromme Christen: „ProChrist fühlt sich allen Menschen verbunden, die Jesus Christus als ihren Retter angenommen haben.“ Die Show ist einfühlsam und modern, die Predigten sind leidenschaftlich und streng, die Organisation ist professionell: „Wir beten kontinuierlich, damit wir erkennen, welche Wege und Methoden wir wählen sollen. Wir motivieren und schulen unsere Mitarbeiter und stärken sie im Glauben. Wir nutzen modernste Kommunikationsmittel, um die Gute Nachricht weiterzusagen. Wir thematisieren unser Anliegen in den Massenmedien. Unser Ziel ist es, persönliche Gespräche über den christlichen Glauben in der Alltagswelt anzustoßen.“ (alle Zitate auf www.prochrist.de) Darin hat Pro Christ mächtige Partner. Die Kuratoriumsmitglieder sind zwar recht weltlich und ihre Belange auch, aber sie haben die richtige Überzeugung. Zu ihnen zählen zwei Ministerpräsidenten außer Dienst (Teufel, Beckstein), ein Bundesminister außer Dienst (H.-J. Vogel, SPD) ein amtierender Ministerpräsident (Wulff), eine amtierende Landesministerin aus Thüringen, der Vorsitzende der sächsischen CDU-Landtagsfraktion und der ehemalige Präsident des bayerischen Landtags, Alois Glück (CSU). Zu finden sind außerdem eine ganze Reihe Unternehmer und Unternehmensberater, der Golfprofi Bernd Langer und auch ein als „selbständiger Kaufmann“ bezeichneter Aristokrat, Alexander Graf zu Castell-Castell, dessen Fürstenhaus die private Castell-Bank mit einer Bialnzsumme von immerhin 1,2 Mrd. € (2008) zu 50% gehört und zu deren Kunden viele Gemeinden, Hospize und andere kirchliche Einrichtungen zählen, sowie der evangelikale „Marburger Kreis“ mit etwa 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in über 400 örtlichen Gruppen treffen. Er funktioniert als eine Schaltstelle zwischen den Evangelikalen und der Amtskirche.

 

Ulrich Parzany - Verheißungsvoller Evangelist 
Der Pro Christ-Starprediger Ulrich Parzany orientiert sich an seinem Vorbild, dem berühmten Show-Prediger aus den USA Billy Graham. Für Parzany ist wie für Huber und in der Handreichung zu lesen „das Zeugnis“ der wichtigste Schritt in der Begegnung mit dem Islam: „Erst wenn ich eine klare christliche Haltung beziehe, nehmen mich Muslime ernst und ein respektvoller Dialog ist möglich. Wir brauchen einfach mehr als indifferente, gleichgültige Toleranz.“ (jesus.ch vom 11.01.08) Mit diesem neuen Flaggschiff will Bischof Huber die EKD auf Trab bringen. Für ihn ist die Mission der Evangelikalen „verheißungsvoll“ (3sat-Interview vom 07.04.09). Sie seien nicht außerhalb, sondern Teil der evangelischen Kirche. Damit hat er Recht. Im Kuratorium des Vereins sitzen neben ihm gleich neun Landesbischöfe sowie drei weitere Kirchenfunktionäre. Die Landeskirchen beteiligen sich finanziell und organisatorisch an den Massenevents.

 

Deutsche Evangelische Allianz - Think Tank der Fundamentalisten
Eng verbunden ist Pro Christ vor allem mit der Deutschen Evangelischen Allianz, der Organisation der Evangelikalen mit über 1,4 Millionen Mitgliedern in 1100 Ortsverbänden. Der Hauptsitz befindet sich im thüringischen Bad Blankenburg. Die Allianz ist nicht nur der Stichwortgeber und Initiator für ProChrist, sondern der Think Tank der evangelischen Kirche. Generalsekretär der Allianz ist Hartmut Steeb, zugleich Kuratoriumsmitglied bei Pro Christ e.V. und Autor für die rechtsextreme Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Dort schrieb er im März 2008 zum Mann-Frau-Verhältnis: „Das gilt auch für die wirklich große vor uns stehende Herausforderung des Gender Mainstreaming, das unter dem Deckmantel anscheinender Gleichstellung die schöpfungsgemäße Polarität der Geschlechter negieren will. Hier braucht es dringend einen kirchlichen Weckruf.“ Er sieht sich als Opfer: „Des weiteren wird die Political Correctness gern zum Instrument gegen christliche Positionen gemacht. Man darf dann keine abweichende Meinungen mehr äußern, ohne verfemt zu werden.“ Und zum Islam: „Und wir dürfen schließlich auch die Tatsache einer möglichen schleichenden Islamisierung nicht übersehen.“ (Junge Freiheit, 18.03.08) Hartmut Steeb ist ein alter Freund Ulrich Parzanys, der von 1987 bis 2005 Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz war. Beide kennen sich auch aus der „Lausanner Bewegung“, der internationalen Organisation der Evangelikalen, in der sie hohe Funktionen einnahmen und einnehmen. Der deutsche Zweig heißt „Koalition für Evangelisation“ und ist offizieller Partner der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) des Diakonischen Werks, ebenso wie Pro Christ e.V. Die AMD ist die Verbindungsstelle der Evangelikalen und der Amtskirche.

 

Institut für Islamfragen - Hetze im wissenschaftlichen Gewand
Die Deutsche Evangelische Allianz ist nicht nur ein akkreditierter Verband beim Bundestag, sondern betreibt eigene Institute. Das Institut für Islamfragen stellt sich selbst schon mit einer Kampfansage vor: „Dass der Islam zu einer gewaltigen Herausforderung für Kirche, Gesellschaft und Staat geworden ist, bedarf heute keiner näheren Begründung mehr. Etwa 3,2 Mio. Muslime leben in Deutschland, in ganz Europa sind es rund 15-20 Mio. Menschen. Die meisten von ihnen werden in Europa bleiben und nicht in ihre Heimatländer zurückkehren. (...) Bei Gründung des „Islaminstituts“ der Deutschen Evangelischen Allianz im Jahr 1999 stand deshalb der Gedanke im Vordergrund, das ‚Feld‘ der Information zum Thema Islam nicht nur muslimischen Organisationen zu überlassen, sondern auch aus christlicher Perspektive einen Beitrag zu der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatte zu leisten. (...) Sind Selbstmordattentate vom Islam her zu rechtfertigen? Betreibt der Islam Mission? Auf welche Weise geschieht sie im Westen? (...) Unsere Anliegen: Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Anspruch des Islam als Religion, politischem System und Gesellschaftsordnung; Ein zeitgemäßes Vertreten christlicher Werte und Auffassungen; Zurüstung von Christen zu einer angemessenen Begegnung mit Muslimen.“ (www.islaminstitut.de) Eine Kostprobe der Meldungen der Website: „Eine vom Islam zum Christentum konvertierte Frau berichtet von den lebensbedrohlichen Konsequenzen ihres Glaubenswechsels, Menschenrechtsorganisationen verurteilen die Enthauptung und Kreuzigung als Hinrichtungsmethoden in Saudi-Arabien, Zusammenfassung des Berichts des Verfassungsschutzes 2008, Fatwa zum Thema ‚Strafe für Homosexualität‘, Was türkische Jugendliche bewegt, Fatwa zur Züchtigung der Ehefrauen.“ (www.islaminstitut.de) Das Institut versteht sich nicht nur als wissenschaftliche Einrichtung, sondern will auch in die Gesellschaft hineinwirken. Zu seinen Angeboten gehört: Die Zeitschrift „Islam und christlicher Glaube“, die Buchreihe des Islaminstitutes, das Archiv islamwissenschaftlicher Artikel, Vorträge und Seminare zum Thema Islam durch Islamwissenschaftler und Theologen, Seminare und Tagungen für Führungskräfte und Verantwortungsträger.

 

Christine Schirrmacher - Retterin des Abendlandes
Leiterin des Instituts für Islamfragen ist Christine Schirrmacher, zugleich Mitglied im 2004 eingesetzten „Arbeitskreis Islam“ des Rats der EKD und eine der Autorinnen der Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft Christen und Muslime in Deutschland“. Sie gehört dem Kuratorium der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), verschiedenen politischen und gesellschaftspolitischen Beratergremien sowie dem Integrationsbeirat der Hessischen Landesregierung an. Ihre Angriffe auf den Islam finden sich in nur leicht verhohlener Form in der „Handreichung“. Sie selbst firmiert ganz offen als Retterin des Abendlandes: „Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen (der Islamkonferenz der Bundesregierung) die unausweichlichen Konflikte mit Vertretern des organisierten Islam mutig und unerschrocken in Angriff nehmen, indem sie die unaufgebbaren Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und des christlichen Abendlandes als conditio sine qua non (unerlässliche Voraussetzung) formulieren. (...) Der Islam stellt Europa immer nachdrücklicher die Frage nach seiner Identität und Werteordnung – was antworten wir?“ (kath.net vom 04.05.07) In einem Interview mit FOCUS Online wird ihre Demagogie deutlich, die ganz selbstverständlich von Moselms über Islam zu politischen Islam und Islamismus kommt und von Gehorsam, Widerstandskraft und Sieg redet: „Einige Muslime vertreten bis heute die Meinung, dass ein ‚leichtes Schlagen‘ der Ehefrau als Konfliktlösung besser sei als die im Westen übliche Scheidung. (...) Jedoch hat die westliche Gesellschaft diesem frauenfeindlichen, archaischen Weltbild des Islams oft nichts anderes entgegenzusetzen als vorauseilenden Gehorsam. (...) Der Druck wird durch den politischen Islam aufgebaut. Wenn wir uns nicht selbst aufgeben wollen, dürfen wir der Auseinandersetzung mit dem Islamismus nicht aus dem Weg gehen. Denn der ruht erst, wenn eine schariakonforme Gesellschaft entsteht. Da gibt es noch viele Bereiche in einer westlichen Gesellschaft, gegen die man lautstark aufbegehren kann. Mit dem Protest soll die Widerstandskraft der westlichen Gesellschaft getestet werden. Nachgeben werten die Islamisten als Sieg.“ Auch andersherum werden logischerweise aus den allgemein abendländischen Werten - deutsche: Den Vertretern der Islamkonferenz warf sie diesmal vor, sich nicht zur „deutschen Werteordnung“ zu bekennen. (FOCUS Online, 01.11.08)

 

Evangelikales Medienzentrum in Wetzlar
Die Evangelikalen verfügen aber auch über eigene Medien. Neben den Publikationen ihrer Institute steht die „unabhängige“ Nachrichtenagentur „auf der theologischen Basis der Evangelischen Allianz“ (Eigenbeschreibung) idea mit Sitz in Wetzlar zur Verfügung. Sie gibt die Wochenzeitung idea.Spektrum heraus, nach eigenen Angaben das auflagenstärkste evangelische Wochenmagazin mit einer Auflage von 30.000 und einem Leserkreis von ca. 100.000 Menschen. Neben den bekannten missionarischen und anti-islamischen Inhalten kürt idea gemeinsam mit der „Internationalen Gemeinschaft für Menschenrechte“ einen „Gefangenen des Monats“, wobei es sich um vom Islam verfolgte Christen oder Konvertiten handelt. Der Evangeliumsrundfunk mit evangelikaler Ausrichtung ist offizieller Medienpartner nicht nur von Pro Christ, sondern der gesamten Evngelischen Kirche Deutschlands. Er ist der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste der EKD angeschlossen. Chefreakteur Jürgen Werth ist  seit 2007 Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz und Kuratoriumsmitglied von Pro Christ. Die RUndfunkemdien der evangelischen Kirche sind also schon mehrheitlich in der Hand der Evangelikalen.

Der christliche Medienverband KEP ebenfalls mit Sitz in Wetzlar hat „Mehr Evangelium in den Medien“ als Motto und organisiert Journalisten und Gestalter auf evangelikaler Linie. Zum Angebot gehören: Das mit einer Auflage von aktuell 67.000 Exemplaren „Christliche Medienmagazin pro“ eine der auflagenstärksten christlichen Zeitschriften in Deutschland, das israelnetz mit der Printausgabe israelreport, die christliche Medienakademie, die in Workshops und Seminaren jährlich rund 300 Journalisten schult, eine eigene Agentur in Russland, sowie publicon, ein Pool an christlichen Journalisten. Im Vorstand ist mit Edgar Sebastian Hasse ein Redakteur der Welt am Sonntag vertreten, Mitglieder sind Dr. Markus Spieker, Berlin, Korrespondent ARD Hauptstadtstudio, Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Christoph Weirich, Hessischer Rundfunk, Bernhard Wiedemann, Redaktion Wissenschaft und Bildung, MDR-Fernsehdirektion, Andreas Wild, Redakteur und Moderator MDR Radio Thüringen, WIII-Präsentationen, Uta Windisch, Burkhardtdorf, Abgeordnete im Sächsischen Landtag, Christoph A. Zörb, Pressesprecher der hessischen Umweltministerin Silke Lautenschläger.

Ob die Geschäftsidee, mit Fundamentalismus zu mehr Gläubigen zu kommen, funktioniert, ist noch offen. Der Kulturkampf ist jedenfalls eröffnet und die Evangelikalen gewinnen an Zulauf. Die Spaltung der Gesellschaft wird verschärft, Angst geschürt und die Saat dürfte Gewalt und Ausgrenzung sein gegen Muslime.