Das Ende von Racial Profiling

Erstveröffentlicht: 
07.11.2014

Eine groteske Kontrolle dunkelhäutiger Deutscher in einer Regionalbahn fordert eine richterliche Klarstellung heraus. Das Verwaltungsgericht Koblenz belehrt im Urteil die Bundespolizei, was eigentlich Einreise bedeutet. Die Folgen des Richtspruchs sind weitreichend - wenn er rechtskräftig wird.

 

Solche Sätze vermögen wohl nur Juristen zu formulieren: „Der Begriff der Einreise bedeutet nach dem Wortsinn die Reise von einem in den anderen Staat.“ Eine Selbstverständlichkeit? Keineswegs. Die Bundespolizei jedenfalls musste sich erst jetzt darüber aufklären lassen.

In einer am Freitag bekanntgewordenen Entscheidung gab das Verwaltungsgericht in Koblenz der Klage zweier dunkelhäutiger Deutscher statt, die im Regionalzug zwischen Mainz und Köln von Bundespolizisten nach ihren Ausweisen gefragt worden waren – als Einzige an Bord. Ob die Kontrolle, wie die Kläger geltend gemacht hatten, als „Racial Profiling“ und damit als Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes einzustufen sei, ließen die Richter zwar offen. Doch ihr Urteil liest sich trotzdem spektakulär. Würde es rechtskräftig, wären die Folgen äußerst weitreichend.

Verdachtsunabhängige Kontrollen sind in Deutschland grundsätzlich nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig. Paragraf 22, Absatz 1a, des Bundespolizeigesetzes erlaubt jedoch das „Befragen“ von Bahnreisenden, wenn es dem Kampf gegen illegale Migration dient. So weit, so pauschal – und so umstritten, weil vor allem Menschen ins Visier geraten, die für die Streifenbeamten nicht „deutsch“ genug aussehen.

Das Koblenzer Verwaltungsgericht aber verweist nun auf einen anderen, bislang kaum beachteten Passus des Paragrafen: Es darf nur in Zügen kontrolliert werden, von denen, wie es im Gesetzestext heißt, „auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden“. Und nach Ansicht des Gerichts kann davon bei einer fernab jeder Grenze verkehrenden Regionalbahn ganz offensichtlich nicht die Rede sein.

Die Bundespolizei, die die Bahnstrecke im Rheintal einen „bekannten Schleuserweg“ genannt hatte, wurde belehrt: „Einem Zug, der seinen Ausgangspunkt und Endpunkt im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland hat, der nur über deutsches Staatsgebiet geführt wird, keine Flug- oder Seehäfen und keine Staatsgrenzen berührt, fehlt aber von vornherein die Eignung, zum Grenzübertritt und damit auch zur Einreise genutzt zu werden.“
Berufung wahrscheinlich

Anders ausgedrückt: Kontrollen sind nicht, wie das Gesetz bisher ausgelegt wurde, fast immer erlaubt. Sondern fast immer verboten. Wenn der Gesetzgeber größere Freiheiten für die Bundespolizei wolle, müsse er eben den Paragrafen ändern, beschieden die Richter – betonten aber, dass dann auch die Voraussetzungen für den Grundrechtseingriff, den eine Personalienüberprüfung immer darstellt, klar festzulegen seien.

Für Klägeranwalt Sven Adam, der schon mehrere Verfahren in Fällen von mutmaßlichem „Racial Profiling“ geführt hat, ist das Urteil ein großer Erfolg: „Wenn sich die Auffassung der Koblenzer Richter durchsetzt, bedeutet das die faktische Abschaffung von Kontrollen aufgrund der Hautfarbe zumindest in den meisten deutschen Zügen und Bahnhöfen.“ Die beklagte Bundespolizeidirektion Koblenz dagegen wollte keinen Kommentar abgeben. Auch ob Berufung eingelegt werden soll, blieb zunächst offen. Es darf aber als wahrscheinlich gelten.