Am
5. August ging die 77 Tage dauernde Besetzung der Autofabrik Ssangyong
zu Ende. Die Ssangyong Motor Company in Pyeontaek nahe Seoul gehört der
chinesischen „Shanghai Automotive Industry Corporation“, die in den
letzten Jahren 51% der Firmenanteile erhielt. Seit der Übernahme wurden
8700 Arbeitsplätze abgebaut. Als die Firma im
Februar Insolvenz anmeldete, wurden die Arbeitsplätze noch einmal auf
700 reduziert und viele Fertigungsteile nach China verlagert. (…)
Gleichzeitig wurde versucht mit Subventionen des koreanischen Staates
die Fabrik wieder zum Laufen zu bringen. Die geplanten
Umstrukturierungen sahen weit reichende Entlassungen vor. So wurden 300
Vertragsarbeiter gefeuert und 1700 Kollegen in den Vorruhestand
geschickt. Die Initiative zur Besetzung ging hauptsächlichen von den
letzteren aus.
Die Besetzung
Der Streik und die
Besetzung begannen am 22 Mai. Die Forderungen richteten sich gegen
Entlassungen, die zunehmende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und
die Verlagerungen von Arbeitsplätzen. Die Ausweitung der Vertragsarbeit
ist ein zentraler Angriff auf die koreanische Arbeiterklasse, da
Vertragarbeiter bedeutend weniger verdienen als fest angestellte
Arbeiter und darüber hinaus keinen Kündigungsschutz haben. Ein kürzlich
verabschiedeter Gesetzesentwurf, der vorsah Vertragarbeitern nach zwei
Jahren Kündigungsschutz zu gewähren, hatte die Bosse nur dazu ermutigt
verstärkt dazu überzugehen, Vertragsarbeiter kurz vor Ablauf dieser
zwei Jahre zu feuern. So funktionieren nun mal „Reformen“ im
krisengeschüttelten Kapitalismus.
(…)
Anfangs kam es bei der Besetzung von Ssangyong zu wenigen
Interventionen der staatlichen Behörden, was zum einen auf die Krise
der herrschenden Klasse nach dem Selbstmord des ehemaligen Präsidenten
Noh Mu Hyeonund und die Welle von Massendemonstrationen gegen die
Krisenpolitik rechtsgerichtete Regierung zurückzuführen ist. Als es
jedoch an der Zeit war, begann der Staat sein ganzes
Unterdrückungsarsenal gegen die Arbeiter auszuspielen. Am 16. Juli fand
eine Kundgebung gegen den Streik vor der Fabrik statt, an der sich
vorrangig Streikbrecher und vom Unternehmen angeheuerte Schläger
beteiligten. Zur gleichen Zeit schlossen sich 700 Arbeiter der nahe
gelegenen KIA Autofabrik den Streikenden an um die Besetzung zu
verteidigen. Die Arbeiter beschlossen den Schwerpunkt der Besetzung auf
die Lackiererei zu legen. Dahinter stand die Idee, dass die Polizei
zögern würde einen Angriff auf die Lackiererei und die leicht
entzündlichen Chemikalien zu unternehmen. Gegen Ende Juni nahmen die
Angriffe des Staates auf die Arbeiter zu. Am 26. und 27. Juni kam es zu
einer Reihe gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern auf der
einen und angeheuerten Schlägern, Streikbrechern und der Polizei auf
der anderen Seite. Die Arbeiter verteidigten sich mit Eisenstangen und
Molotowcocktails mussten sich jedoch zunehmend in die Lackiererei
zurückziehen. Neben der physischen Konfrontation setzten das
Unternehmen und der Staat auch zunehmend auf psychologischen Druck. Die
Gas- und Wasserversorgung der Fabrik wurde abgestellt. Rund um die Uhr
flogen Helikopter über die Fabrik um den Arbeitern den Schlaf zu
rauben. Da die Wasser und- Gasversorgung abgesellt war, mussten die
Arbeiter Regenwasser auffangen und provisorische Toiletten errichten.
In Anbetracht des warmen Sommers herrschten also in der besetzen Fabrik
schreckliche Zustände. Zusätzlich versuchte der Staat die Arbeiter
individuell unter Druck zu setzen, in dem ihnen hohe
Schadensersatzforderungen angedroht wurden.
Die Haltung der Metallarbeitergewerkschaft KMWU (Korean Metal Workers
Union) bestand darin die „illegale“ Besetzung formell zu unterstützen
aber nichts zu unternehmen, was den Staat ernsthaft herausgefordert
hätte. Sie rief zu einem halbtägigen Generalstreik der Metallarbeiter
und einer Solidaritätskundgebung vor der Ssangyongfabrik auf. Vom 4.
bis zum 11. Juli führte der Gewerkschaftsverband KCTU (Korean
Confederation of Trade Unions) eine Reihe von Kundgebungen im ganzen
Land ab. Dennoch blieben die Arbeiter in ihrem besetzten Betrieb
isoliert.
Am 20. Juli setzten die staatlichen Autoritäten zum letzten Angriff auf
die Fabrik an: Um die 3000 Polizisten umstellten die Fabrik während von
Hubschraubern aus mit Tränengas geschossen wurde. Die Arbeiter
beantworteten den Polizeiangriff mit Molotowcocktails und Zwillen. Die
KTCU rief nun zu einem zweitägigen Generalstreik auf. Dennoch blieben
diese Aktionen formalistisch und sehr begrenzt. Am 25. Juli kam es bei
einer Solidariätskundgebung in der Nähe des Bahnhofes von Pyeongtaek zu
weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ende Juli
gelang es der Polizei und Schlägertruppen des Unternehmens die Fabrik
mit Ausnahme der Lackiererei zurückzuerobern. Am 1. August kappte das
Unternehmen den elektrischen Strom zur Lackiererei. Nach weiteren
Auseinandersetzungen ging die Besetzung schließlich am 5. August zu
Ende.
Der Streik endete in einer vollkommenen Niederlage der Arbeiter. Die
Einigung, die die KMWU mit dem Unternehmen aushandelte, sieht die
Frühverrentung mit einigen Abfindungen für 52% der Arbeiter vor. 48%
werden mit dem vagen Versprechen einer eventuellen Wiedereinstellung in
den unbezahlten Urlaub geschickt. Auch nach dem Ende des Streiks geht
der Staat mit Verhaftungen und Anklagen gegen einzelne Aktivisten vor.
Gleichzeitig werden die Arbeiter mit hohen Schadensersatzforderungen
des Unternehmens bedroht. Nach uns vorliegenden Informationen haben
bereits 5 Arbeiter aufgrund des großen Drucks Selbstmord begangen.
Was können wir von Ssangyong lernen
Der Kampf von Ssangyong hebt sich nicht von anderen Arbeiterkämpfen gegen die Folgen der ökonomischen Krise ab. Auch wenn das Niveau der Auseinadersetzung sicherlich äußerst militant war, lassen sich ähnliche Schlussfolgerungen ziehen wie aus anderen Kämpfen und Betriebsbesetzungen. Betriebsbesetzungen allein, so entschlossen und militant sie auch durchgeführt werden, können ohne eine Ausweitung des Kampfes nicht erfolgreich sein. Unterstützung aus den umliegenden Regionen oder Solidaritätskundgebungen anderer Arbeiter reichen nicht aus um die Isolierung hinter den Fabriktoren zu durchbrechen. Die Einberufung einer halbtägigen „Solidaritätsaktion“ durch die Gewerkschaften war weitgehend nutzlos und diente eher der Gettoisierung der Streikenden. In einer Periode des generalisierten Angriffs kann nur eine generalisierte Antwort der Arbeiterklasse eine Perspektive bieten. Dies setzt voraus den Bezugsrahmen der Gewerkschaften zu durchbrechen, die stets versuchen die Arbeiter in Berufgruppen und Branchen aufzuspalten und zu isolieren. Dies wurde zu einem bestimmten Grade auch von den Arbeitern von Ssangyong erkannt, die sich in ihrer Fabrik außerhalb der hergebrachten Gewerkschaftsstrukturen organisierten. Die Arbeiter gründeten ca. 50 Basisgruppen, die sich jeweils aus ca. 10 Arbeitern zusammensetzen. Jede dieser Gruppen, der sog. „chojang“, wählte einen Delegierten in ein Koordinationskomitee. Aber ohne eine Perspektive der Verallgemeinerung des Kampfes können auch solche demokratischen Kampfstrukturen schnell wieder von den Gewerkschaften vereinnahmt werden. Der Kampf von Ssangyong unterstreicht einmal mehr die unbedingte Notwendigkeit, dass die revolutionären Minderheiten ihre Präsenz in der Klasse verstärken um den Prozess der Entwicklung von Klassenbewusstsein zu unterstützen. Wenn sich der Klassenkampf entwickeln soll, muss jeder ökonomische Kampf eine bewusste politische Stoßrichtung entwickeln. Dies wurde in Ansätzen auch von den Arbeitern von Ssangyong erkannt. Auf einer Pressekonferenz vor dem Fabriktor erklärte eine Arbeiter „… Wir haben unser Bestes getan, diesen Disput gemäß dem Prinzip der friedlichen Einigung per Dialog zu lösen. Nichtsdestotrotz erklären wir für den Fall, dass diese Art brutaler und tödlicher Repression andauert, offen unseren entschlossenen Willen, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Wer von uns hier drinnen ist, wird beweisen, dass wir entschlossen sind zu sterben, nicht nur als Arbeiter, sondern auch als Menschen.“
In diesen Sätzen drückt sich in Ansätzen das Verständnis dafür aus,
dass es in diesem Kampf nicht nur um Arbeitsplätze in Korea sondern um
die Zukunft der Menschheit ging. Er richtete sich nicht nur gegen
Arbeitsplatzabbau sondern gegen den Staat, der die Kapitalisten und ihr
„Recht“ verteidigt uns Arbeiter als bloße Anhängsel ihrer Maschinen zu
verschieben. Der einzige Ausweg aus dieser Misere besteht darin, die
weltweiten Klassenkämpfe grenzüberschreitend zu vereinheitlichen, um
den Kapitalismus durch ein soziales System zu ersetzen in dem die
menschlichen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.