Die Ärztin Silje Lehne Michalsen hatte sich während ihres Einsatzes in Sierra Leone mit Ebola infiziert. Nach ihrer Überstellung in ihre Heimat Norwegen besiegte sie das Virus und konnte am 20. Oktober das Ullevål Krankenhaus in Oslo gesund wieder verlassen. In einer darauffolgenden Pressekonferenz sprach sie über ihre Erfahrungen und forderte mehr dringend benötigte internationale Hilfe bei der Eindämmung der Epidemie in Westafrika.
Mein Name ist Silje Lehne Michalsen. Ich bin Ärztin und Einsatzmitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen.
Am 2. Juni 2014 brach ich auf zu meinem ersten Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen. Ich reiste in ein Krankenhaus in der Stadt Bo in Sierra Leone. Dort sollte ich ursprünglich in einem Projekt mit Lassa-Fieber arbeiten – dem unbekannten, vergessenen und etwas weniger gefährlichen Cousin von Ebola.
Der erste Ebola-Fall in Sierra Leone wurde nur wenige Tage nach meiner Ankunft im Land bestätigt. In den folgenden Monaten verbreitete sich die Ebola-Epidemie in Sierra Leone, und mein Job im Krankenhaus hatte immer mehr mit Ebola zu tun. Wir bauten ein neues Ebola-Behandlungszentrum in Bo, und dort arbeitete ich die letzten zwei Wochen, bevor ich krank wurde.
Am 4. Oktober, einem Samstag, fühlte ich mich nicht gut, als ich von der Arbeit nach Hause kam. Ich prüfte meine Temperatur und stellte fest, dass ich leichtes Fieber hatte. Ich isolierte mich selbst in meinem Zimmer und führte einen Malaria-Test durch, der negativ war. Tags darauf wurde mir eine Blutprobe entnommen, und der Test war Ebola-positiv.
Am nächsten Tag wurde ich in einer Art Inkubator nach Oslo geflogen – er war luftdicht und schützte so das Team, das mich begleitete, vor einer Infektion. Ich bin froh, dass ich so rasch und reibungslos evakuiert wurde.
Im Ullevål Krankenhaus wurde ich von einem großartigen Team an ÄrztInnen und Pflegefachkräften empfangen, die mir eine hervorragende Behandlung sowie Unterstützung und Aufmunterung zukommen ließen. Ich bin unglaublich dankbar für die Behandlung, die ich dort erhalten habe.
Heute bin ich gesund und nicht mehr ansteckend. Ich hatte Glück, und es fühlt sich nicht an, als ob ich Ebola gehabt hätte. Die Menschen, die in Afrika infiziert waren und es heute sind, machten – und machen noch immer – ganz andere Erfahrungen als ich.
In Westafrika an Ebola zu erkranken heißt mehr, als nur unter Symptomen zu leiden. Es bedeutet, Schwestern, Väter und Nachbarn zu verlieren. Im Alter von sechs Jahren in einem Krankenhaus zu sein, ohne einem einzigen bekannten Gesicht. Die Stigmatisierung der gesamten Familie. Die Isolation in heißen Zelten mit harten Betten und Menschen, die in den Betten neben dir sterben. Aber nur, wenn du genug Glück hast, überhaupt aufgenommen zu werden.
Ich habe insgesamt drei Monate in Bo in Sierra Leone verbracht und miterlebt, wie Ebola meiner Stadt und meinem Krankenhaus immer näher kommt, und sich im Rest des Landes ausbreitet. Ich habe drei Monate lang die völlig fehlende internationale Reaktion mitverfolgt. Ich wurde drei Monate lang immer besorgter und frustrierter. Mit jedem Tag, der verging, fielen wir drei Schritte zurück. Mit jedem Tag, der verging, stieg die Zahl der infizierten Menschen, und jeden Tag kam mir der Gedanke, dass das Stoppen der Epidemie jetzt noch schwieriger sein würde als gestern.
Wir alle fühlten den Wettlauf gegen die Zeit, aber die Welt tat nichts. Nichts passierte und wir fühlten uns hilflos. Und die Zahl der infizierten Menschen stieg weiter.
Heute werden aus den Gesprächen endlich Aktionen und Maßnahmen, mehr als nur Worte und Geld. Das ist gut, aber auch mehr als höchste Zeit. Ich wünschte, die Welt hätte schon vor einigen Monaten etwas getan; der Kampf wäre so viel leichter zu gewinnen gewesen. Viele Leben und Familien wären verschont geblieben.
Die Uhr tickt, und mehr Menschen sterben. Wir müssen handeln, und wir müssen jetzt handeln.
Ich habe gesehen, dass sich viele Menschen freiwillig gemeldet haben, um nach Westafrika zu gehen. Das ist großartig, und ich bin wirklich froh, dass meine Ansteckung diese Menschen nicht abschreckt. Ich möchte all jenen so sehr danken, und wünsche euch allen Glück.
Abschließend möchte ich mich auch bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die mich während all dieser Wochen unterstützt haben. Danke an Ärzte ohne Grenzen für all die Hilfe, die ihr mir und meiner Familie zukommen habt lassen. Danke an das Ullevål Krankenhaus für die exzellente Behandlung und Nachbetreuung.
Und Danke an die Medien, dass sie meinen Wunsch, anonym zu bleiben, respektiert haben. Ich stehe jetzt zur Verfügung und hoffe, dass Sie Antworten auf all Ihre Fragen bekommen. Doch nach dem heutigen Tag wünsche ich mir nicht noch mehr Aufmerksamkeit, und ich hoffe, dass Sie auch das respektieren. Stattdessen möchte ich Sie dazu auffordern, Ihren Blick darauf zu richten, wo er hin gehört – und Ihre Zeit und den Platz auf Ihren Seiten den Geschichten und realen Problemen zu widmen, die in Westafrika stattfinden, und nicht hier in Norwegen.
Mein erster Einsatz hat sich nicht ganz so entwickelt, wie ich es erwartet hatte – doch ich hoffe, so bald wie möglich wieder auf Einsatz gehen zu können.
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