Die Demonstranten zogen durch die Innenstadt, um ihre Unterstützung der Menschen im syrischen Kobane auszudrücken. Die Weltgemeinschaft dürfe nicht einfach wegsehen.
St. Lorenz Süd/Innenstadt – Kurdische Flaggen, Tücher und Bänder in den Farben Grün, Rot und Gelb sowie Kurdistan-Trikots haben gestern das Bild in der Stadt geprägt. Fast 900 Demonstranten gingen auf die Straßen, um ein Zeichen zu setzen gegen die Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS)und für die belagerte Stadt Kobane in Nordsyrien. „Die vielen Teilnehmer sind ein kraftvolles Zeichen der Solidarität“, sagte Christoph Kleine von der Lübecker Initiative Solidarität mit Kobane und Rojava. Um die Grausamkeiten der Kämpfe zu verdeutlichen, hatten die Demonstranten weiße Bettbezüge mit roter Farbe beschmiert – die somit wie eingehüllte Kinderleichen aussahen.
Der Protestzug startete um 14.25 Uhr am Lindenplatz. Die meisten Teilnehmer waren von der kurdischen Gemeinschaft, gleichzeitig beteiligten sich unter anderem die Linken, die Grünen, Attac, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und die Interkulturelle Begegnungsstätte an der Demonstration. „Hände weg von Kobane“ stand auf den Transparenten, Plakate mit „Stoppt den Isis-Terror“ wurden gezeigt. Zahlreiche Flaggen mit dem Konterfei des inhaftierten Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, waren ebenfalls zu sehen.
„Der internationale Staatenverbund muss seinen Druck geltend machen, um die Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen“, skandierte Seyran Papo von den Linken. Omer Majed, der vor zwei Monaten aus Damaskus flüchten musste, forderte Waffen für die Kurden und humanitäre Hilfe: „Es lebe Kurdistan!“
Kobane wird von drei Seiten durch den IS belagert, auf der vierten weigert sich die Türkei, einen Sicherheitskorridor für Flüchtlinge und Hilfslieferungen zu schaffen. Deshalb zeigte ein Plakat den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit Salafisten-Vollbart, „Türkei finanziert – Isis bombardiert“ lautete der entsprechende Schlachtruf. „Wir fordern die Öffnung der Grenze“, rief Jens Schulz von den Linken. Auch die Bundesregierung müsse das Land zwingen und gleichzeitig die Hilfe ausbauen. Schulz: „Bisher ist es das Gegenteil von Solidarität.“ Zudem forderten die Protestler, die PKK von der Terror-Liste zu streichen.
Die Demonstranten zogen einmal durch die Innenstadt, am Kohlmarkt gab es eine Schweigeminute für die getöteten Widerstandskämpfer. Abdulla Mehmud vom Lübecker Integrationsverein verwies auf die Geschichte. „Massaker wie in Ruanda und Srebrenica dürfen sich nicht wiederholen.“ Lüder Möller von der MLPD: „Der Kampf in Kobane ist auch unser Kampf.“ Jede Rede wurde mit frenetischem Jubel gefeiert: „Es lebe Kobane!“ und „Salafisten – Terror-Faschisten“ war immer wieder zu hören.
Die Islamisten gingen den Demonstranten gestern aus dem Weg. Die Polizei hatte im Vorfeld mögliche Konfrontationen befürchtet, weil Salafisten zeitgleich Korane in der Breiten Straße verteilen wollten. Jedoch wurde keiner der beiden angemeldeten Stände aufgebaut. Die Polizei war mit 190 Beamten im Einsatz, laut Sprecherin Anett Dittmer verlief die Demo „aus polizeilicher Sicht friedlich“.
Kampf um Kobane
200 000 Menschen sind laut türkischer Regierung vor den Kämpfen in Kobane geflohen. Die Kurden hatten dort seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 drei selbstverwaltete Kantone etabliert. Nach UN-Angaben waren seither 200 000 Menschen dorthin geflüchtet, vor den Kämpfen lebten etwa 400 000 in der relativ sicheren Region. Der „Islamische Staat“ belagert Kobane seit Mitte September. Die Terror-Miliz hat in weiten Teilen des Iraks und Syriens ein Kalifat ausgerufen.