Unter dem Motto: Bleiberecht und Bewegungsfreiheit ist keine Gnade! Situation von Geflüchteten in Baden-Württemberg - Kämpfe, Forderungen, Solidarität gegen den Abbau von Flüchtlingsrechten - führt das Antirassistische Netzwerk Baden-Württemberg am 18. Oktober in Stuttgart seine erste Konferenz durch.
Die Konferenz soll dem Informationsaustausch und einer besseren Vernetzung in Baden-Württemberg dienen und sich mit aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen.
Abbau von Flüchtlingsrechten: Das Bundesinnenministerium plant
Gesetzesänderungen zum weiteren Abbau von Flüchtlingsrechten. Es ist
beabsichtigt die Möglichkeiten zur Inhaftierung von Geflüchteten massiv
auszuweiten, den Familiennachzug einzuschränken und neue Einreiseverbote
einzuführen. Die in Politikerreden so gerne bemühte „Willkommenskultur“
heißt dann für viele Geflüchtete wohl eher Freiheitsentziehung und
Haft.
„Sichere Herkunftsstaaten?“ Der Bundestag hat am 3.7.2014 einen
Gesetzesentwurf beschlossen, nach dem Serbien, Bosnien/Herzegowina und
Mazedonien zu „Sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden mit der Folge,
dass Asylanträge aus diesen Ländern ohne tatsächliche individuelle
Prüfung als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden, obwohl Roma
in diesen Ländern in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen wie z.B.
Zugang zur Arbeit, Gesundheitsdiensten und Bildung nach Einschätzung von
Flüchtlingsorganisationen, wie z.B. Pro Asyl, diskriminiert werden und
damit das individuelle Asylrecht ausgehebelt wird. Das Gesetz muss noch
durch den Bundesrat.
EU-Außengrenzen: Die „tödliche“ Flüchtlingsabwehr an den Außengrenzen
der EU wird weiter ausgebaut. Wer es trotzdem geschafft hat die EU und
die BRD zu erreichen, wird in eine Lebenssituation gezwungen, die
Geflüchtete gesellschaftlich ausgrenzt, diskriminiert und unschuldige
Menschen zu „Kriminellen“ macht. Flucht ist kein Verbrechen.
Diskriminierung: Auch unter der Grüne-SPD-Landesregierung hat sich die
Situation für die Geflüchteten nicht wesentlich verändert:
Abschiebungen, Lagerunterbringung, Arbeitsverbot und Residenzpflicht
bestimmen den Alltag der Geflüchteten. Tatsächlich hat auch das neue
Flüchtlingsaufnahmegesetz für die Geflüchteten kaum etwas verändert. Der
Entwurf zur Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetz (Asylb-LG)
sieht weiterhin die Sachleistungsversorgung, die eingeschränkte
medizinische Versorgung und Leistungsbeschränkungen vor. Das
diskriminierende Gesetz wird nicht abgeschafft.
Rassismus: Gleichzeitig finden durch Regierung und Medien befördert
immer neue Kampagnen zur Stimmungsmache gegen „Scheinasylanten“ und
„Armutszuwanderer“ statt. Erfreulicherweise nimmt die Solidarisierung
mit den Geflüchteten zu.
Selbstorganisation: Gegen die benannten Zustände der Inhumanität haben Geflüchtete in den letzten Jahren
zunehmend Proteste organisiert: Infostände, Platzbesetzungen,
Protestmärsche, Demonstrationen … Auch in Baden-Württemberg gab es in
verschiedenen Städten entsprechende Protestaktionen. In deren
Mittelpunkt standen die menschenunwürdigen Lebensbedingungen in den
Flüchtlingslagern und –heimen, die entrechtete Lebenssituation, die
Gängelung und Kontrolle, das als schikanös beschriebene Verhalten von
Ausländerbehörden und Heimleitungen, die Abschiebepraxis und
Zwangsvorführungen bei Botschaften/Konsulaten der Verfolgerländer.
Solidarität: Wir wollen gemeinsam über die Aktivitäten und Forderungen
jedoch nicht nur informieren. Wir wollen über die Formen notwendiger
Solidarität und gleichberechtigter Zusammenarbeit diskutieren. Die
Selbstorganisation der Geflüchteten ist wichtig und zu unterstützen.
Empörung, Solidaritätsadressen, Petitionen, Geldsammlungen und
Unterstützung genügen jedoch nicht. Wer für sich in Anspruch nimmt, für
eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung einzutreten, vom
Aufbau notwendiger Gegenmacht von unten spricht, muss auch die
Verteidigung der Rechte der Geflüchteten als eigene politische Aufgabe
und Herausforderung begreifen.
Für die Durchsetzung von Forderungen wie z.B Bedingungsloses
Bleiberecht, Verbot von Abschiebehaft und Abschiebungen, Globale
Bewegungsfreiheit, Gleiche soziale Rechte für alle, Abschaffung des
AsylbLG, Aufhebung von diskriminierenden Sondergesetzen, Abschaffung des
Dublin-Systems zu kämpfen, ist die Aufgabe von uns allen.
In diesem Sinne wünschen wir uns, dass die Konferenz ein erster Schritt
in Baden-Württemberg ist, um unsere Fähigkeiten, Wissen und Kräfte zu
bündeln und gemeinsame politische Ansätze zu entwickeln. Wir hoffen,
dass das Antirassistische-Netzwerk durch Mitarbeit weiterer Gruppen und
Einzelpersonen gestärkt wird.
Antirassistische Netzwerk Baden-Württemberg:
Aktion Bleiberecht Freiburg, Initiative Grenzenlos Karlsruhe, Interventionistische Linke (IL) Karlsruhe, Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim, Flüchtlinge für Flüchtlinge Baden-Württemberg
Unterstützer: Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg u.a.
Wer die Konferenz unterstützen möchte schicke bitte eine Mail an: info@stop-deportation.de
Spenden bitte an: Antira: Kontonummer 36 15 26, Bankleitzahl: 680 920 00
, Volksbank Breisgau Nord e.G. ,BIC: GENODE61EMM , IBAN: DE75 6809 2000
0000 3615 26 , Stichwort: Konferenz
Programmablauf:
10:45 Uhr: Begrüßung und Hinweise
11:00 Uhr: Die Facetten der Ausgrenzung und Diskriminierung von Geflüchteten
Zwei politische Einschätzungen vom Antirassistischen Netzwerk Ba-Wü und Flüchtlinge für Flüchtlinge Baden-Württemberg.
12:00 Uhr: Kontinuitäten der Ausgrenzung und Diskriminierung
- 30 Jahre Lagerpolitik in Baden-Württemberg. – Beitrag von Aktion Bleiberecht Freiburg
- Einstufung der Länder Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina
als sichere Herkunftsländer. Abschiebungen von Roma in diese Länder. –
Freiburger Forum Aktiv gegen Ausgrenzung
- Berichte von Geflüchteten über Botschafts-Zwangsvorführungen (Nigeria, Togo, Uganda, Gambia) – Flüchtlinge für Flüchtlinge.
- Kurzberichte über Sammelabschiebungen vom Baden-Airpark und vom Flughafen Stuttgart. – Antira-Netzwerk
13:30 Uhr: Sammellager und ihre ausgrenzende politische Funktion
- Aktuelle Gesetze und ihre Einordnung. Zwei Jahre GRÜN-SPD, was hat
sich verändert? Am Beispiel der Residenzpflicht und
Flüchtlingsaufnahmegesetz. – Rechtsanwälte angefragt.
- Berichte von Geflüchteten über ihre Aktionen und Forderungen in
Baden-Württemberg. – Flüchtlinge für Flüchtlinge Baden-Württemberg
14:30 Uhr: Mittagspause
15:30 Uhr: Mit Paragraphen gegen Flüchtlingsrechte
Gesetzentwurf zur Neubestimmung der Aufenthaltsbeendigung und des Bleiberechts. Die Inhaftierung
von Geflüchteten soll erleichtert, der Familiennachzug eingeschränkt und neue Einreiseverbote
eingeführt werden. – Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
16:00 Uhr: Dublin II und III
- Das Dublin-Abkommen am Beispiel von Ungarn. – Beitrag einer Vertreterin von bordermonitoring.
- Die Fluchtgeschichte der 72 aus Ungarn kommenden afghanischen Geflüchteten. Rechtliche Aktivitäten,
Proteste und Aktionen gegen ihre Abschiebung. – Bericht eines afghanischen Geflüchteten.
17:30 Uhr: Wie weiter? „Widerstand der Geflüchteten, Solidarität und Perspektiven“ Abschlussdiskussion Podium
Diskussion einer Abschlusserklärung der Konferenz, die weitere aktive
Schritte aufzeigt. – u.a. mit Vertreter_innen des Antira-Netzwerkes,
Flüchtlinge für Flüchtlinge, dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg u.a.
19.00 Uhr: Ende
Nach jedem Block wird es Zeit für ergänzende Diskussionsbeiträge geben.