„Hammerskin-Nation“ und Rocker-Verbindungen

Ungeklärter Herkunftsweg einer weiteren Ceska-Pistole im NSU-Umfeld; Abbildung: Screenshot
Erstveröffentlicht: 
01.10.2014

Eine weitere Ceska taucht im NSU-Umfeld in Thüringen auf. Der Waffenbesitzer hatte nicht nur engen Kontakt zum Angeklagten Wohlleben im Münchner NSU-Prozess, sondern auch zum Zeugen Thomas Gerlach.

 

Von Andrea Röpke

 

In Thüringer Neonazi-Kreisen kursieren mehr scharfe Waffen als bisher angenommen. Bereits im Herbst 2010 vermutete die Polizei im Freistaat, dass der Saalfelder Neonazi Steffen Richter illegal eine tschechische Pistole besitzen könnte, bei den Hausdurchsuchungen zur „Operation Feuerball“ waren Fotos aufgetaucht. Im Mai 2011 gab es dann konkrete Hinweise. Den Beamten wurde mitgeteilt, der Aktivist wolle sie für 1000 Euro verkaufen. Auch die dazu gehörige Munition habe der Neonazi mehrfach Kameraden angeboten. Nur wenige Monate später wird eine Ceska mit der größten Mordserie der bundesdeutschen Geschichte, begangen durch Thüringer Neonazis, in Verbindung gebracht. Auch deren Beschaffungsweg ist bisher ebenso wenig aufgeklärt wie der von Richters Waffe.

 

Richter gilt als Anhänger der „Hammerskin Nation“ und deren Supporter „Crew 38“ und verfügt über Kontakte zum „MC Red Devils“ sowie den „Hells Angels“. Außerdem zählen er  und die Band „Sonderkommando Dirlewanger“ (SKD) inzwischen zu den eifrigsten Unterstützern des inhaftierten Jenaer NSU-Angeklagten Ralf Wohlleben. Ihrem Idol, Spitzname „Wolle“, wird unter anderem vorgeworfen, über einen Szene-Laden in Jena die tschechische NSU-Mordwaffe besorgt zu haben.

 

In den Räumlichkeiten des „MC Red Devils“ eingerichtet

 

Als Staatsanwalt und Polizei im Sommer 2011 begannen, im Fall der Waffe gegen Richter zu ermitteln, wussten sie anscheinend weder vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ noch vom Ceska-Hintergrund. Als sie dann davon erfuhren, stellten sie fest, dass Wohlleben-Freund Steffen Richter mit demselben Fabrikat in Verbindung gebracht wird. Sie verfolgten die Spur und fanden zudem heraus, dass  Richter sich in den Räumlichkeiten des „MC Red Devils“ in Unterwellenborn eingerichtet hatte, dem Ort, in dem ein mutmaßliches Mordopfer des NSU, Michéle Kiesewetter, ihr Abitur gemacht hatte. Registriert wurde auch, dass Richter 2006 Inhaber eines „Sniper Stores“ in Gotha gewesen sein soll.

 

Im Herbst 2011 wurde der umtriebige Nachwuchs-Neonazi dann eilig observiert und abgehört. So plante Richter Ende Dezember 2011 zum Beispiel, nach Altenburg zu fahren, um den einflussreichen „Hammerskin“ und schwierigen Zeugen im Münchner NSU-Verfahren Thomas Gerlach zu treffen. Vorher sollte Richter noch am Bahnhof Jena-Göschwitz in der Mittagszeit Geld, vermutlich als Spende für den inhaftierten Wohlleben, zugesteckt bekommen.  Diese Aufgabe würde ein ehemaliger Aktivist des „Freien Netzes Kahla“ und jetziger NPD-Stadtrat übernehmen. Gerlach selbst galt als eng verbunden mit Wohlleben, er pflegte auch den direkten Kontakt zur Frau des Inhaftierten.

 

Pistole zum Schuldenausgleich weitergegeben

 

Spenden sammeln und Provokationen gegenüber den Behörden belasteten Steffen Richter zunehmend. Alleine 32 SMS schrieb er sich in diesem Zeitraum mit Gerlach. So in die Enge gedrängt, gab Steffen Richter daraufhin an, die Pistole etwa 2009 im Schützenhaus in Pößneck von dem Saalfelder Renaldo B., einem ehemaligen „Red Devil“ und Anwärter des „MC Hells Angels“ in Hof, angeboten bekommen zu haben. Richter beschuldigte B. 2013 „Vertrauensperson“ der Polizei zu sein, diese Vermutung verbreitete sich auch in der Szene.

 

Renaldo B. behauptet, ihm sei in Folge am 1. September 2013 von seinen „Brüdern“ die Kutte der „Blood Red Section Hof“ sowie die Suzuki mit Fahrzeugschein abgenommen worden. B. bekam den Status „Out in bad standing“, welcher ihn für vogelfrei erklärte. Daraufhin packte der erboste Kamerad aus. Er belastet Richter schwer, doch über die Herkunft der Ceska schweigt er.

 

Der Ex-Rocker habe die Waffe CZ 1924, Kaliber 9mm, in Pößneck an Richter weitergegeben, weil er damit 500 Euro Schulden ausgleichen wolle. Gegen Richter und B. wurde im Mai 2014 von der Staatsanwaltschaft Gera Anklage wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz erhoben. Zuständig ist das Amtsgericht Pößneck.

 

Wie jetzt bekannt wurde, soll bereits 2012 eine Vertrauensperson dem Thüringer Landeskriminalamt mitgeteilt haben, dass ein weiterer militanter Neonazi aus Gotha Kalaschnikows im Wert von 3000 Euro anbieten würde.