Eine Essener Firma verdient kräftig mit, wenn Städte und Gemeinden geflüchtete Menschen in Sammelunterkünften einquartieren, sich aber nicht selbst um sie kümmern wollen. Das Unternehmen European Homecare ist einer der Hauptnutznießer der Privatisierung von Flüchtlingsunterkünften in NRW. Bereits seit langem beklagen Flüchtlingsinitiativen untragbare Zustände in den privatisierten Lagern. Jetzt hat das WDR-Magazin Westpol schwere Misshandlungen von Geflüchteten in Essen und Burbach (Siegerland) dokumentiert. Die Politiker*innen, die für die Privatisierungen verantwortlich sind, geben sich entsetzt. akduell hat sich das Geschäft mit den Flüchtlingen näher angeschaut und erfahren: Vorwürfe dieser Art gegen das Unternehmen sind keineswegs neu. Und es ist kaum denkbar, dass die politisch Verantwortlichen, die die Aufträge in Essen und Burbach an European Homecare vergeben haben, davon nichts wussten.
Unterkünfte für „Asylbewerber, Flüchtlinge und andere soziale Randgruppen“ – so bezeichnet das Unternehmen aus dem Essener Süden den Markt, in dem es tätig ist. Das Erfolgsmodell, mit dem Firmengründer Rudolf Korte seine Firma zu einem ganz großen Player gemacht hat: Billiger sein als alle anderen. In Ausschreibungsverfahren sticht das Unternehmen regelmäßig sogar Hilfsorganisationen und caritative Verbände aus, die keinen Gewinn erwirtschaften müssen. Wie das funktioniert? Indem gespart wird, wo es möglich ist. Bei der Reinigung der Unterkünfte, bei der Verpflegung, und natürlich auch beim Personal.
Rücksichtslose Expansion
Im Internet schreibt das Unternehmen Stellen als „Flüchtlingsbetreuer/in“ aus. Gemeint sind unqualifizierte und zumeist befristete Niedriglohn-Jobs: „Notwendige Bildungsfähigkeiten: Nicht relevant“, heißt es da. Gleichzeitig kursieren Vorwürfe, dass European Homecare in seinen Unterkünften noch nicht einmal die vertraglich vereinbarten Fachkräfte (Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Erzieher*innen) vorhält. Dem widerspricht das Unternehmen nicht. Stattdessen verweist Unternehmenssprecherin Renate Walkenhorst auf eine angebliche „Notsituation“. Was sich dahinter verbirgt, wird schnell klar: Die Firma übernimmt immer mehr Aufträge von staatlichen Stellen, obwohl das Personal schon lange nicht mehr reicht. Mit anderen Worten: Die Firma betreibt eine rücksichtslose Expansionspolitik auf dem Rücken der oftmals bereits durch Krieg und Verfolgung traumatisierten Geflüchteten.
Pressesprecherin Walkenhorst ist trotzdem bemüht, ihrem Unternehmen ein soziales Image zu verpassen. Wie falsch dieses Bild ist, wird spätestens bei einem genaueren Blick auf die Geschäftsbereiche deutlich. Abgesehen davon, dass die Essener Firma keine eigenen Schlepperbanden unterhält: Ansonsten versteht sich das Unternehmen nahezu perfekt auf eine Vollverwertung der Schicksale von geflüchteten Menschen.
Alles beginnt in den sechs zentralen landesweiten Erstaufnahmeeinrichtungen, die European Homecare für das Land NRW betreibt. Von dort kommen viele Geflüchtete in Sammelunterkünfte, für welche die Firma Pro-Kopf-Pauschalen pro untergebrachtem Flüchtling kassiert. Außerdem verkauft das Unternehmen in verschiedenen Bundesländern die heftig kritisierte „Magazinverpflegung“ an die Behörden. So fließt Geld an European Homecare, das ohne die kasernenartige Massenverpflegung an die Geflüchteten ausgezahlt würde, damit sie Lebensmittel selbst kaufen und zubereiten können. Den Betroffenen die Möglichkeit zu nehmen, sich selbst zu versorgen, verurteilen Menschrenrechtsorganisationen wie Pro Asyl als Teil einer Politik, welche die Verhältnisse hierzulande künstlich verschlechtert, um Flüchtlinge abzuschrecken.
Das Geschäft mit der Abschiebung
Doch damit nicht genug: European Homecare verdient sogar an der Inhaftierung und Abschiebung von Flüchtlingen mit. Seit dem Jahr 2003 war die Essener Firma für das Land NRW in der Justizvollzugsanstalt Büren aktiv. Bis vor zehn Wochen war die JVA Büren Europas größtes Abschiebegefängnis. Erst ein Urteil des Bundesgerichtshofs beendete diese Praxis, da das Einsperren von Flüchtlingen in regulären Gefängnissen eine Verletzung von Menschenrechten darstellt. Ohne das Urteil würde das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen den Abschiebeknast noch heute betreiben.
Für European Homecare ist der Markt jedoch nur unwesentlich kleiner geworden. Denn bereits vor elf Jahren hat das Unternehmen nach eigenen Angaben die „Betreuung der Ausreisepflichtigen“ im Abschiebezentrum auf dem Düsseldorfer Flughafen übernommen. Diese Sonderhaftanstalt, gegen die Menschenrechtsgruppen regelmäßig demonstrieren, ist von dem Bundesgerichtshof-Urteil nicht betroffen.
Skandale in Österreich
Bereits ein Jahr zuvor versuchte sich das Essener Unternehmen an einer Expansion in das europäische Ausland. Es übernahm 2002 vier Flüchtlingsheime in Österreich. Später stieg es österreichweit in das Geschäft der „Flüchtlingstransporte“ ein, wie das Unternehmen selbst in einer inzwischen offline genommenen Firmengeschichte im Internet darstellte. Nach einer Reihe von Skandalen hat sich das Unternehmen jedoch aus dem Geschäft mit den dortigen Flüchtlingen zurückgezogen. Zuvor war es zu Todesfällen in den Unterkünften gekommen. Ein früherer Mitarbeiter war unter dem Vorwurf festgenommen worden, eine aus Kamerun geflüchtete Frau vergewaltigt zu haben. Amnesty International hatte außerdem Vorwürfe erhoben, in der von European Homecare betriebenen Unterkunft in Traiskirchen sei ein Geflüchteter mit brennenden Zigaretten gefoltert worden, was das Unternehmen bestritt. Von all dem haben sich die deutschen Politiker*innen, die sich jetzt aufgrund der neuen Folter-Enthüllungen entsetzt zeigen, nicht abschrecken lassen. Sie haben weiterhin fleißig Unterkünfte an die Essener Firma abgegeben.