Delikt: Antifaschismus?

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Prügeleinsätze, Pfefferspray, monatelange U-Haft und politische Prozesse gegen Demonstrant_innen – seit Anfang 2014 verschärft sich die Gangart der staatlichen Institutionen gegen Antifaschist_innen. Die Mainstream Medien assistieren dabei und phantasieren „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auf den Strassen von Wien herbei, während die reale Gewalt der Rechtsextremen relativiert und verniedlicht wird. Geht die österreichische Gesellschaft unter der Hoheit der FPÖ vom ohnehin brüchigen antifaschistischen Konsens nahtlos zu einer Agenda über, die den Antifaschismus zum Feindbild erklärt?

Wirklich qualitativ neu ist der repressive Umgang von Staat und Medien mit dem Antifaschismus nicht. Aber die konkrete Form der Maßnahmen und der gesetzlichen Instrumente, mit denen gegen Antifaschist_innen vorgegangen wird, scheint sich gewandelt zu haben. Neuerdings wenden Behörden mit dem Vorwurf des Landfriedensbruches bevorzugt eine Generalstrafe an, bei der es nicht mehr erforderlich ist, ein individuelles Fehlverhalten nachzuweisen. Es reicht bereits, Teil einer Menge zu sein, von der vermeintlich oder tatsächlich Straftaten ausgehen, um die volle Härte des Gesetzes abzukriegen. So weist Benjamin* von der Autonomen Antifa Wien darauf hin, dass lange Zeit für totes Recht gehaltene Paragraphen nun verstärkt ausgegraben werden, um Antifaschist_innen zu kriminalisieren. Das vermehrt angewendete Gesetz über die Störung oder Verhinderung einer Versammlung schlägt in eine ähnliche Kerbe und zeigt, dass jetzt mit dem Strafgesetzbuch verfolgt wird, was früher maximal verwaltungsrechtlich geahndet wurde. So erkennt auch Niki Kunrath von der Initiative Jetzt Zeichen Setzen nichts Neues daran, dass es Kriminalisierung und Repression gibt. Neu ist allein die Struktur und Form der Anzeige, aber nicht die Tatsache, dass es überhaupt Anzeigen gibt, so Kunrath.

Die Rosa Antifa Wien erklärt die Repression mit den Machtverhältnissen innerhalb von Polizei und Verfassungsschutz, wo rechtskonservative Seilschaften stark vertreten sind. Daher wird dem Rechtsextremismus von diesen Institutionen auch wenig entgegengesetzt. Lukas* von der Autonomen Antifa Wien verortet die tragende Rolle bei der Repression nicht nur beim Staat allein, sondern auch bei einem gesellschaftlichen Klima, das sich gegen Gesellschaftskritik im allgemeinen richtet und daher Schläge gegen Antifaschist_innen begünstigt. Benjamin* sieht reaktionäre Ideologien in der Gesellschaft auf breiter Ebene verankert. Antifaschist_innen seien in dem Dilemma gefangen, die bürgerliche Gesellschaft vor ihren eigenen Geschöpfen zu verteidigen, um überhaupt erst eine Perspektive für eine befreite Gesellschaft zu eröffnen. Natascha Strobl von der Offensive gegen Rechts sieht den gesellschaftlichen Diskurs kritisch, der ganz wesentlich von der FPÖ beeinflusst wird, aber auch andere Parteien halten dem wenig entgegen und lassen sich von der FPÖ aus Angst vor Wählerschwund vor sich hertreiben. Strobl vermisst das offene Bekenntnis zum Antifaschismus, das nicht nur von einzelnen Politiker_innen der Grünen und SPÖ, sondern von den Parteien getragen werden müsse. Und auch Niki Kunrath wünscht sich eine klare Verurteilung des Rechtsextremismus durch öffentliche Meinungsbildner_innen bei Medien, Parteien, Wirtschaft und Kultur. Außerdem müsse die Öffentlichkeit erkennen, was Rechtsextremismus im Kern ausmache, nämlich die biologistische Deutung von Ungleichheiten zwischen Menschen und daraus die Ableitung von Ungleichwertigkeit. Dieses Muster präge jedes Feld, auf dem sich Rechtsextreme betätigen – vom Rassismus bis zum Sexismus, so Strobl.

Antifaschismus sei „kein Grundkonsens, er nimmt daher in der Gesellschaft eine marginalisierte Position ein und wird durch die Gesellschaft de-legitimiert“, so Lukas*. Antifaschist_innen werden in diesem Klima als „Störfaktor“ oder „Nestbeschmutzer“ betrachtet. In dieser Wahrnehmung brechen Menschen, die den Nationalsozialismus und Rechtsextremismus thematisieren, den „Konsens des gemeinsamen Schweigens“, so die Rosa Antifa. Benjamin* hebt hervor, dass in Österreich „nichts heiliger als der soziale Friede“ sei. Soziale Widersprüche werden demnach auf autoritäre Weise von oben, von Staat, Parteien und Sozialpartnerschaft befriedet, während sich die Widersprüche von unten in Form von rassistischen und anderen Ressentiments Luft verschaffen. Jeder noch so verhaltene Versuch, die sozialen Widersprüche auf die Strasse zu tragen, wird von den Institutionen mit harter Hand bestraft und es fehlt hier eine offene Konfliktkultur wie sie in anderen Ländern üblich ist. Die Gefährdung für den sozialen Frieden wird von den Mainstream Medien in schlechter Tradition auf ein „Außen“ projeziert und es werden Ängste vor „deutschen Demotourist_innen“ und „ausländischen Horden“ geschürt. Die Wahrnehmung der Polizeipressestelle und die mediale Berichterstattung gehen dabei meistens Hand in Hand. Für Natascha Strobl stehen besonders die Medien in der Pflicht, zu reflektieren, in wessen Dienst man sich stellt, wenn ein bestimmtes Narrativ bedient wird. Strobl wünscht sich daher von Medienarbeiter_innen mehr Mut, nicht mit dem Strom mitzuschwimmen, der immer nur nach der spektakulären Story jagt. Auch Niki Kunrath findet die Praxis vieler Medien problematisch und verdeutlicht dies an einem Beispiel: Als am 4.Juni vor der Universität Wien gegen den Aufmarsch der Burschenschaften demonstriert wurde, stürzten sich die anwesenden Medien sensationshaschend auf ein einzelnes geworfenes Ei.

Natascha Strobl stellt fest, dass die antifaschistischen Mobilisierungen gegen den WKR-Ball seit 2008 gewachsen und die anfangs noch kleinen Kundgebungen der Linken zum Tagesthema geworden sind. Dabei gibt es unterschiedliche politische Vorstellungen und Herangehensweisen, doch eine konstruktive und kritische Zusammenarbeit müsse möglich sein, ohne sich von der FPÖ und den rechten Medien, deren Trommelfeuer auf Entsolidarisierung abzielt, etwas vorschreiben zu lassen oder sich auf deren Geheiß gar von anderen Antifaschist_innen zu distanzieren, so Strobl. Auch Lukas* sieht die Verantwortung bei der Zivilgesellschaft, sich klar für den Antifaschismus zu positionieren und nicht – wie nach dem letzten Akademikerball auf breiter Ebene geschehen – sich an dem Prozess der De-Legitimierung zu beteiligen. Viele Menschen haben sich im Anschluss an die Demonstrationen davon distanziert und bei der „geistigen Repression“ mitgemacht, die eine Isolierung des Antifaschismus erreichen wolle, so Lukas*. Die Repression ziele darauf ab, Verhalten zu normieren, denn es gehe darum, Menschen zu verunsichern und einzuschüchtern und letztlich antifaschistische Strukturen aufzureiben, kommentiert Benjamin*. Natascha Strobl kritisiert am Gerichtsprozess gegen den Antifaschisten Josef, dass dieser dazu diene, ihn persönlich wie auch sein politisches Anliegen zu diskreditieren und seine Existenz aufs Spiel zu setzen. Schon die U-Haft und das Verfahren seien ein Teil der Strafe gegen Josef und zielten auf Abschreckung der Öffentlichkeit ab. Die Kriminalisierung wird auch in anderen Alltagsbereichen schärfer, etwa gegen Bettler_innen, Sprayer_innen, Fußballfans und Asylwerber_innen und zeigt sich beim berüchtigten Tierschützerverfahren ebenso wie beim Fall der AMS-4 und dem aktuellen Fluchthilfeprozess. Niki Kunrath beobachtet in den letzten Jahren die Entstehung einer antifaschistischen Bewegung. Die drei großen Bündnisse haben sich stark entwickelt, es sei jedoch wichtig, eine Struktur zu schaffen, die mehr auf gemeinsame Aktivitäten setzt, denn Kunrath hält es für eine Schwäche, wenn der Protest nicht zusammen artikuliert wird. Gegen die Kriminalisierung helfe vor allem, diejenigen nicht allein zu lassen, die von Repression betroffen sind. Neben der Solidarität sind auch Vernetzung und ein Bewusstsein für die eigenen Rechte von Bedeutung, meint Natascha Strobl. Die Rosa Antifa hebt hervor, dass sich Antifaschist_innen nicht das Recht nehmen lassen dürfen, weiter zu protestieren und sich nicht einreden lassen dürften, dass Antifaschismus eine Straftat sei.