Die Polizei in Ferguson, Missouri macht, wozu sie ausgerüstet wurde: sie bekämpft Aufruhr und Unmut, deren Ursachen Rassismus und soziale Ungleichheit sind. Fast hat man den Eindruck, deutschsprachige Medien wissen nicht recht, wie sie mit den Ereignissen in der US-amerikanischen Kleinstadt Ferguson umgehen sollen. Klar, Polizeimorde, deren Zusammenhang mit tief verwurzelten rassistischen Strukturen auch oberflächlichsten BeobachterInnen klar vor Augen stehen, findet niemand gut. Die ignoranten Auftritte von Behördenvertretern rufen ebenfalls kopfschüttelnde Kommentare in hiesigen Medien hervor, und das martialische Gebaren der lokalen Polizei schmeckt liberalen BeobachterInnen ebenfalls nicht.
Dass aber gerade letzteres kein Missverständnis ist oder Resultat ungeschickten Agierens der örtlichen Einsatzkräfte ist, verschließt sich vielen. So kommt eine Kommentatorin der taz zu dem Schluss: „Die erste Verantwortliche für die Situation ist die lokale Polizei. Sie hat sich mit Kriegswaffen aus Beständen des Pentagon ausgestattet.“ Das allerdings ist ein großes Missverständnis. Das polizeiliche Aufrüstungsprogramm in den USA steht in direktem Zusammenhang mit der innenpolitischen Militarisierung im Zuge der „Homeland Security“-Hysterie nach 9/11. Zugleich ist der Weiterverkauf von militärischem Gerät an die Polizei für die Armee praktisch und kurbelt zudem den Absatz der Rüstungsindustrie an. Man sollte einfach nicht immer dem US-Führungspersonal glauben, etwa wenn Attorney General Eric Holder mit gespielter Unschuld erklärt, dass er „deeply concerned“ darüber sei, dass der Einsatz von militärischer Ausrüstung und Armeefahrzeugen eine „zwiespältige Botschaft“ an die trauernden und protestierenden Menschen in Ferguson und dem Rest der USA senden würde. Immerhin wurden, wie die New York Times berichtete, sowohl das Monsterverhikel BearCat, das in Ferguson aufgefahren wurde, wie auch die militärische Ausrüstung der Polizei vorwiegend vom „Heimatschutzministerium“ finanziert.
Der Feind ist überall
Hand in Hand mit dem neuen Kriegsspielzeug für lokale Polizeieinheiten wurden neue Einsatzstrategien entwickelt und die BeamtInnen entsprechend trainiert. Der Feind der „Heimat“ ist überall: vom unsichtbaren Schläfer-Terroristen über die studentische „Occupy“-Aktivistin bis hin eben zu jungen Afroamerikanern – sie alle sind nach der „Heimatschutz“-Logik eine nicht nur potentielle Bedrohung von Ordnung und Sicherheit. Die teilweise unerhört brutale Repression der Occupy-Bewegung war ein erster Vorgeschmack dessen, wie die auf Terrorbekämpfung gedrillten Polizeikräfte mit künftigen sozialen Unmutsäußerungen umzugehen gedenken.
Gerade dieser Aspekt bleibt in vielen Kommentaren zu den Ereignissen unberücksichtigt. Viel ist dieser Tage von Rassismus die Rede, und dieser spielt natürlich die zentrale Rolle bei der Ermordung des 18jährigen Michael Brown sowie bei den Reaktionen der lokalen Polizeieinheiten auf die Proteste. Die Militarisierung der Polizei und repressive Einsatztaktik steht aber in Zusammenhang mit geplanter und bereits stattfindender Repression gegen die Auswirkungen der sozialen Ungleichheit in den USA. Diese ist zwar so alt wie die USA selbst, jedoch hat die Ghettoisierung US-amerikanischer Innenstädte während den vergangenen Jahren ein neues Niveau erreicht. Verlassene Straßenzüge und Wohnviertel gibt es nicht nur in den deindustrialisierten Großstädten, den sozialen Niedergang kennt jeder, der schon mal durch die USA gereist ist und sich nur ein paar Meter aus den Touri-Zonen hinausgewagt hat aus eigener Anschauung.
Einsatztest in Ferguson
Die traditionellen Ungleichheitsstrukturen der USA, gepaart mit der andauernden Krise der vergangenen Jahre haben ein explosive Stimmung hervorgebracht, auf die sich die „Sicherheits“kräfte ausgiebig vorbereitet haben. Ferguson ist ein Testfeld. Nächtliche Ausgangssperren, die Besetzung von Kreuzungen durch hochgerüstete Spezialeinheiten und schließlich der Einsatz der Armee in Gestalt der Nationalgarde – viel mehr geht eigentlich kaum. Dabei ist während der vergangenen Tage in Ferguson nichts passiert, was diesen massiven Einsatz rechtfertigen würde: Proteste, vereinzelt militanter Widerstand gegen die Robocops und hin und wieder Plünderungen. Wer kann ein paar Kids verurteilen, die ein bisschen Aufruhr nutzen, um sich etwas was von dem zu holen, was ihnen die Glitzer-Werbewelt tagtäglich als Sinn des Lebens vorgaukelt?
Fast erleichtert berichten US-KorrespondentInnen von derartigen Vorfällen wie von Schüssen, die aus den Reihen von Protestierenden gekommen sein sollen. Wenn sich der Pöbel jetzt noch ein bisschen austobt, dann ist das Bild wieder zurechtgerückt und man kann den Kriegseinsatz vielleicht doch noch nachträglich schönschreiben. Ursache und Wirkung sind im medialen Wirbelwind schnell verdrängt, und so wird auch bald vergessen sein, dass „Polizisten“ in Tarnkleidung mit Sturmgewehren und mit Panzerbegleitung den Trauerprotest mit Tränengasgranaten, Rauchbomben und Gummigeschossen angriffen.
Es ist zu befürchten, dass Ferguson nur ein Vorgeschmack dessen ist, was künftig an Polizeieinsätzen in den USA bevorsteht. Der Autor Radley Balko brachte es in einem Interview mit dem US-Programm Democracy Now auf den Punkt: „Wenn wir Polizeibeamte wie Soldaten trainieren und ihnen militärische Ausrüstung geben und sie wie Soldaten anziehen und ihnen sagen, dass sie einen Krieg führen – gegen Verbrechen oder gegen Terror – dann beginnen sie, sich selbst als Soldaten zu sehen.“
von karl schmal | lowerclassmagazine ( blog / facebook / twitter )