[Berlin-Wedding] Keine Ermittlungen, kein Rassismus?

Keine Ermittlungen, kein Rassismus?

Wie die Ber­liner Mor­gen­post heute berich­tete, hat die Ber­liner Staats­an­walt­schaft zwi­schen­zeit­lich das Ermitt­lungs­ver­fahren gegen Mike Man­fred Zer­fowski ein­ge­stellt. Der Schwimm­meister und Betriebs­leiter des Frei­bades Plöt­zensee wurde beschul­digt, im Rahmen eines töd­li­chen Bade­un­falls nicht auf Hil­fe­rufe und direkte Hin­weise von Zeugen rea­giert und damit den Tod eines 35-Jährigen Kame­ru­ners nicht ver­hin­dert zu haben.

 

Weil Mike Man­fred Zer­wofski über Jahre aktives Mit­glied der Ber­liner Neo­na­zi­szene war und noch im letzten Sommer durch ras­sis­ti­sches Ver­halten im Freibad auf­ge­fallen ist, for­derten anti­fa­schis­ti­sche und anti­ras­sis­ti­sche Gruppen im aktu­ellen Fall, ein ras­sis­ti­sches Motiv für sein Han­deln ebenso in Betracht zu ziehen. Es kam zu meh­reren Pro­test­ak­tionen, erst am heu­tigen Freitag fanden sich rund 20 Aktivist_innen vor dem Freibad ein, um mit Trans­pa­renten und Flug­blät­tern auf den Fall auf­merksam zu machen.

 

Der­weil stellte die Ber­liner Staats­an­walt­schaft die Ermitt­lungen ein: Unter Beru­fung auf Zeu­gen­aus­sagen, wonach der töd­lich Ver­un­glückte bereits zehn Minuten unter Wasser gewesen sei, als Zer­fowski durch Dritte auf den Vor­fall auf­merksam gemacht wurde. Daraus fol­gert die Ermitt­lungs­be­hörde, dass Zer­fowski keine Mög­lich­keit mehr gehabt habe, den Ertrin­kenden zu retten.

 

Da eine Ret­tung des Ertrun­kenen Mannes zu jenem Zeit­punkt nicht mehr mög­lich war, kommt die Ermitt­lungs­be­hörde zu dem Schluss, dass Zer­fowski in Bezug auf den Tod des 35-Jährigen kein schuld­haftes Ver­halten zur Last gelegt werden könne. Außerdem geht sie offenbar davon aus, dass Zer­fowski wäh­rend dieser Zeit­spanne nicht bemerkt haben könne, was sich rund 120 Meter ent­fernt an der gegen­über­lie­genden Ufer­seite abspielte. Gegen­über der BZ hatte Zer­fowski ange­geben, die Gruppe um das spä­tere Opfer bereits gegen 7 Uhr mor­gens, etwa drei Stunden vor dem Unfall, auf der anderen See­seite beob­achtet und gehört zu haben.

 

Unbe­nommen der straf­recht­li­chen Dimen­sion, die die Ermitt­lungs­be­hörden nun­mehr ver­neinen, bei Auf­recht­er­hal­tung wird Sei­tens der Behörden offen mit einer Anzeige gedroht, bleiben die Reak­tionen Zer­fow­skis frag­würdig. Stellt man der staats­an­walt­schaft­li­chen Rekon­struk­tion der Ereig­nisse Zer­fow­skis per­sön­liche Schil­de­rungen gegen­über, so kann er wohl von Glück reden, dass offenbar keine rea­lis­ti­sche Mög­lich­keit mehr auf Ret­tung bestand:

 

„Das Gegröle hab ich schon vorher gehört. Dann kam jemand und hat gesagt, dass da einer am Ertrinken ist. Aber da kann ich mich nicht drum küm­mern. Ich hab hier teil­weise über 1000 Gäste. Wie soll ich helfen, wenn da drüben einer ertrinkt? Außerdem kam kurz darauf jemand und meinte, der Mann wird reani­miert.“


In einem wei­teren Artikel gab er an, er sei nach der Mit­tei­lung, dass jemand am ertrinken sei, erst zum Büro gegangen, um es abzu­schließen, erst danach habe ihm ein Zeuge mit­ge­teilt, dass bereits ver­sucht werde, den Ver­un­glückten zu reani­mieren:

 

„Ein Mann, der offenbar vom anderen Ufer her­über­ge­schwommen war, habe ihm mit­ge­teilt, dass dort jemand ertrunken sei. „Viel­leicht sagte er auch, dort ertrinke jemand – das weiß ich nicht mehr so genau“, sagte Mike Z. am Don­nerstag dem Tages­spiegel. Klar ist, dass Z. es für nötig hielt, zunächst das Bade­meis­ter­häus­chen abzu­schließen. „Das hat höchs­tens 30 Sekunden gedauert“, sagt er. Erst danach machte er sich in Rich­tung Wasser auf. Als ihm dann ein wei­terer Bade­gast, der offenbar eben­falls vom anderen Ufer her­an­ge­schwommen war, sagte, dass der Ver­un­glückte bereits reani­miert werde, habe er die Feu­er­wehr gerufen. „Mehr kann ich nicht machen“, sagte der Bade­meister.“


Im Hin­blick auf die The­ma­ti­sie­rung ras­sis­ti­scher Ange­stellter und Vor­fälle im Freibad Plöt­zensee kann die Ein­stel­lung der Ermitt­lungen nur als Rück­schlag gewertet werden. Es steht zu befürchten, dass das Thema Ras­sismus im Freibad mit Weg­fall der straf­recht­li­chen Ermitt­lungen für einen Groß­teil der Öffent­lich­keit wieder in den Hin­ter­grund tritt. Mag auch im kon­kreten Fall keine straf­recht­liche Rele­vanz vor­liegen, so bleibt das Nicht-Reagieren des Schwimm­meis­ters eine beun­ru­hi­gende Tat­sache. Denn woher hätte Zer­fowski in jenem Augen­bli­cken wissen können, dass seine Hilfe bereits zu spät gekommen wäre?

 

Übersicht: Rassismusvorwürfe und ein Neonazi im Freibad Plötzensee

 

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(PGP)