Am 20. Juni fand in Münster eine Kundgebung und anschließende Spontan-Demonstration in Solidarität mit dem refugee march for freedom statt. Seit dem 18. Mai sind Geflüchtete mit einer Karawane zu Fuß unterwegs von Straßburg nach Brüssel, um gegen die rassistische EU-Migrationspolitik zu demonstrieren.(http://freedomnotfrontex.noblogs.org/)
An der Kundgebung nahmen ca. 50 Menschen teil und einige interessierte Passant_innen blieben stehen. Es wurden die Forderungen sowie einige Berichte vom Marsch vorgetragen. Außerdem wurde in einem Redebeitrag die Polizeigewalt gegen den Protest-Marsch in Luxemburg und gegen 'Lampedusa in Hamburg' am 5.Juni verurteilt und der sofortige Stop jeglicher Repression gefordert.
Nach der Kundgebung entschieden sich die Anwesenden für eine kurze Spontan-Demonstration durch die Innenstadt Münsters. Auch wenn es keine besonders große Demo war, war sie dennoch laut und kraftvoll.
Support it! make action!
Redebeitrag und Flyer der Kundgebung:
Freedom not Frontex ! In den letzten 20 Jahren - seit 1993 - sind mehr als 17 000 Todesfälle im Mittelmeer dokumentiert worden. Die Menschen versuchen Krieg, Armut, Ausbeutung und Unterdrückung zu entkommen. Obwohl die Probleme, die sie in die Flucht treiben, meist von den herrschenden kapitalistischen Ländern mit verursacht sind, erleben Flüchtlinge an den Grenzen (derselben Länder) strenge Kontrollen. Diese sind Teil einer rassistischen Politik, welche Einwanderung illegalisiert. Menschen, die wissen dass die Bewegungsfreiheit ihr grundlegendes Menschenrecht ist, erleben militärische Operationen sowohl an der Grenze als auch im Meer. Geschlossene Grenzen und starke Kontrollen schaffen eine permanente Tragödie im Mittelmeer.
Die Menschen, die trotz der massiven Abwehr nach Europa gelangen, werden mit diskriminierenden Gesetzen konfrontiert. Elementare Rechte auf freie Wohnsitzwahl und Bewegungsfreiheit, auf Bildung, soziale und kulturelle Teilhabe werden ihnen vorenthalten.
Gegen diese Asyl- und Migrationspolitik in Europa protestieren Geflüchtete aus verschiedenen europäischen Ländern. Seit dem 18.Mai sind sie zu Fuß mit einer Karawane von Strasbourg nach Brussels unterwegs. Mit dem 'Marsch für die Freiheit' überqueren sie mehrmals Staatsgrenzen zwischen Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien. Sie wollen damit zeigen, dass sie die ihnen aufgezwungenen Grenzen nicht akzeptieren, die sie wie Gefangene innerhalb von Staaten und Lagern halten. Sie nehmen sich ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und tragen ihre Forderungen direkt zu den Verantwortlichen auf europäischer Ebene, dem EU-Gipfel zur Migrationspolitik in Brussels.
Am 20.6. wird der Freiheitsmarsch Brussels erreichen und dort eine Aktions-Woche beginnen. Wir möchten uns mit den Geflüchteten solidarisieren und ihre Forderungen auch in Münster an die Öffentlichkeit tragen.
*Ihre Forderungen lauten:*
- Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnsitzes für alle Asylsuchenden
- Stop der Dublinfalle und der Zwangsunterbringung in Lagern in Europa
- Dauerhafte Aufenthaltspapiere - Stop der Inhaftierung und Abschiebungen von Migrant_innen
- Gleiche Arbeitsbedingungen für alle
- Gleiche politische, soziale und kulturelle Rechte für alle: Recht auf Bildung und auf Arbeit
- Stop der imperialistischen Politik Europas: kein Freihandelsabkommen und NATO-Kriege
- Frontex, Eurosur und andere Anti-Migrationspolitiken und Maßnahmen abschaffen
Solidarisiert euch mit den Geflüchteten! Kommt zur Kundgebung! Tragt die Informationen weiter! Fahrt nach Brussels!
Mehr Informationen zum Protestmarsch: freedomnotfrontex.noblogs.org/
Redebeitrag zu Repression gegen Refugee-Proteste, Soli-Kundgebung für den Refugee Protest March For Freedom, Münster 20.06.2014
Am 05. Juni 2014 wurden in zwei verschiedenen Städten: Luxemburg und Hamburg die jeweils dort stattfindenden Proteste von Geflüchteten durch die Polizei gewaltsam angegriffen. Die Polizei setzte Schläge, Tritte, beißende Hunde und Pfefferspray ein.
Der Protest Marsch für die Freiheit, der sich am 18.Mai von Strasbourg aus zu Fuß auf den Weg nach Brussels machte, war am 05. Juni in Luxemburg. An diesem Tag trafen sich dort auch die EU-Innenminister_innen, um über eine effizientere Überwachung der EU-Außengrenzen zu diskutieren. Der 'refugee protest march for freedom' wollte eine Delegation zu diesem Treffen schicken, um als direkt Betroffene dieser Politik ihre Sicht und ihre Forderungen vorzubringen. Der Zugang wurde ihnen verwehrt. Daher riefen die Menschen vor verschlossenen Türen ihre Forderung nach Abschaffung von Frontex.
Frontex ist jene Grenzschutzagentur, die die militarisierte Absicherung der Außengrenzen der EU organisiert und koordiniert und dabei letztendlich auch Tote in Kauf nimmt.
Die luxemburgische Polizei versuchte, die Protestierenden aus dem Konferenz-Gebäude zu drängen. Da diese sich weigerten zu gehen, griff die Polizei zu massiver Gewalt. Ein anwesender Refugee berichtet: „Weil die Polizei uns so nicht raus bekam, kam ein Polizist mit einem Hund. Der Polizist zeigte mit dem Finger auf die Leute, die der Hund beißen sollte und der Hund ging auf die gezeigte Person los. Dieser Kampf ging eine ganze Weile weiter. Die Polizei setzte Tränengas gegen uns ein, schlug uns und der Hund ging auf uns los.“
Die Protestierende direkt vor dem Gebäude wurden ebenfalls angegriffen. In der Presseerklärung vom protest march heißt es: „In der ganzen Zeit kommunizierte die Polizei in keiner Weise mit uns [...] Sie ignorierten alle unsere Versuche, ihnen zu erklären, dass wir beim Gipfel im Namen der Flüchtlinge reden wollen. Pfefferspray-Angriffe, Schlagstockhiebe, Tritte und Bisse der Polizeihunde waren die einzige Antwort, die wir bekamen. Die Polizei sagte uns nur, dass für den Fall, dass wir das Konferenzgebäude betreten, sie das Recht hätten, ihre Schusswaffen gegen uns zu verwenden. Viele von uns wurden verletzt.“
Nachdem die Protestierenden sich einige Meter von dem Gebäude entfernt hatten und dort in ein paar Redebeiträge das geschehene Verhalten der Polizei verurteilten und ihre Forderungen äußerten, wollte der Protest-Marsch gehen und seinen Weg fortsetzen. In diesem Moment attackierte die Polizei die Menschen nochmals ohne jegliche Vorwarnung. Gezielt wurden Personen zu Boden geworfen und in Gewahrsam genommen. Insgesamt wurden 15 Menschen in Gewahrsam genommen und erst nach ca. sieben Stunden und lauten Protesten wieder freigelassen.
Hunderte Kilometer entfernt zeigte sich in Hamburg am gleichen Tag ein sehr ähnliches Bild der Polizeibrutalität. Die Gruppe 'Lampedusa in Hamburg' versammelte sich vor der Rathaus zu einem schweigenden Sitzstreik, den die Polizei meinte, mit allen Mittel räumen zu müssen.
'Lampedusa in Hamburg' besteht aus ca. 300 Geflüchteten, die in Folge der NATO-Intervention in Libyen nach Europa flüchteten und auf Lampedusa ankamen. Dort wurden sie zwar als Geflüchete anerkannt, Italien verweigerte ihnen aber jegliche Unterkunft, Sozialleistungen sowie medizinische Versorgung, so dass sie weiter nach Hamburg migrierten. Dort bildeten sie im Mai vergangenen Jahres eine Gruppe und gingen mit ihren Forderungen nach einem kollektiven Bleiberecht und Leben in Würde in die Öffentlichkeit. Trotz einer riesengroßen Solidarität in der Hamburger Gesellschaft, ignoriert der Hamburger SPD-Senat die Anliegen von 'Lampedusa in Hamburg' und überlässt die Menschen der Obdachlosigkeit. Außerdem wurde nun trotz gegenteiliger Versprechen den ersten beiden der Gruppe die Abschiebung angedroht. Als Protest gegen dieses Nichtreagieren des Senats und der Abschiebeankündigungen wählte „Lampedusa in Hamburg“ die Protestform des schweigenden Sitzstreiks.
Der friedliche und schweigende Sitzstreik vor dem Rathaus wurde von der Polizei jedoch als Versammlung aufgelöst, weil er sich im sogenannten Bannkreis des Rathauses befand. Weil die ca. 70 protestierenden Geflüchteten sich weigerten zu gehen, begann die Polizei ihren gewalttätigen Versuch, die Menschen zu räumen. Die sich aneinander festhaltenden Protestierenden wurden von der Polizei geschlagen, ihnen wurde mit Pfefferspray in die Augen gezielt, um sie einzeln aus der Menge zu reißen. Dann wurden sie zur in Gewahrsamnahme über den Boden geschleift oder auf den Boden gedrückt und fixiert. Wer sich wehrte bekam Tritte und Schläge. Augenzeugen berichten später: „Der Boden war nass vor Pfefferspray.“ Selbst einigen Polizeibeamt_innen war das Vorgehen zu krass, sie widersetzten sich den Befehlen ihrer Vorgesetzten. Trotz der massiven Gewalt gelang es der Polizei allerdings nicht, die Versammlung zu räumen. Die protestierende Menschenmenge wuchs durch Unterstützer_innen auf bis zu 500 Menschen, die später eine Demonstration durch die Stadt machte.
Die Gewalt der Polizei gegen die selbstorganisierten Proteste von Geflüchteten hat bei uns große Empörung und Wut ausgelöst. Wir fordern, dass jegliche Repression gegen die Refugee-Proteste sofort eingestellt und künftig unterlassen wird. Alle Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sind unverzüglich fallenzulassen. Wer mit Schlägen, Hunden und Pfefferspray angegriffen wird, hat das Recht sich zu wehren, um die eigene körperliche Unversehrtheit zu schützen. Ebenso sind jegliche Verfahren wegen aufenthaltsrechtlicher Verstöße zu unterbleiben, denn diese Gesetze sind diskriminierend und gehören in den Müll.
Wir unterstützen die Proteste der Geflüchteten und schließen uns ihren Forderungen an. Zusammengefasst ist das nicht mehr und nicht weniger als die Forderung, sich auf dieser Welt frei bewegen zu dürfen, um sich irgendwo ein gutes Leben in Würde aufbauen zu können.