… gab es in den vergangenen Tagen zwei. Erstens wurde das wirtschaftliche Verfahren gegen die baskische Tageszeitung EGUNKARIA definitiv eingestellt, nachdem es vor zwei Jahren bereits zu einem überraschenden Freispruch für die Angeklagten kam, denen Mitgliedschaft in ETA vorgeworfen worden war. Der Vorwurf hatte zur Schließung der einzig baskisch-sprachigen Tageszeitung geführt, die Zeitung musste mit viel finanziellem Aufwand neu gegründet werden. Die Einstellung erfolgte allerdings aufgrund der Verjährung der Anklage, die betroffenen Angeklagten hätten sich einen Freispruch gewünscht.
Ausgerechnet die berüchtigte Audiencia Nacional hat sich mit dem Freispruch für 40 abertzale Jugendliche von der juristischen Kollektivschuld-These “Alles ist ETA“ abgesetzt, nachdem das Gericht über Jahre hinweg mit eben dieser Begründung fleißig verurteilt und eingesperrt hatte. Nach Egunkaria, Udalbiltza und der Wahlplattform D3M ist der Freispruch für die Jugendlichen die vierte nennenswerte Freispruch-Entscheidung des politischen Sondergerichts. Im Freispruch wird festgestellt, dass die Angeklagten nicht zur verbotenen Jugendorganisation SEGI gehörten, und dass sie nichts mit Sabotageaktionen zu tun hatten.
Für diesen Freispruch mussten die Angeklagten seit Oktober 2013 wiederholt nach Madrid fahren um bei den Verhandlungstagen anwesend zu sein, an Studium oder Arbeit war nicht zu denken, Kosten werden nicht erstattet. Durch den Freispruch ebenfalls nicht wieder gut zu machen sind die Folterungen, die einige der Jugendlichen erleiden mussten. Einige waren zwischen einem und zwei Jahren in Untersuchungshaft. Das Urteil, so der Kommentar der baskischen Tageszeitung GARA, stellt eine vernichtende Niederlage dar für die gesamte Verfahrensführung: Verhaftung, Kontaktsperre, Gutachter, Beschattungen – nichts lief im rechtsstaatlichen Rahmen. Im Gegenteil, zwei der drei Richterinnen nahmen sogar die Foltervorwürfe der Betroffenen ernst. Einzigartig ist in dieser Hinsicht die Tatsache, dass die während der Misshandlung erzwungenen Geständnisse, die in Dutzenden von anderen Fällen ausreichend waren für Verurteilungen, für nichtig erklärt wurden – im Grunde genommen ein juristischer Skandal! Aber eben eine Realität für hunderte und tausende von baskischen Angeklagten in den vergangenen Jahrzehnten.
Das Urteil stellt zudem die Vorgehensweise des Untersuchungsrichters Marlaska in Frage, des aktuellen Vorsitzenden und Scharfmachers der Strafkammer der AN, seit sein Vorgänger Baltazar Garzon wegen Amtsmissbrauch Berufsverbot erhielt. Konstatiert wird, dass die Kontaktsperre eine Gefahr für die Menschenrechte der Gefangenen darstellt, dem Verantwortlichen wird vorgeworfen, nicht genug getan zu haben, um Misshandlungen zu vermeiden. Von den 40 Betroffenen wurden 32 im spanischen Staat, 8 von ihnen im französischen Staat festgenommen. Die acht nach Spanien Ausgelieferten hatten keine Foltervorwürfe erhoben, von den in Spanien Festgenommenen hingegen hatten 80% entsprechende Anklagen gemacht. “Der Unterschied ist frappierend und kaum mehr zu erklären“, steht im Urteil. Kaum zu glauben für die Audiencia Nacional.
Als weitere Überraschung muss verzeichnet werden, dass die Staatsanwaltschaft keine Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Würden die Kriterien des vorliegenden Urteils auf alle anderen der vergangenen Jahrzehnte angewandt, müssten auf der Stelle Dutzende politische Gefangene auf der Stelle entlassen werden, weil bei der Urteilssprechung regelmäßig auf Foltergeständnisse zurückgegriffen wurde. Dieses politisierte Justiz-System hat in europäischen Instanzen Widerspruch hervorgerufen, und wird von der UNO verurteilt. Wegen Folter und Menschenrechtsverletzungen gegen Gefangene. Rechte Politiker haben es in der Vergangenheit mehrfach wiederholt: die Gefangenen sollen in den Gefängnissen verfaulen. Solche Aussagen bewegen sich auf dem faschistoiden Niveau des ehemaligen General-Bundes-Anwalts Rebmann, die im deutschen Herbst forderte, inhaftierte Gefangene zu liquidieren. Sie sind jedoch im ultrarechten Ambiente Spaniens und in Anbetracht der gezielt geschürten antibaskischen Stimmung überaus populär.
Es wäre sicher vorschnell, der Audiencia Nacional eine Änderung in ihren politisch-juristischen Kriterien zu attestieren, auch wenn die genannten vier Entscheidungen in diese Richtung weisen könnten. Linke Kräfte – nicht nur im Baskenland – fordern für die Nachfolge-Instanz des faschistischen TOP-Gerichtshofs (Gerichtshof der Öffentlichen Ordnung), die auch politische Todesurteile fällte, die bedingungslose Auflösung. Das zweite vor dem Urteil stehende Massen-Verfahren gegen die Verantwortlichen der Herriko Tabernas (Volkskneipen), denen die Finanzierung von ETA vorgeworfen wird, wird die Tendenz entweder bestätigen, oder deutlich machen, dass jegliche Urteilsfindung willkürlich von den jeweils beteiligten Richterinnen abhängt, nicht jedoch von einem objektiven juristischen Kriterium. Im Baskenland haben viele schon längst aufgehört, an die Justiz als Instanz der Gerechtigkeit zu glauben. Mehr als 30.000 Baskinnen und Basken wurden seit Ende der Diktatur gefoltert, nur ein kleiner Teil von ihnen später vor Gericht gestellt. Eine Statistik, die Bände spricht. (Red.Baskinfo)
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