[MD] 12.000 Unterstützer*innen fordern: Abschiebung von Familie Haji mit allen Mitteln verhindern!

Hajis bleiben!

Die Petition zur Verhinderung der Abschiebung von Familie Haji aus Magdeburg steht nun bei 12.000 Unterschriften. Das Asylsystem in Italien weist große systemische Mängel auf, hinzu kommt die schwere psychische Erkrankung der Mutter, weswegen eine Abschiebung einer humanitäre Katastrophe gleichen würde. Trotz der Dringlichkeit des Anliegens und des großen öffentlichen Interesses an dem Fall weisen Ministerpräsident und Innenminister von Sachsen-Anhalt weiterhin jede Verantwortung von sich. Aber die Zeit drängt...

 

Der Fall der Familie Haji, die derzeit in Magdeburg lebt und nach Italien abgeschoben werden soll, beschäftigt jetzt auch den Petitionsausschuss des Landtages. Am vergangenen Mittwoch, den 11.06., wurde die Petition, die sich an den sachsen-anhaltischen Innenminister Holger Stahlknecht wendet, dem Ausschuss zur Behandlung vorgelegt. Mit insgesamt 1633 Unterschriften konnte eine beträchtliche Anzahl an Unterstützern gewonnen werden. Sie alle fordern: *Keine Abschiebung zurück ins Elend - Gebt Familie Haji ein Zuhause!*. Nun liegt die Petition bereits bei 12.000 Unterschriften. Ob dies auch ein starkes Argument für die politischen Akteure ist? Die Staatskanzlei und das Innenministerium zeigen sich indes nicht gewillt, sich des Falls anzunehmen. Obwohl eine Einzelfallprüfung jederzeit gerechtfertigt und möglich ist, verweisen die Büros von Holger Stahlknecht und Reiner Haseloff auf die angebliche Illegitimität, sich landespolitisch in den Fall einzuschalten. Während das Büro Haseloff in einem Schreiben an den Familienvater Hassan Haji argumentiert, das Land Sachsen-Anhalt sei an die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gebunden, weswegen es keinerlei Spielraum gebe, eine Einzelfallprüfung durch die Ausländerbehörde erfolgen zu lassen, treibt es das Innenministerium in einem zweiten Schreiben auf die Spitze: der Innenminister würde angeblich rechtswidrig handeln, würde er Italien „seine ihm rechtmäßig zustehenden Flüchtlinge“ wegnehmen. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Bedingungen für Flüchtlinge in Italien sowie der Überlastung sämtlicher Kapazitäten, ist diese Argumentation der reinste Zynismus.

 

Die Asylpolitik der EU in Form von Dublin-II und -III-Verordnung lässt die Transitländer Italien, Griechenland, Portugal und Spanien weitestgehend allein, während sich Staaten in der geografischen Mitte Europas, allen voran Deutschland, jederzeit aus der gemeinsamen Verantwortung stehlen können, etwa über derartige Argumentationsmuster, wie sie Innenminister Stahlknecht erkennen lässt. Dies alles wird zuallererst auf dem Rücken derer ausgetragen, die, wie Familie Haji, vor Krieg, Not und Elend fliehen mussten und nun in Europa eine neue Zuflucht suchen. An Zynismus kaum zu überbieten ist dabei vor allem die Doppelzüngigkeit des Innenministers, der auf der einen Seite Kampagnen zur Stärkung der „Willkommenskultur“ in Sachsen-Anhalt anstößt, was prinzipiell löblich ist, sich auf der anderen Seite aber hartherzig zeigt, wenn diese Willkommenskultur auch tatsächlich eingefordert wird. Mit den selben Argumenten lehnte nun auch Burkhardt Lischka, Bundestagsabgeordneter der SPD, eine weitere Unterstützung der Familie ab. Da sage noch einer, SPD und CDU wären nicht koalitionsfähig, wenn sie sich in der bürgerlich-konservativen Ausgrenzungslogik kaum noch überbieten können. 

Der Fall der Familie Haji ist schon lange ein politischer Skandal. Die psychisch schwer kranke und durch den Bürgerkrieg in Libyen traumatisierte Mutter hat einen dringenden Therapiebedarf, wie ein Psychologe in einem Gutachten feststellte. Doch statt einer psychotherapeutischen Behandlung erfährt sie auf Weisung des Sozialamts eine rein medikamentöse Behandlung. Dass sich Behörden, die kaum über medizinischen Sachverstand verfügen, derart über jede ärztliche Grundregel hinwegsetzen, ist illegal. Jeder Psychiater bestätigte, dass eine ausschließliche Medikamentation bei PTBS gegen ärztliche Handlungsmaxime verstößt. Bei einer amtsärztlichen Prüfung der Reise- bzw. Deportationsfähigkeit wurde nun festgestellt, dass Frau Haji nur bedingt „reisefähig“ ist. Demnach sei eine Abschiebung möglich, wenn eine Begleitung zum Flughafen und während des Fluges durch einen Rettungssanitäter, der Erfahrung mit psychisch Kranken nachweisen muss, erfolgt. Auch müsse eine Fortführung der fachärztlich-psychiatrischen Behandlung in Italien gewährleistet sein, was angesichts der eindeutig feststellbaren systemischen Mängel im italienischen Asylsystem nahezu ausgeschlossen ist. Skandalös ist dabei v.a. die Anweisung einer Sedierung mit dem Benzodiazepin Faustan bzw. Diazepin, das Frau Onasanya bereits ein Mal verabreicht worden ist, woraufhin sie erbrechen musste. Ihr dieses stark süchtig machende Mittel – fast 2 Millionen Menschen sind in Deutschland von Benzodiazepinen abhängig – trotz Unverträglichkeit und zur Ruhigstellung während des Deportationsvorganges zu verabreichen, erfüllt möglicherweise den Straftatbestand der Körperverletzung. Dies und noch viele andere behördliche Schikanen werden derzeit juristisch geprüft.


Wir treten nun mit der eindringlichen Bitte an die Öffentlichkeit, diesen Fall publik zu machen! Er ist nicht nur eine menschliche Tragödie, er ist ein politischer Skandal. Ein Land, dessen historische Verantwortung für Asylsuchende schwergewichtiger nicht sein kann, und dessen Gegenwart in der offiziellen Erzählung von „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenwürde“ gekennzeichnet ist, darf sich nicht länger aus der gemeinsamen europäischen Verantwortung in Bezug auf die Asylpolitik ziehen. Familie Haji darf unter keinen Umständen abgeschoben werden. Sie brauchen endlich ein sicheres Zuhause, in dem die Mutter gesund werden und ihre durch den Krieg verursachten Traumata behandeln lassen kann. Sie brauchen eine Zuflucht, in der die Kinder endlich einen Kindergarten besuchen dürfen – denn auch dieses Recht wurde ihnen bisher durch die Ausländerbehörde verweigert - mit der Begründung, die Familie würde ja ohnehin bald abgeschoben werden.

 

Am 19.6. findet in Magdeburg eine Landtagssitzung statt, bei der wir mit der Familie zugegen sein werden, um die Petition an Herrn Stahlknecht zu übermitteln. Wir lassen uns weder von seinen vorgeschobenen Lakein abspeisen, noch akzeptieren wir seine Bundesamt-Argumentation, mit der er seine Verantwortung verleugnet. Es liegt im Handlungsspielraum jedes Bundeslandes, den Einzelfall prüfen zu lassen.

 

Wir bitten alle Unterstützer*innen, sich an den Aktionen zur Verhinderung der Abschiebung zu beteiligen!


Wir fordern alle Sanitätsdienste, Busunternehmen und Fluggesellschaften dazu auf, die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde zu verweigern!


Wir fordern die politisch Verantwortlichen dazu auf, das Landesgesetz unabhängig vom Bundesamt hinsichtlich der Vereinbarkeit von Menschenwürde und Flüchtlingspolitik auf den Prüfstand zu stellen und die unsägliche Abschiebepraxis abzuschaffen!

 

Infos dazu unter: https://linksunten.indymedia.org/de/node/114166

Petition findet ihr hier: https://www.change.org/de/Petitionen/innenminister-holger-stahlknecht-keine-abschiebung-zur%C3%BCck-ins-elend-gebt-familie-haji-ein-zuhause

 

Abschiebungen aktiv verhindern - in deiner Stadt, zu jeder Zeit, mit allen Mitteln!