Auf EU-Ebene gibt es eine Reihe rechtlicher Möglichkeiten für die polizeiliche Informationsweitergabe. Hierzu gehören vor allem bilaterale Kooperationsabkommen, wie es etwa kürzlich zwischen Polen und Deutschland erneuert wurde. Die Bundesregierung hat mit allen Anrainerstaaten derartige Vereinbarungen abgeschlossen.
Mit der Gründung der Europäischen Union wurde auch die Polizeizusammenarbeit zunehmend vereinheitlicht. Ein wesentlicher Grundpfeiler ist die sogenannte „gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen“, eine Art multilaterales Kooperationsabkommen für alle EU-Mitgliedstaaten. Hinzu kommen diverse weitere Verträge, darunter die „Schwedische Initiative“. Sie schreibt eine schnelle Antwort auf Anfragen in polizeilichen Datenbeständen vor. Der „Vertrag von Prüm“ regelt gemeinsame Polizeieinsätze (etwa beim NATO-Gipfel 2009 oder beim Castor-Transport 2011). Auch der Tausch biometrischer Daten (DNA und Fingerabdrücke) und Fahrzeugregistern wird im „Vertrag von Prüm“ standardisiert.
Als größte Datenbank gilt das Schengener Informationssystem (SIS), das mittlerweile zu einer zweiten Generation aufgebohrt wurde und nun auch Anhänge speichern kann, darunter biometrische Daten oder Lichtbilder. Im SIS sind Personen und Sachen zur Beobachtung oder Fahndung oder auch verdeckten Beobachtung ausgeschrieben. Die Polizei eines Landes kann auf diese Weise verfolgen, wo bestimmte Personen oder Fahrzeuge angetroffen wurden. Immer mehr EU-Mitgliedstaaten machen von der heimlichen Beobachtung Gebrauch, die Zahl derartiger Ausschreibungen ist gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel gestiegen.
Hinzu kommen zahlreiche weitere Kommunikationsformen, darunter über die EU-Polizeiagentur EUROPOL und die internationale Polizeiorganisation Interpol mit jeweils umfangreichen Informationssystemen. Ein undurchsichtiges Netz von VerbindungsbeamtInnen nationaler Polizeibehörden und Agenturen sorgt für weitere, unbürokratische Auskünfte. Bei Sportereignissen wird vor allem von den „Nationalen Fußball Kontaktstellen“ (NFIP) Gebrauch gemacht. Wie beim NATO-Gipfel 2009 spielen aber auch die rund 40 an den EU-Binnengrenzen eingerichteten „Gemeinsamen Zentren der Polizei- und Zollzusammenarbeit“ (GZPZ) eine immer wichtigere Rolle für gemeinsame Einsatzformen.
Daten über grenzüberschreitend vernetzte politisch Aktive werden auch über die „Police Working Group on Terrorism“ (PWGT) getauscht. Der informelle Stammtisch hochrangiger Polizeiführer wurde 1979 maßgeblich von Deutschland auf den Weg gebracht und gehört nicht zur EU. Als ursprüngliche Aufgabe galt die Bekämpfung militanter linker Gruppen. Nach deren weitgehenden Bedeutungslosigkeit und Aufgabe des bewaffneten Kampfes in den 90er Jahren wurde die liebgewonnene PWGT aber nicht aufgelöst, sondern im Jahr 2000 thematisch umgemünzt: Seitdem fühlt sie sich auch für „politische gewalttätige Aktivitäten“ zuständig. Zu ihren Tätigkeiten zählt sie eine „Harmonisierung“ der Polizeizusammenarbeit hinsichtlich „gewalttätiger politischer Aktionen“. 2010 hatte die belgische PWGT-Kontaktstelle beispielsweise Daten von 380 DemonstrantInnen, die im Rahmen eines antirassistischen Grenzcamps in Brüssel „präventiv“ verhaftet wurden, an die Polizeibehörden ihrer Herkunftsländer weitergegeben.
Behauptet wurde, die Betroffenen seien im Kontext der Zerstörung von Scheiben einer Polizeistation aktenkundig geworden. Jedoch galt dieser Angriff einer kleinen Gruppe erst als Reaktion auf die vorausgegangenen Massenfestnahmen. Die Speicherung aller 380 Personen erfolgte also unter einer falschen Sachverhaltsdarstellung. Dies bemängelte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte. Für die Betroffenen bedeutet das Ärger: Über die PWGT weitergegebene Daten können unter anderem im Schengener Informationssystem gespeichert werden. Dort mit dem erlogenen Zusatz „Angriff auf eine Polizeistation“ getaggt zu sein, dürfte bei etwaigen Kontrollen innerhalb der EU weitere Repressalien nach sich ziehen.