Klage vor Bundesverwaltungsgericht
Darf der Geheimdienst einfach Millionen E-Mails mitlesen? Eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht endet erfolglos. Nun könnte der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht landen.
- Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat eine Klage gegen das massenhafte Ausspähen von E-Mails im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst (BND) abgelehnt
- Kläger Niko Härting, ein Berliner Anwalt, kündigte an, nun vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen
Bundesverwaltungsgericht weist Klage ab: Die Leipziger Richter hielten die Klage für unzulässig, weil der Kläger nicht nachweisen konnte, dass er von der Ausspäherei des BND persönlich betroffen ist. Die Datensammelpraxis des Bundesnachrichtendienstes wird damit ein Fall für das Bundesverfassungsgericht. Kläger Niko Härting kündigte eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe an. "Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht", sagte Härting der Süddeutschen Zeitung, "ich werde mich mit einer Klage an das Verfassungsgericht wenden. Das heutige Urteil war ja geradezu eine Einladung dafür."
Überwachungspraxis des BND: Hintergrund der Klage ist die Arbeit des deutschen Auslandsgeheimdiensts. Er überwacht massenhaft E-Mails. Dazu filtert er sie nach eigenen Angaben nach Stichworten, Betreff der Nachricht und Aufenthaltsort des Absenders - ohne alle Daten zu speichern. Mehr dazu hier.
Ausmaß der Überwachung: Der BND hat im Jahr 2011 fast 2,9 Millionen E-Mails, SMS und Datenverbindungen überprüft. Das geht aus einem Bericht von 2013 an das Parlamentarische Kontrollgremium hervor. Die Zahl ist seit 2010 deutlich gesunken: Damals erfasste der Filter des Geheimdiensts noch mehr als Dutzende Millionen Datenverbindungen. Der E-Mail-Verkehr innerhalb Deutschlands ist dem Kontrollbericht zufolge nicht betroffen. Die hohe Zahl im Jahr 2010 war nach BND-Angaben ein Ausreißer aufgrund einer weltweiten Welle von Spam-Mails.
Argumente des Klägers: Der Anwalt Niko Härting befürchtet, dass seine Korrespondenz mit ausländischen Mandanten vom BND mitgelesen wird. Das betrachtet er als unverhältnismäßig - und hatte deshalb die Bundesregierung vor dem Bundesverwaltungsgericht verklagt. Und zwar noch vor dem von Edward Snowden aufgedeckten NSA-Überwachungsskandal. Die Klage bezieht sich auf das Jahr 2010. Da er sich vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht durchsetzen konnte, will er es nun in Karlsruhe probieren.
Regeln der Überwachung: Nur 20 Prozent der Übertragungskapazität der Daten, die über die deutschen Grenzen hinweg ausgetauscht werden, dürfen die Geheimdienstler abgreifen. Ob dies eingehalten wird, überprüft jedoch nicht einmal der BND. Das werde statistisch nicht erfasst, sagte ein Vertreter des Geheimdienst vor derm Verwaltungsgericht. Die Zahl sei für den BND nicht "relevant".
Kontrolleure ohne Macht: Eigentlich soll die G-10-Kommission im Bundestag den BND kontrollieren. Doch die Abgeordneten können sich nur auf Angaben stützen, die der Geheimdienst ihnen überlässt. Nach Aussage des BND werden Mails mit Adressen mit der Endung ".de" herausgefiltert. Doch es gibt Zweifel daran, dass bei der Überprüfung der Nachrichten wirklich sichergestellt ist, dass keine deutsche Kommunikation mitgelesen wird - beispielsweise wenn die E-Mail auf ".com" endet.
Diskussion über Verfassungsmäßigkeit: Drei Verfassungsrechtler hatten kürzlich im NSA-Untersuchungsausschuss erklärt, dass das Vorgehen des BND zumindest zum Teil gegen das Grundgesetz verstoße. Mehr dazu hier.