Wahlen im Ausnahmezustand - Maschinenpistolen auf dem Weg zur Wahlurne

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Seit Tagen patrouillieren schwer bewaffnete Polizeieinheiten an S-Bahn-Stationen, in Zügen, auf öffentlichen Plätzen und am Flughafen. Es finden regelmäßige Polizeikontrollen an Ausfallstraßen statt. Die Maschinenpistole ist überall zu sehen. Das Gespenst der "Terrorgefahr" wurde beschworen und schwups sieht es fast aus wie im Belagerungszustand.

 

Das Bemerkenswerte an dem Manöver "Ausnahmezustand" ist, dass am Sonntag Bundestagswahlen stattfinden. Eine Wahl unter polizeistaatlichen Umständen. Was sollen uns die Uniformen und Gewehre sagen? Wählt die Law-and-Order-Parteien? Schaut, wie böse und gefährlich die Terroristen sind, die wir in Afghanistan bekämpfen, also glaubt nicht den Linken, die den Abzug fordern? Bleibt am besten zuhause, da ist es am sichersten? Oder will der Staat schon mal Zähne zeigen, falls es nach der Wahl Salamischeibchenweise zu weiterem Sozialabbau und weiterer Verschärfung der inneren "Sicherheit" kommt?

 

In jedem Fall ist eigentlich hinlänglich bekannt, dass Polizei, Pistolen und Patrouillen nicht gerade ein freiheitliches Umfeld für eine Wahl sind. In anderen Ländern würde dieselbe Bundesregierung so etwas wahrscheinlich als "undemokratisch" anprangern, wenn dieses Land gerade geostrategisch interessant ist und die Regierung nicht nach westlicher Pfeife tanzt. Angst und Mißtrauen sollen geschürt und angeheizt werden, um von den wirklichen Problemen abzulenken. Es soll nicht über Armut, Arbeitslosigkeit und die Milliarden, die die Regierung den Banken und Konzernen in den Rachen warf, geredet werden. Stattdessen sollen alle ein bisschen vor den "Dschihadisten" bibbern und den türkischen oder marokkanischen Nachbarn, der von denselben Problemen konfrontiert ist wie man selbst, verdächtigen oder zumindest misstrauisch beäugen. Menschen, die in Angst versetzt werden, entscheiden anders, wie wenn sie selbstsicher sind und sich halbwegs frei fühlen. Wenn eine ganze Gesellschaft in Angst versetzt wird, fällt es fortschrittlichen Kräften schwerer, mit ihren Argumenten durchzudringen.

 

Dabei ist eine direkte Angst und Panik nicht erwünscht, vielmehr soll der Ausnahmezustand zur Normalität werden, die Verunsicherung gar nicht mehr direkt wahrgenommen, die Maßnahmen aber akzeptiert werden. Und tatsächlich herrscht in den Städten eine reguläre Betriebsamkeit, es scheint weder Empörung, noch Wut oder gar Widerstand gegen die Machtdemonstration zu geben. Dabei üben die Architekten des Polizeistaats ganz fleißig und sagen dies auch offen. Krankenhäuser werden in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, der Katastrophenstab arbeitet auf Hochtouren. Dort sitzen - mittlerweile ganz selbstverständlich - nicht nur die Feuerwehr und das Rote Kreuz, Malteser, Johanniter und Arbeiter-Samariter-Bund, sondern auch die Bundeswehr mit einem Verbindungskommando. Dieser Stab "spielt alles durch", wie Volker Stein, Sicherheitsdezernent Frankfurts in einem FR-Interview erklärt: "Wir spielen die Lage so durch, als wäre sie tatsächlich eingetreten. Neben der Versorgung der Verletzten geht es auch darum, die Funktionsfähigkeit einer Stadt aufrechtzuerhalten. Dazu gehört die Versorgung mit Lebensmitteln und Energie. Wir sammeln Erkenntnisse und aktualisieren uns ständig."

 

Das ist das wichtigste Ziel des Ausnahmezustands: Wir sollen uns daran gewöhnen, schließlich sollen eigentlich schon längst Bundeswehrsoldaten durch die Städte patrouillieren, aber die SPD ziert sich ja noch ein bisschen. Die Verwaltungen sollen sich daran gewöhnen, die Krankenhäuser und die dort Beschäftigten. Eine kriegsfähige Gesellschaft muss all das kennen: Maschinenpistolen auf dem Weg zur Wahlurne sehen, Krankenschwestern, die mit Soldaten alles nochmal absprechen und das permanente latente Gefühl der Gefahr, die von oben kommt und einen lähmt. So wie die Bundeswehr in Afghanistan Kriegführen übt und ihren Soldaten Kampferfahrung beibringt, muss die Heimatfront aufgestellt werden und üben, üben, üben!

 

Ein Land, das ein anderes besetzt, kann selbst nicht frei sein. Dieser Satz von Karl Marx ist in Frankfurts Straßen zu besichtigen: So wie die Maschinengewehre und NATO-Panzer die Wahl einer Marionettenregierung in Afghanistan begleiten, tun es hier die Maschinenpistolen und Uniformen. Während in Afghanistan blanker Terror von den Besatzertruppen ausgeht, wird hier erstmal Organisation und die psychologische Kriegsführung geübt und die Öffentlichkeit mit den entsprechenden Schlagwörtern versorgt. Die Medien spielen dabei ganz brav mit, auch ohne Goebbels und Propagandaministerium sind sie wunderbar auf Linie. Die Frankfurter Rundschau (25.09.09, Frankfurt-Teil) freut sich über die gute Vorbereitung der Behörden auf den "Ernstfall". Im Kommentar dürfen wir erfahren, dass uns die "Terrorgefahr" und all das Paramilitär (so wird es natürlich nicht genannt) doch daran erinnere, wie sehr wir doch "das demokratische Gemeinwesen als  großes Glück würdigen" müssen. Während also gerade die vorletzten Reste der Scheindemokratie von Stiefeln und Offizieren der Reserve zertrampelt werden, freut sich die bürgerliche Öffentlichkeit über die "Selbstbehauptung des Bürgers" gegenüber der Drohung der "Islamisten".

 

Für alle Lohnabhängigen ist bereits der "Ernstfall" eingetreten: Nach der Bundestagswahl wird dieselbe Politik fortgesetzt wie vorher. Kampfansagen von oben gab es schon genug. Es wird Entlassungswellen, Sozialabbau, Einschränkung der Arbeitnehmerrechte und mehr Polizei, mehr Militär und mehr Krieg geben. Sollte eine größere Zahl von Menschen aus diesem Ernstfall einen eigenen machen und sich wirklich wehren, kann man sich jetzt schon mal anschauen, was ihnen an Bahnhöfen, Flughäfen und auf öffentlichen Plätzen begegnet. Dann ist der selbstbewußte Bürger mit einer wirklichen Gefahr konfrontiert.

 

Alerta Frankfurt