[Wien] Prozesse beobachten, kontrollieren und dokumentieren - Update von den vergangenen Verhandlungstagen im „Schlepperei“-Prozess

Refugees Welcome

Diese Woche am Mittwoch, Donnerstag und Freitag (21., 22. und 23.Mai 2014) sind drei weitere Verhandlungstage im Prozess gegen Personen aus dem Umfeld der Wiener Refugee-Bewegung angesetzt. Ihnen wird „Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen. Vor zwei Wochen ist die Verhandlung nach einer längeren Pause wieder losgegangen. Ein großer Teil der letzten Verhandlungen vom 6. und 7. Mai war die Befragung der Übersetzer_innen der Polizei.

 

Schon zu Prozessbeginn im März wurden massive Übersetzungsfehler in den Telefonüberwachungsprotokollen deutlich. In vielen vermeintlich belastenden Telefongesprächen wurde übersetzt, dass sich Angeklagte über „schleppungswillige Personen“ unterhalten hätten. In der Ursprungssprache Punjabi existiert kein Wort für „schleppungswillig“. In den Einvernahmen gaben alle Dolmetscher_innen an, dass sie sich am Beginn der Arbeit darauf geeinigt hatten, dass das Punjabi-Wort für „Personen“ mit „Schleppungswillige“ übersetzt werden wird. Dies ist der offensichtlichste – aber nicht der einzige – Beleg für die Voreingenommenheit der Dolmetscher_innen. Wieder einmal wird deutlich, welchen starken Einfluss die Übersetzer_innen in solchen Fällen haben und wie sehr sie in die rassistischen Strukturen von Polizei und Justiz eingebunden sind und werden.

Manche der Übersetzer_innen waren außerdem bei Verhören dabei. In der Einvernahme wurde deutlich, dass durchwegs alle gar keine bis zu wenig Kenntnisse über gesetzliche Rechte von Beschuldigten haben. Mindestens ein Übersetzer, der bei Verhören dabei war, spricht selber nur gebrochen Punjabi, was die Übersetzung der Rechtsbelehrung und die Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls von vornherein praktisch unmöglich macht.

Am 7.Mai wurden außerdem Polizist_innen befragt, welche Kontrollen und Festnahmen am Bahnhof Wien Meidling durchgeführt haben. Ohne das Wort in den Mund zu nehmen gaben sie unmissverständlich an, „racial profiling“ zu betreiben. Ein Polizist sagte zum Beispiel aus, am Aussehen unterscheiden zu können zwischen Touristen, „Österreichern mit Migrationshintergrund“, „illegalen Grenzgängern“ und „Asylwerbern“. Der Grund, warum er bestimmte Menschen am Bahnhof nicht kontrolliert hätte, war, dass sie „nicht so wie die da ausgesehn haben“, dabei machte er eine unmissverständliche Kopfbewegung in Richtung der Angeklagten.

Dass „racial profiling“ eine übliche Strategie der Polizei ist, ist nichts Neues. Es ist Teil der rassistischen Logik von Staat und Justitz und der Kriminalisierung von Migration. Das zeigt sich auch in diesem Prozess wieder einmal deutlich.

 

Für weitere Verhandlungstage stehen unter anderem noch die Befragung der leitenden Polizisten der Sonderkommission an, außerdem ist die Befragung von einem Dolmetscher noch nicht abgeschlossen.

Solidarische Prozessbeobachtung hilft den Angeklagten und verdeutlicht einer_einem selber die rassistische und klassistische Logik des Jusitzsystems.

Die weiteren Prozesstermine und ausführlichere Prozessberichte findet ihr hier: solidarityagainstrepression.noblogs.org

 

Während dieser Prozess relativ große mediale und politische Öffentlichkeit hat, werden laufend Personen mit dem Paragrafen § 114 FPG, dem so genannten „Schleppereiparagrafen“, kriminalisiert. Die strukturellen Rassismen und die Klassenjustitz werden in diesem Fall deutlich, beschränken sich aber keinesfalls auf ihn.

Außerdem erinnern wir uns an den Zeitpunkt der Festnahme der Angeklagten in diesem Fall kurz nach großen Protesten gegen die Abschiebungen von acht Personen aus der Refugee-Bewegung. Eine Kriminalisierung von einer starken antirassistischen Bewegung gab es auch durch die so genannte „Operation Spring“ 1999 nach den großen Protesten nach dem Mord an Marcus Omofuma.

 

Migration ent-kriminalisieren! Bewegungsfreiheit für alle!