Reportage
Ein Neonazi als Bundeswehr-Elitesoldat
Auf kaum eine andere Einheit ist die Bundeswehr so stolz wie auf die "Boardingkompanie" der "Spezialisierten Einsatzkräfte der Marine" im schleswig-holsteinischen Eckernförde. Diese Soldaten sind "sportlich austrainiert, waffentechnisch hervorragend ausgerüstet und einzigartig in der Bundeswehr" heißt es in einer Selbstbeschreibung der Marine. Was die Bundeswehr bis Mittwoch offenkundig nicht wusste: Einer dieser Soldaten ist ein organisierter Rechtsextremist. Er heißt Julien L., ist 23 Jahre alt, stammt aus Lörrach und hat sich als Zeitsoldat für vier Jahre in der "SEK Boardingkompanie, Team Nr. 5" verpflichtet.
Mitglied bei NPD-Nachwuchsorganisation
Zu den Aufgaben seiner Einheit gehört unter anderem, Handelsschiffe im Golf von Aden gegen Piraten zu verteidigen und die Schiffe der modernen Freibeuter zu entern. Keine Aufgabe für Schwachbrüstige. Im Dienst verhält sich der breitschultrige Mann offenkundig unauffällig. An seinem Heimatort Lörrach sieht die Sache schon anders aus. Auf Anfrage bestätigte der baden-württembergische Landesverband der rechtsextremen NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) die Mitgliedschaft des 23-Jährigen. Er wird außerdem zu den Gründungsmitgliedern des JN-Stützpunktes in seiner Heimatstadt Lörrach gezählt.
Kontakte zu inhaftiertem Neonazi
Julien L. unterhält außerdem Verbindungen zu einem Gesinnungsgenossen im nahen Weil am Rhein, dessen Aktivitäten Ende August bundesweit für Schlagzeilen sorgten: Thomas Baumann. Der JN-Kader sitzt seitdem in Haft, weil eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei ihm neben scharfen Waffen auch Chemikalien und Laborgeräte für die Herstellung von Sprengstoff zutage förderten. Der Pressesprecher der Polizei, Joachim Langanky, betonte damals, dass mit den Substanzen eine bis zu acht Kilogramm schwere Bombe hätte hergestellt werden können: "Die Bombe hätte zu Toten und Verletzten führen können", sagte er.
Den Beleg für diese engen Beziehungen zwischen dem mutmaßlichen Bombenbastler und dem Bundeswehrsoldaten liefern Abschriften des Schriftwechsels zwischen den beiden, die NDR Info und der "taz" vorliegen. So schreibt Baumann am 22. Februar 2008 an den Soldaten: "Servus. Durch unsere JN-Kontakte haben wir erfahren, dass du Interesse an besagter JN hast. Melde Dich einfach." Am 3. März antwortet der Soldat, dass er zwar "gerne" mitmachen wolle, aber selten in Lörrach sei, "da ich bei der Marine bin". Es folgen Einladungen zu "Wikingerfesten" und "Sonnenwendfeiern". Im Juni 2008 meldet der Soldat Interesse an einem Zeltlager an und fragt, "welche Bücher ich noch unbedingt lesen soll".
Ende vergangener Woche gab es bei acht Gesinnungsgenossen in der Region um Lörrach erneut Hausdurchsuchungen, die im Zusammenhang standen mit den Sprengstoff-Funden. Dass dabei auch die Wohnung des Bundeswehrsoldaten durchsucht worden sein könnte, wollte die zuständige Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. "Zu Personen dürfen wir keine Aussage machen", hieß es. Zugleich wird aber von den Ermittlern betont: "Wir gehen mittlerweile davon aus, dass die Person in U-Haft Helfer gehabt haben könnte."
Bundeswehr will keine Stellung nehmen
Bei der Bundeswehr waren die Umtriebe des Soldaten bislang offenbar so detailliert nicht bekannt. Mit den Rechercheergebnissen von NDR Info und der "taz" konfrontiert, gab man sich in der Pressestelle der Streitkräfte zunächst zurückhaltend: "Aus Gründen des Datenschutzes können wir zu konkreten Fällen nicht Stellung nehmen", hieß es. Zugleich aber wurde versichert, dass jeder Soldat mit seinem Eid ein Bekenntnis zur Verfassung abgelegt habe. "Diese Treuepflicht endet nicht am Kasernentor." Zeitsoldaten können bei schweren Dienstverstößen recht schnell aus der Truppe entfernt werden. Dazu gehören Straftaten, Drogen oder eben auch aktive Tätigkeit gegen die Verfassung.
Bei der Bundeswehr werden jährlich rund 100 Fälle von Extremismus erfasst. Meist geht es dabei um "leichtere" Delikte wie Hakenkreuzschmierereien oder das Hören von rechtsextremer Musik. Das Bundesverteidigungsministerium versicherte, dass man Fälle von extremistischer Betätigung "sehr ernst nehme" und "entschieden dagegen vorgehe". Zwar verfügt die Bundeswehr mit dem militärischen Abschirmdienst über einen eigenen Geheimdienst. Doch der konzentriert sich auf das Geschehen in der Truppe selbst. Wenn ein Soldat sich im Dienst unauffällig verhält, habe der MAD kaum eine Chance, solche Leute ausfindig zu machen, sagen Experten. Dem Soldaten aus Lörrach dürften in den kommenden Tagen viele Fragen gestellt werden.
Autorin/Autor: Stefan Schölermann, NDR Info
Stand: 24.09.2009 06:00