Kriminalitätsproblem - Die Polizei schickt in Freiburg mehr Polizisten auf die Straße. Der Grund: Raubüberfälle und Diebstähle haben seit Jahresbeginn stark zugenommen. Für einen Teil der Delikte kommt eine Gruppe minderjähriger Flüchtlinge in Frage.
Das Thema beschäftigt Freiburg schon mehrere Wochen. Es geht vor allem um die Altstadt, den Stadtteil Stühlinger und den Stühlinger Kirchplatz. Erstmals hat das Polizeipräsidium am Freitag konkrete Zahlen vorgelegt. Demnach ermittelt die Polizei in derzeit 194 Fällen gegen 31 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die aus dem nordafrikanischen Raum stammen sollen. Die Delikte reichen von Hausfriedensbruch bis zu möglichen schweren Straftaten. Teils wurden die Täter geschnappt, teils wird noch ermittelt. Bei einigen Fällen kommen Täter und Opfer aus der gleichen Gruppe.
84 Raubüberfälle haben die Ermittler in diesem Jahr in ganz Freiburg bereits gezählt – 50 Prozent mehr als im vergleichbaren Zeitraum der vier Jahre zuvor. In der Altstadt (31 Fälle) liegt die Zunahme bei mehr als 100 Prozent. Am Stühlinger Kirchplatz wurden neun Überfälle gezählt, gegenüber sieben in den Vergleichsjahren. Bei rund einem Viertel aller Überfälle ermittelt die Polizei in Richtung der unbegleiteten Flüchtlinge – aber es sind bisher nur Verdachtsfälle. Die Zahl der Taschendiebstähle stieg im ersten Quartal um 40 Prozent auf 219 Fälle an.
"Wir machen, was wir können. Wir wollen die Sicherheitslage stabilisieren", erklärt Polizeipräsident Bernhard Rotzinger. Mit einer Ermittlungskooperation, stärkerer Präsenz und konsequenter Strafverfolgung will die Polizei weitere Überfälle verhindern. In der vergangenen Woche hatte Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) noch beschwichtigt, dass es keine signifikante Veränderung der Sicherheitslage gebe. Hier sprechen die neuen Zahlen eine andere Sprache.
Kritik an Verwaltung ist nicht neu
Im SWR-Fernsehen forderte Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) jetzt eine Aufstockung der Polizei in Freiburg, was Innenminister Reinhold Gall (SPD) aber ablehnt. Die Polizeireform bringe mehr Polizisten auf die Straße, so Gall. Derweil steigt die Zahl junger Flüchtlinge, die allein nach Freiburg kommen, weiter an. In diesem Jahr waren es schon mehr als 60.
Dass hier ein massives Problem drückt, das haben Betreuer aus dem direkten Umfeld der betroffenen Jugendlichen jetzt in einem Gespräch gegenüber Gemeinderäten offen angesprochen. Der Einladung der Unabhängigen Listen waren Vertreter der SPD, aber auch von CDU und FDP gefolgt. Die Zuhörer bekamen von den Experten eine volle Ladung Wirklichkeit geliefert. Die klare Botschaft: Es braucht so schnell als möglich eine engmaschigere Betreuung der Jugendlichen, ein völlig neues Konzept – analog zu den erfolgreichen Vorbildern der Städte Karlsruhe und München. Schon im Jahr 2012, beteuern die Insider, hätten sie ihre Kritik bei der Verwaltung platziert – ohne jeden Erfolg.
Bei den Gemeinderäten wachsen die Zweifel
Zuletzt lobte Bürgermeisterin Gerda Stuchlik gar mantraartig die erfolgreiche Zusammenarbeit der Behörden. Doch bei den Gemeinderäten wachsen nun die Zweifel an den Aussagen aus dem Rathaus: Irene Vogel von den Unabhängigen Listen sieht deutliche Defizite bei der Verwaltung. Es brauche dringend mehr Gesprächsgruppen zur Trauma-Verarbeitung, mehr Drogenhilfe-Angebote, mehr Schulplätze in Regelschulen. Renate Buchen von der SPD hat ein Fachgespräch zu minderjährigen Flüchtlingen beantragt: "Wir müssen so schnell als möglich einen anderen Weg finden." Christoph Glück, Fraktionsgeschäftsführer der FDP, sagt, es sei wie so oft: "Die Verwaltung beschönigt und beschwichtigt, aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus." Er sieht ein Versagen der Bürgermeisterin, die zudem den Gemeinderat falsch informiert habe. Noch im September stand in einer Sitzungsvorlage, dass sich die Probleme bei der Unterbringung der jungen Flüchtlinge entspannt hätten.
Es sei entscheidend, dass die jungen Flüchtlinge sofort nach ihrer Ankunft in die Schule und in ein Förderprogramm kommen, betont ein Migrationsexperte: "Sie müssen aber oft ein halbes Jahr oder ein Jahr herumsitzen." Gerade unter der Problemgruppe gebe es viele Drogensüchtige. Diese bräuchten nach eigenen Angaben für ihre Sucht 300 bis 600 Euro – im Monat, so eine Betreuerin Das führt zu Beschaffungskriminalität. Die Schulden beim Schleuser kämen oft noch dazu. Viele Betroffene würden von Einrichtung zu Einrichtung weitergereicht.
Kapazitäten sollen ausgebaut werden
64 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind derzeit in Freiburg untergebracht. Die Stadtverwaltung prüft den Ausbau der Angebote und der Platzkapazitäten. Ein Drogenproblem kann sie nicht erkennen. Die Gruppe weiche nicht signifikant vom Verhalten deutscher Jugendlicher ab. In den Einrichtungen der Jugendhilfe würden Verstöße entsprechend sanktioniert, so die Verwaltung auf BZ-Nachfrage. Zum Problem der Schulplätze könne sich die Stadtverwaltung nicht äußern, da die entsprechenden Informationen beim Regierungspräsidium lägen. Aber das Christophorus-Jugendwerk der Caritas, das die unbegleiteten Flüchtlinge für die Stadt betreut, biete auch eigene Schulplätze an und sei dabei, die Kapazitäten auszubauen.