Homosexualität in Afrika
Der Präsident von Uganda hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das Homosexuelle mit langjährigen Gefängnisstrafen bedroht. Auch in vielen andern Staaten Afrikas ist Homosexualität strafbar – weil sie «unafrikanisch» sei.
Im Februar hat der ugandische Präsident Yoweri Museveni ein Gesetz unterzeichnet, das Homosexuellen lebenslängliche Gefängnisstrafen androht. In einer früheren Version war sogar die Todesstrafe vorgesehen. Ein paar Wochen davor verabschiedete der Präsident Nigerias, Goodluck Jonathan, ein ähnliches Gesetz. In der Mehrheit der afrikanischen Länder sind homosexuelle Praktiken illegal, und die Tendenz geht Richtung Verschärfung. Ausnahmen stellen Staaten wie Côte d'Ivoire, Mali, Gabon, Tschad oder Südafrika dar, wo Homosexualität nicht strafbar ist. In Mauretanien, Sudan, Somalia und einigen Gliedstaaten im nördlichen Nigeria hingegen steht auf gleichgeschlechtlichem Sex die Todesstrafe. Auffällig ist, dass Museveni erklärte, es gehe bei der Kriminalisierung der Schwulen und Lesben darum, Ugandas Unabhängigkeit gegenüber westlichem Druck zu demonstrieren. Auch der Präsident von Simbabwe, Robert Mugabe, und andere afrikanische Wortführer des Schwulenhasses stellen Homosexualität gerne als Folge eines schändlichen, dekadenten Einflusses des Westens auf Afrika dar, mithin als eine Art neokoloniale Infizierung eines Kontinents, dem Homosexualität «eigentlich» fremd ist.
Importierte Homophobie
Beinahe ist man versucht, diese Sichtweise pervers zu nennen, da sie die Tatsachen ins Gegenteil verkehrt. Es ist weniger die Homosexualität, die von den Weissen nach Afrika gebracht wurde, sondern die radikale Homophobie. Auch in Afrika wurden zwar je nach kulturellen und historischen Gegebenheiten sexuelle Abweichungen stigmatisiert. Aber im allgemeinen herrschte im Vergleich zu Europa ein eher liberales Klima. Weil Fruchtbarkeit so hoch geachtet wurde, kam es kaum zur Abwertung des Sexuellen per se wie in christlichen Ländern. Zwar wurden Praktiken, die nicht zu Nachwuchs führten, tendenziell abgewertet, aber man begegnete ihnen weniger mit Hass als mit Bedauern oder Kopfschütteln.
Die Ethnologen Murray und Roscoe zeigen in ihrem Buch «Boy Wives And Female Husbands: Studies of African Homosexualities», dass es ein koloniales Vorurteil war, den Afrikanern besondere Nähe zur Natur zuzuschreiben; infolgedessen sollte bei ihnen auch so etwas «Unnatürliches» wie gleichgeschlechtliche Liebe nicht existieren. Diese koloniale Argumentation wird heute von Politikern wie Museveni verwendet. Auch Forscherinnen wie die Uganderin Tamale oder die Nigerianerin Amadiume zeigen in ihren Werken, dass Homosexualität in Afrika auch vor der Ankunft der Weissen existierte.
Alles andere wäre beim Stand der Wissenschaft auch erstaunlich. Homosexualität entsteht nicht aus einer freien Wahl oder aufgrund all zu grosser Liberalität und moralischer Verkommenheit. Ob Homosexualität genetisch oder entwicklungspsychologisch bedingt ist, ist dabei zweitrangig; entscheidend ist, dass die sexuelle Orientierung weder durch Strafen noch Therapien verändert werden kann.
Die Kriminalisierung der Homosexualität hielt in Afrika einerseits durch Kolonialisierung und Missionierung Einzug, andererseits durch die evangelikalen Kreuzzüge vor allem amerikanischer Prediger. Die Prüderie des ugandischen Präsidenten hat mit dem europäischen Christentum des 19. Jahrhunderts und amerikanischem Puritanismus zu tun, nicht mit dem präkolonialen Afrika.
Missionare und Evangelikale
Museveni und seine fromme Gattin Janet haben sich nicht nur durch ihr Engagement gegen Homosexuelle hervorgetan, sondern auch durch ein «Anti-Pornografie-Gesetz», das Frauen das Entblössen von Brüsten und Schenkeln und das Tragen von Miniröcken verbietet. Man muss kein Ethnologe sein um zu wissen, dass Barbusigkeit in Afrika definitiv kein Import aus England war. Die Situation ist paradox. Museveni, Mugabe und Konsorten inszenieren den «antikolonialen» Kampf gegen die angeblich aus Europa importierte Homosexualität, während doch eher ihr eigener Diskurs durchtränkt ist von viktorianisch-verklemmter Sexualmoral und amerikanisch-fundamentalistischer Apokalyptik.
Konkret handelt es sich beispielsweise um die amerikanische Bewegung The Fellowship, deren Einfluss in Washington gewichtig ist. Eines ihrer Mitglieder ist Scott Lively, erzkonservativer Pastor und Mitautor eines Buches mit dem Titel «Pink Swastika», das die These verficht, Schwule und Lesben strebten die Weltherrschaft an. Lively ist ein vehementer Unterstützer des ugandischen Abgeordneten Bahati, einer der homophoben Scharfmacher. Ein enger Freund von ihm ist Ssempa, Gründer der Makerere Community Church, einer der grössten Kirchen Ugandas. Ssempa führt seinen Schäfchen gerne Hardcore-Pornos mit schwulen Sadomasopraktiken vor, wobei er ihnen erklärt, dass es solche von Schweinereien seien, die westliche Schwule mit afrikanischen Kindern anstellen wollten. Rund die Hälfte der Bevölkerung Ugandas besucht evangelikale Kirchen wie jene von Ssempa, und den Kindern wird in fundamentalistisch geprägten Schulen von klein auf beigebracht, dass die sündigen Schwulen dereinst in der Hölle schmoren müssen. Wenn Museveni, seit 28 Jahren Präsident, 2016 Jahr abermals die Wahlen gewinnen will, kommt er nicht an diesen Kreisen vorbei. Das beste Rezept, um sie zu gewinnen, sind homophobe Sprüche mit einem Schuss Antikolonialismus und anti-weissem Rassismus.
Die «200 Top-Homos»
Paradox ist auch, dass diese Rechtsaussen-Fundamentalisten, die noch vor kurzem gegen die Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA wetterten und früher beim Ku-Klux-Klan Jagd auf Schwarze gemacht hätten, nun als Kronzeugen für wahres Afrikanertum dienen. Ein weiteres paradoxes Problem ist allerdings auch, dass jede kritische Reaktion aus dem Westen die afrikanischen Schwulenhasser im Glauben bestärkt, es handle sich um Angriffe auf Afrika – ein Teufelskreis. Andererseits: Kann man schweigen, wenn eine ugandische Zeitung unter dem Titel «200 Top-Homos» Namen und Fotos veröffentlicht, und diese angeblich homosexuellen Ugander praktisch zum Abschuss freigibt? Wirksamer als westliche Proteste dürften die engagierten Wortmeldungen der Musiker Femi und Seun Kuti, des Nobelpreisträgers Soyinka und der Autorin Adichie, alle aus Nigeria, sein. Oder das Coming-out des populären kenyanischen Autors Wainaina. Sie machen den Populisten einen Strich durch die Rechnung – jene Rechnung, die so banal und vulgär definiert, was afrikanisch sei und was westlich.