In den Tagen zwischen den Jahren war es mal wieder soweit. Nach ein bisschen mehr Randale als üblich auf einer Demo für den Erhalt der Roten Flora und einem auf obskure Weise verletzten Polizisten auf der Reeperbahn zwei Tage später wurde Hamburg zur Showbühne für die größten Heul- susen der Nation: Die FunktionärInnen der sogenannten deutschen Polizeigewerkschaften.
von Helga Wein via Direkte Aktion
Das Lösungswort der letzten DA-Ausgabe:
Die deutschen Polizeigewerkschaften
Warum „sogenannt“? Weil es sich bei diesen Organisationen nicht um Gewerkschaften handelt, sondern um reine Lobbygruppen. PolizistInnen sind schließlich Beamte, also unkündbare StaatsdienerInnen, mit einem satten Pensionsanspruch. Diese müssen ihre Löhne nicht aushandeln, geschweige denn dafür einen Arbeitskampf führen. Streiken? No way!
Um nun also ihre politischen Ziele (diese lassen sich ziemlich einfach mit „bessere Aus- rüstung und höhere Strafen“ zusammenfassen)
durchzusetzen, haben die Funktionä- rInnen nur eine Waffe, und zwar die
Medienpräsenz. Und innerhalb dieser haben sie scheinbar nur eine
Taktik: Auf die Tränendrüse drücken.
Niemand habe die Polizei
mehr lieb, alles werde immer schlimmer, und sowieso sei das Leben der
Beamten jeden Tag akut bedroht. Dabei seien diese unter Dauerstress und
obendrein noch schlecht bezahlt und ausgerüstet.
In unserem konkreten Beispiel aus Hamburg zeigt sich dies wie folgt:
Obwohl
sich der Angriff auf die Davidwache, bei dem sich der oben genannte
Polizist verletzt haben soll, mittlerweile als unglaubliche Falsch-
meldung erwiesen hat, gibt der stellvertretende Landesvorsitzende der
Deutschen Polizeigewerk- schaft (DPolG) in Hamburg, Klemens Burzlaff, zu
Protokoll, dass der Angriff geplant und bis aufs kleinste Detail
durchdacht war.
„Es ist unfassbar, mit welcher Brutalität diese Straftäter gegen unsere Kolleginnen und Kolle- gen vorgegangen sind.
Wer aus kürzester Distanz Flaschen und Steine auf Polizisten wirft, nimmt billigend in Kauf, dass Menschen getötet werden!“, so Burzlaff in einer schriftlichen Mitteilung.
Sein
Organisationsfreund Joachim Lenders nutzt die Gelegenheit, um den
Einsatz von 'Tasern' für Demos zu fordern. Dies wird noch getoppt von
Gerhard Kirsch, dem Landes- vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei
(GdP) Hamburg:
„Es muss jedem klar sein, dass eine Dimension
erreicht wurde, die den Schusswaffen- gebrauch [...] wahrscheinlich
machen könnte.“
Eben jene GdP ist immerhin Mitglied des
DGB. Was zur Folge hat, dass sie wenigstens mit am Tisch sitzen dürfen,
wenn sich ver.di bei den Tarifrunden um den TVöD über eben diesen ziehen
lässt.
In einem Fall können die PolizeilobbyistInnen aber
von Heulen auf Aggressivität um- stellen. Nämlich immer, wenn Kritik an
dem von ihnen projizierten Untergangsszenario geübt wird. So erging es
letztes Jahr auch Rafael Behr, Professor an der Hamburger
Polizeihochschule. Der hatte zusammen mit der Forderung, das Gejammer
einzustellen, die These bestritten, dass Gewalt gegen PolizistInnen
immer schlimmer würde.
Sofort brach es über ihn herein. Die GdP diagnostizierte ihm einen „Fall akuter Profil- neurose“, während die DPolG den Artikel „mit fassungslosem Entsetzen“ las und „dienstrechtliche Maßnahmen, bis hin zur Ablösung, für zwingend erforderlich“ hielt.
Eine Studie aus NRW über das Jahr 2010 zeigt
hingegen, dass es nur in 0,1 Prozent aller Polizeieinsätze zu
Gewalttaten gegen PolizistInnen gekommen ist. Bei 4.040.768 Ein- sätzen
sind im besagten Jahr 13 Polizisten schwer verletzt worden.
Es gibt wahrscheinlich bessere Gründe, zu heulen.
www.faz.net/aktuell/politik/inland/gewalt-gegen-polizisten-heule-heule-gaenschen-12092159.html
Erschienen in: Direkte Aktion 222 – März/April 2014
www.direkteaktion.org/222/die-groesten-heulsusen-der-nation
[1] Quelle: Flickr (cc-by-sa)
VON: HELGA WEIN VIA DIREKTE AKTION