Projektwelten - Vortrag von Ulrich Bröckling

An die Stelle fester Zugehörigkeiten in Parteien, Basisgruppen, Bewegungen usw. tritt zunehmend projektförmiges Handeln: Wohnen als Projekt, (Gegen-)Öffentlichkeit als Projekt, Demos und Kampagnen als Projekte. „Projekt“ kann dabei vieles meinen: ein Vorhaben wie die Menschen, die es verfolgen, den Entwurf ebenso wie die Schritte zu seiner Umsetzung, einen Modus sozialer Kooperation, aber auch eine individuelle Zielmarke.

 

Projekte changieren zwischen singulärer Aufgabe und dauerhafter Beschäftigung, punktueller Zusammenarbeit und komplexer Organisation, Idee und Verwirklichung. Sie drängen auf Realisierung, aber sie bleiben nur so lange Projekte, wie sie noch nicht realisiert sind. Es sind nicht zuletzt diese Unschärfen, die es erlauben, nahezu alles in den Status eines Projekts zu erheben – von der Forschungsarbeit bis zur Ferienfreizeit, von der Markteinführung eines neuen Waschmittels bis zur Inszenierung eines Theaterstücks, vom Bau eines Kraftwerks bis zu den Aktivitäten der Bürgerinitiative, die eben diesen verhindern will. Die Form „Projekt“ erweist sich so als ein Basiselement zeitgenössischer Machtarrangements. Der Vortrag zeichnet die Genealogie des Projektemachens von Daniel Defoes „Essay upon Projects“ bis zu den Alternativprojekten der 1970er Jahre nach, um dann in Auseinandersetzung mit Luc Boltanskis und Eve Chiapellos Studie „Der neue Geist des Kapitalismus“ das Anforderungsprofil zeitgenössischer Projektarbeit zu skizzieren. Nicht zuletzt wird es darum gehen, die Projektförmigkeit der Praxis sozialer Bewegungen zu problematisieren.

 

Ulrich Bröckling ist Professor für Kultursoziologie an der Uni Freiburg. Seine Studie „Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform“ erschien 2007 im Suhrkamp Verlag.