In der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD war es bereits angekündigt, jetzt liegt ein Gesetzesentwurf vor: Die Staaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien sollen zu sogenannt „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden. Dies zielt darauf, Asylverfahren zu beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können. Denn Klagen gegen Abschiebungen haben dann keine aufschiebende Wirkung mehr. Die Ausreisefrist beträgt eine Woche. Über Eilanträge soll das Gericht ‚ grundsätzlich innerhalb einer Woche‘ entscheiden.
Begründet wird die geplante Gesetzesänderung unter anderem mit dem
Argument, dass es sich bei Asylanträgen aus diesen Ländern um aus
„asylfremden Motiven gestellten Asylanträge“ handelt, die
„offensichtlich unbegründet“ seien.
Das trifft zu, sofern man einer engen Auslegung des Asylrechts folgt,
sowie die systematische Verschränkung von Diskriminierung und Armut
ignoriert, die für Roma in diesen Ländern zu einem massiven Elend führt.
Amnesty international erklärte zum Konzept der sicheren
Herkunftsstaaten: „Es ist diskriminierend und verstößt gegen
internationales Recht. „Ob einer Person Schutz gewährt werden muss, ist
immer eine Frage des Einzelfalls“, erklärte Franziska Vilmar,
Asylexpertin bei Amesty.
Wenn die genannten Länder tatsächlich zu sicheren Herkunftsstaaten
erklärt werden, werden die Chancen von Roma, ihrer aussichtslosen
Situation zu entkommen, weiter verschlechtert. Denn dann haben sie
faktisch auch keine Chance mehr, sich gerichtlich eine Duldung zu
erstreiten und mittelfristig auch ein humanitäres Bleiberecht zu
erhalten.
In amtlichen Dokumenten der serbischen Regierung ist von offenem Hass
und von offener Gewalt gegen Roma die Rede. Eine Kommission der EU hat
kürzlich erneut den fehlenden Schutz von Roma in den Ländern des
ehemaligen Jugoslawien kritisiert. Zahlreiche Berichte des UNHCR und von
verschiedenen Nichtregierungsorganisationen weisen nach, dass Roma
elementare Menschenrechte nur bedingt in Anspruch nehmen können. Darum
beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung für Romafrauen in
informellen Siedlungen in Serbien nur 48 Jahre, wie das Ministerium für
Menschenrechte und für Minderheiten 2009 herausfand. Die
Kindersterblichkeit ist dreimal höher als im Landesdurchschnitt.
Es mag juristisch angebracht sein, von sicheren Herkunftsstaaten zu
reden, wenn man in diese Länder Menschen abschieben will, die als
unwürdige und nutzlose Arme betrachtet werden, und nicht als
wirtschaftlich nützliche Fachkräfte. Mit einem humanitären,
menschenrechtlich angemessenen Umgang mit Roma-Flüchtlingen hat dies
nichts zu tun. Das können auch diejenigen wissen, die vom
Einwanderungsland Deutschland reden, wenn Arbeitskräfte angeworben
werden sollen, sich aber um die Rechte von Flüchtlingen nicht kümmern.
Internationale Organisationen stellen übereinstimmend fest, dass die
Situation der Roma in Balkan-Ländern katastrophal ist. Wir lehnen es ab,
dass Menschen in Verhältnisse abgeschoben werden, in denen sie
umfassender Diskriminierung unterliegen. Umfassende Diskriminierung in
unterschiedlichen Lebensbereichen muss als Fluchtgrund anerkannt werden.
Dazu ist ein Verfahren bereitzuhalten, das fair ist, in dem sämtliche
relevanten Bedrohungen und Belastungen ermittelt werden können. Eine
systematisch betriebene Diskriminierung oder Benachteiligung in ihrer
kumulativen Wirkung kann sehr wohl Verfolgung bedeuten und nationalen
bzw. internationalen Schutz rechtfertigen.
Als einen ersten Schritt in Reaktion auf das Gesetzesvorhaben der
Koalition fordern wir die Bundesländer dazu auf, sich ihrer
menschenrechtlichen Verantwortung zu stellen und ihren
Handlungsspielraum zu nutzen: Sie müssen erstens das Gesetz im Bundesrat
ablehnen, zweitens einen sofortigen 6-monatigen Abschiebestopp für
Angehörige von Roma-Minderheiten aus den betroffenen Ländern erlassen
und drittens einen längerfristigen Aufenthalt nach §23 AufenthG
durchsetzen.
Wir fordern zu Protesten gegen dieses Gesetzesvorhaben und rufen zur
Teilnahme an der Demonstration am 15. März 2014 nach Freiburg auf. Wir
werden gegen drohende Abschiebungen auch zu Mitteln des zivilen
Ungehorsam greifen.
Freiburg, 26.02.2014
Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
Adlertsr.12 (rasthaus)
79098 Freiburg