Auf nach Calais: Neue Häuser brauchen Unterstützung!

Kein Mensch ist illegal

In Calais wurden in der Woche vom 3.-7. März vier Häuser besetzt. Eines davon wurde geräumt und drei sind inzwischen juristisch abgesichert (in Frankreich dürfen Häuser, wenn sie nachweislich seit 48 Stunden besetzt sind, nicht ohne Gerichtsverfahren geräumt werden). In der Vergangenheit gab es in Calais unzählige illegale Räumungen seitens Polizei, welche vorwiegend von Geflüchteten bewohnt waren.

 

Viele der Aktivist_innen haben die Heimreise wieder angetreten und es bedarf der Unterstützung um Polizeigewalt sowie Räumungsversuche dokumentieren und die Häuser bewohnbar zu machen. Die jetzige Situation ist ein Schlüsselmoment in der Geschichte der Squats in Calais. Es ist das erste Mal, dass es die Möglichkeit gibt, mehrere Häuser auf einmal zu halten -- eine Chance die wir nicht verpassen sollten! Es lohnt sich für die Zukunft dieser Häuser zu kämpfen und der Kampf beginnt jetzt. Wir haben jede Menge Platz für Kreativität und Energie der Leute die uns in diesem Kampf unterstützen wollen!

 

Infos & Kontakt: http://calaismigrantsolidarity.wordpress.com/contact-us-2/

 

Politische Situation in Calais


In Calais leben tausende illegalisierte Migrant_innen ohne Dokumente. Sie stranden auf ihrem Weg nach Großbritannien in der französischen Hafenstadt. Weiter will man sie nicht lassen. Hier haben will man sie auch nicht. 2002 wurde das überfüllte Auffanglager «Sangatte"des Roten Kreuzes auf staatlichen Druck hin geschlossen. Seit dem leben die Flüchtlinge auf der Straße, in den Parks, in verfallenen Gebäuden oder selbst-organisierten Camps in Wäldern und Dünen. Die Unterstützung der Sans-Papiers und der Widerstand gegen das rücksichtlose Grenzregime der EU sind vielfältig. Aktivist_innen aus verschiedenen Ländern haben eine beständige Präsenz in Calais aufgebaut. Sie wehren sich gemeinsam mit den Geflüchteten gegen die konstanten Attacken der Polizei. Diese sorgt beständig dafür, dass diese obdachlos bleiben. Nun stehen Geflüchtete und Unterstützer_innen allerdings akut einem weiteren Problem gegenüber: Dem wachsenden Faschismus. Unter dem Deckmantel der Bürger_innenintiative organisieren sich die Rechtsradikalen. Ermutigt wird diese Erscheinung durch die lokale Exekutive.

 

Was passierte letzte Woche in Calais?

 

Eine Woche vor den Besetzungen der vier Häuser eskalierte in einem Vorort der nordfranzösischen Stadt die faschistische Gewalt. Anlass der Auseinandersetzung war die Besetzung eines Farmhauses, welches aufgrund der rechtlichen Situation in Frankreich nicht geräumt wurde. Daraufhin belagerten aufgebrachte Nachbar_innen tagelang das Haus. Die Insassen wurden zunächst verbal attackiert und mit Mord und Vergewaltigung bedroht. Kurze Zeit später griffen die Bewohner_innen des Vorortes gemeinsam mit der rechtsextremen Bürgerinitiative Sauvon Calais* das Haus an -- die Polizei schaute zu. Das Dach wurde stundenlang mit Steinen beworfen und stark beschädigt. Als in der nächsten Nacht die ersten Molotow Coktails flogen, flohen die Bewohner_innen heimlich aus dem Haus. In den darauf folgenden Nächten musste die Feuerwehr wiederholt anrücken, um Brände am Haus zu löschen. Hier wurde in Kauf genommen, dass Menschen sterben könnten.

Der Angriff blieb jedoch nicht ohne Konsequenz. Breit wurden Antifaschist_innen und Aktivist_innen mobilisiert. Online-Aktivist_innen brachten die Facebook-Seite der Bürgerinitiative zu Fall und spielten der lokalen Zeitung Fotos des rechtsradikalen Gründers Kevin Rêche der Initiative "Sauvon Calais" zu auf dem er mit einem Hakenkreuz auf der Brust tätowiert zu sehen war. Am nächsten Tag schmückten die Bilder Titelseiten der Lokalblätter und die erst kürzlich gegründete Initiative musste sich auflösen.

Noch in der selben Nacht wurden als Reaktion auf die faschistischen Übergriffe vier Häuser für mehr als 48 Stunden besetzt und die Beweise amnschlissend der Polizei, Staatsanwaltschaft und den Medien zugespielt. Diese Art der Besetzung zielt darauf ab, gegen illegale Räumungen durch die Polizei juristisch vorzugehen. Seit geraumer Zeit besetzen Aktivist_innen Häuser, indem sie gemeinsam mit Anwält_innen Beweise sammeln und einen echten Namen angeben, um im Falle der Räumung einen Gerichtsprozess anzustreben. Am 12. März wird es den ersten Fall in der Geschichte der Region geben. Wird die Räumung vom Gericht als illegal anerkannt, stehen den Bewohner_innen 28.000 Euro Schadenersatz von der Staatsgewalt zu.. Wird der Prozess gewonnen -- und die Chancen stehen gut - kann die Polizei keine illegalen Räumungen mehr durchführen,, ohne mit dem Schadenersatz die Bewegung zu finanzieren.

 

 

* Sauvons Calais ist eine von Rechtsradikalen gegründete Bürger_innenintiative die sich gegen Geflüchtete und für ein Verbot der No-Border-Aktivismus einsetzte. Sie hatte sich gegründet, kurz nachdem die Bürgermeisterin Natascha Bouchard eine Notrufnummer einrichtete und die Bürger_innen von Calais dazu aufrief, Besetzungen zu denunzieren. Unter dem bürgerlichen Deckmantel veröffentlichten sie Fotos und Adressen von No-Border-Aktivist_innen und propagierten rassistisches Gedankengut.