Hilfe für Kameraden

Erstveröffentlicht: 
05.02.2014

In Schleswig-Holstein haben NPD-Kader die „Braune Hilfe“ gegründet. Im Vereinsregister ist der Verein noch nicht eingetragen, Geld soll aber schon eingesammelt werden.

 

Sieben Männer, ein Verein. In Schleswig-Holstein haben Kader um den NPD-Landespressesprecher Jörn Lemke den Verein „Braune Hilfe Schleswig-Holstein“ (BH) gegründet. Der Verein soll nach Lemke „politisch verfolgte Kameraden“ unterstützen – juristisch und materiell. Im Vereinsregister von Lemkes Heimatstadt Lübeck ist die „Braune Hilfe“ noch nicht eingetragen.

 

„’Braune Hilfe Schleswig-Holstein‘? Nein, so ein Verein ist hier nicht registriert“, sagt eine Mitarbeiterin beim Vereinsregister am Amtsgericht und gleich weiter: „Auch in anderen schleswig-holsteinischen Städte findet sich kein Eintrag“. Die Vereinsgründer stört die noch fehlende Registrierung wenig. Denn ein „Verein in Gründung“, weiß Lemke, der auch NPD-Kreisvorsitzender Lübeck/Ostholstein ist, kann schon agieren. Er schlägt denn auch vor: „Wir fangen schon jetzt an, intern Geld zu sammeln und intern das Projekt bekannt zu machen.“

 

Soliabend im „Thinghaus“

 

Die Idee einer Hilfs- und Unterstützungsstruktur für nationale Betroffene von „Antifaterror und Staatsterror“ ist nicht neu. Über 30 Jahre war die „Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG) bundesweit aktiv. Bis zum Verbot 2011 unterstützte der rund 600 Mitglieder zählende Verein „Märtyrer der nationalen Sache“, wie inhaftierte Holocaust-Leugner und Rechtsterroristen von der HNG genannt wurden. Die Gründung der BH im hohen Norden ist aber nicht alleine dem Verbot der HNG geschuldet. In dem Bundesland zwischen Nord- und Ostsee stilisierte Lemke die rechtsextremen Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen und Andersdenkenden immer wieder als heroischen Opfergang für Volk und Vaterland. Gesellschaftliche Reaktionen darauf versuchte er zur politischen Selbstidealisierung zu nutzen. Bei dem „Kampf um die Straße und die Köpfe“ bekam die Szene von NPD bis hin zu „Autonomen Nationalisten“  im Norden jedoch auch viel Gegenwind: Nazigegner outeten rechtsextreme Kader, staatliche Ermittlungen führten zu Verurteilungen von Aktivisten, Medienberichte behinderten die Berufskarrieren von Parteimitgliedern.

 

Im vergangenen Jahr hatte bereits Jörn Gronemann, der bei der NPD Lübeck-Ostholstein aktiv ist, aus eigener Betroffenheit heraus einen „Solifonds für Opfer linkspolitischer Gewalt“ ins Leben gerufen. Verschiedene Szene-Onlineshops halfen, und mit einem Solidaritätsabend im Szenetreff „Thinghaus“ in Grevesmühlen kam ein vierstelliger Betrag zusammen. Alles gut? Nein, glaubt man den Gerüchten aus der Szene, so wurde „Soligeld“ nicht nur für Solidaritätsprojekte genutzt. Eine Enttäuschung, die Lemke auf die Idee mit der Vereinsgründung gebracht haben soll. Der Name „Braune Hilfe“ offenbart das organisatorische Vorbild: die „Rote Hilfe“, deren Vorläufer bis in die Weimarer Republik zurückgeht. „In der rechtsextremen Szene wird öfters auf linke Projekte und Aktionsformen neidisch geschaut“, sagt der Experte Jan Raabe, Autor und Mitarbeiter des Vereins „Argumente & Kultur gegen Rechts“. Unter dem Namen „Braune Hilfe“ versuchte Daniel Nordhorn, NPD-Kreisvorsitzender in Segeberg-Neumünster, bereits 2009, in Kiel einen Verein einzutragen lassen. Was aber nicht gelang, wie die Mitarbeiterin des Lübecker Vereinsregisters erklärte.

 

Hip-Hopper „Tekk07“ führt privates Konto

 

Bei der BH waren sich die Gründer, zu denen der NPD-Landesvize Jens Lütke und Daniel Nordhorn gehören, nicht ganz einig, ob auch mit Geld geholfen werden sollte. Intern tauschten sie sich mit den weiteren Gründungsmitgliedern Simon Stanek, Michael Konczal, Mirko Raasch und Lars Hildebrandt aus. Bis offensichtlich Lemke mit dem Hinweis auf die „Rote Hilfe“ intervenierte, diese würde auch „beide Seiten der Medaille“ nicht trennen, also politische und finanzielle Unterstützung leisten. In der Debatte kommen sie auch schnell auf eine mögliche zusätzliche Geldquelle: „Spenden von älteren Kameraden.“ Denn ein Konto hätten sie bereits – allerdings kein offizielles Vereinskonto. Stanek, der sich auch als Hip-Hopper mit dem Künstlernamen „Tekk07“ versucht, führt für die BH ein privates Konto. Für Lemke ist das kein Problem. Er erinnert daran, dass auch die HNG „jahrelang ohne Vereinskonto“ klar gekommen sei.

 

Lars Hildebrandt, der als Liedermacher unter den Namen „Zog sux“ und „RaunijaR“ auftritt, macht sich auch Gedanken um die Einnahmen. Sein selbst gewählter Name „Zog sux“ spielt auf das bekannte Szenekürzel für „zionist occupied government“, die Verschwörungsidee der jüdischen beherrschten Staaten. Er schlägt eine Gründungsfeier in der „Titanik“ vor, um den Verein szeneintern bekannt zu machen und Geld einzusammeln. Die Gaststätte „Titanic“ in Neumünster könnte gemeint sein. Seit Jahren eine Treffpunkt der Szene in Schleswig-Holstein.