Konstanz - Der Landkreis Konstanz stellt die Unterhaltspraxis für Asylbewerber zum 1. April komplett um. Die Zuweisungen von Asylbewerbern bleiben auch im neuen Jahr hoch. Das Landratsamt sucht weiterhin neue Quartiere.
Der Landkreis Konstanz will die Unterhaltspraxis für Asylbewerber komplett umstellen. Um den Verwaltungsaufwand zu minimieren, sollen Flüchtlinge die ihnen zustehenden Leistungen per Geldkarte von einem Bankkonto abheben können. Wie Landrat Frank Hämmerle auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte, soll die neue Regelung zum 1. April in Kraft treten. Dem Vernehmen nach soll die Umstellung am heutigen Donnerstag offiziell bekanntgemacht werden. Am gestrigen Mittwoch stimmten sich offenbar die Spitzenkräfte in der Verwaltung endgültig über das neue Verfahren ab.
Um die Form der Unterhaltsleistungen hatte es in den vergangenen Monaten zum Teil scharfe Kontroversen gegeben.
Bisher erhalten Asylbewerber einen Teil der ihnen zustehenden
Leistungen als Taschengeld in bar, einen anderen Teil in Form von
Einkaufsgutscheinen. Gegner des Gutscheinsystems kritisierten die
bisherige Praxis als entwürdigend. Asylbewerber in Konstanz drohten zwischenzeitlich an, in einen Hungerstreit zu treten, sollte das System nicht geändert werden. Anlässlich
eines Besuchs in einer Stockacher Flüchtlingsunterkunft im vergangenen
Jahr hatte sich die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay
Öney selbst für Geld- statt Sachleistungen ausgesprochen.
Im Jahr 2013 hat der Landkreis Konstanz rund 370 Asylbewerber neu
aufgenommen. Der Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland soll auch im
neuen Jahr hoch bleiben. Das prognostiziert das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge. Gleichzeitig fordert das Amt die Landkreise auf, diese
Entwicklung „bei der Bereitstellung von Unterbringungskapazitäten“ zu
berücksichtigen.
Spontane Hilfe für siebenköpfige Familie
Ludwig Egenhofer, Leiter der Unterbringungsbehörde für Asylbewerber im Landkreis Konstanz, rechnet damit, dass der Kreis auch 2014 über 300 Asyl suchende Menschen neu aufnehmen muss. Ende 2013 wurden 517 Männer, Frauen und Kinder betreut. Für den Januar hat die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe die Ankunft von 32 weiteren Asylbewerbern im Landkreis Konstanz angemeldet. Erst am Mittwoch zeigte sich, dass es auch spontane Notfälle gibt, in denen Hilfe wichtig ist. So gewähren die Sozialbehörden bis auf weiteres einer siebenköpfigen syrischen Familie eine Unterkunft, die illegal nach Deutschland eingereist ist und die in Karlsruhe einen Asylantrag stellen wollte. Die Reise musste indes in Konstanz wegen eines akuten Krankheitsfalls unterbrochen werden.
In Konstanz, Radolfzell, im Raum Stockach sowie in Rielasingen-Worblingen verfügt das Landratsamt inzwischen über acht Quartiere für Flüchtlinge. Größte Unterkunft ist die in der Konstanzer Steinstraße mit 200 Plätzen. Für einen weiteren Standort in Konstanz (Hegaustraße) läuft der Mietvertrag Mitte des Jahres aus. Dann gehen rechnerisch 106 Wohnplätze verloren. „Wir werden weitere Unterkünfte schaffen müssen“, sagte Ludwig Egenhofer. Derzeit stehe man in Verhandlungen mit Immobilienanbietern in Singen. Es geht um Raumkapazitäten für 150 bis 200 Menschen.
Jedem Asylbewerber stehen 7 Quadratmeter zu
Egenhofer geht davon aus, dass der Vertragsabschluss im Februar unter Dach und Fach ist. Die Stadt Singen, zweitgrößte Kommune im Landkreis Konstanz, ist derzeit noch ein weißer Fleck auf der Quartier-Standortkarte für Asylbewerber. Die Stadt Singen sei sich aber ihrer Verantwortung bewusst, betont der Quartiersucher des Landkreises, der zugleich die gute Zusammenarbeit mit den Kommunen betont. Sicher ist, dass der Platzbedarf auch aus einem anderen Grund weiter steigt. Denn das Land Baden-Württemberg gesteht im neuen Flüchtlingsaufnahmegesetz Asylbewerbern in den Unterkünften mehr Platz für Wohnen und Schlafen zu. Die Quadratmeterzahl pro Kopf muss bis 2016 von bisher 4,5 auf 7 Quadratmeter heraufgesetzt werden. Man werde sich Zug um Zug auf die neuen Vorgaben einstellen, sagte Ludwig Egenhofer.
Auf Distanz
Der Runde Tisch Asyl hat sich vom Aktionsbündnis Abschiebestopp distanziert. Auch der Runde Tisch setze sich dafür ein, dass der Landkreis Asylbewerbern die Unterhaltsansprüche in Form von Bargeld zukommen lasse und nicht länger Einkaufsgutscheine aushändige. „Aber nicht mit diesen Methoden“, sagte Hermann-Eugen Heckel, Dekan der Alt-Katholiken in Konstanz und Sprecher des Runden Tischs Asyl. Heckel kritisierte zum Beispiel, dass das Aktionsbündnis Abschiebestopp in der Diskussion zur Flüchtlingssituation von „Behördenrassismus“ spreche. Der Runde Tisch Asyl wurde vor 16 Jahren gegründet. Ihm gehören Vertreter von Kirchen, Politik, Behörden und Polizei sowie Integrationsbeauftragte an. (fdo)