[leckeres Buch] Dänemarks politische Bankräuber

Dänemarks politische Bankräuber

Weil ich früh begonnen habe, den Kapitalismus total scheisse zu finden, und mir Arbeiterklassensozialisierung und ein eher aufbrausendes Temperament eine intuitive Abneigung gegen jede Form des braven parlamentarischen Linksseins vererbt haben, kenne ich alle bewaffneten Gruppierungen, die je versucht haben, mit Kalaschnikow und Antiimp-Erklärungen den Sozialismus, Kommunismus oder die Anarchie herbeizugewalten. Dachte ich jedenfalls bis vor kurzem. Von einer habe ich nämlich bis vor drei Wochen noch nie gehört: Der dänischen Blekingegade-Gruppe.

 

Niels Jorgensen und Torkil Lauesen, die beiden Jungs auf diesem Bild, sehen zwar aus wie frühe Vertreter einer studentischen Hipster-Kultur, ihre Freizeitbeschäftigung unterscheidet sich allerdings fundamental vom permanenten Konsumrausch heutiger Exemplare dieser Gattung. Beide waren Teil einer dänischen Gruppe von Marxisten, die über Jahrzehnte hinweg Geld aus Banken und Geldtransportern mopsten, um es international umzuverteilen. Die Kohle ging an Befreiungsbewegungen im Trikont, vor allem nach Südafrika und Palästina.

 

Dass es nun zumindest einen kleinen Einblick in Entstehung und Innenleben dieser ziemlich interessanten Gruppe gibt, verdanken wir einem kürzlich erschienen Buch: „Bankraub für Befreiungsbewegungen“, heißt der wirklich gut gemachte Überblicksband, den der Münsteraner Unrast-Verlag vergangenen Oktober rausgehauen hat.

 

Schmarotzer und Aristokraten

 

1963 wurde der Intellektuelle Gotfred Appel aus der Kommunistischen Partei Dänemarks (DKP) ausgeschlossen, weil der Mao geil fand und die Partei selber weiter auf der Sowjetschiene fuhr. Appel gründete mit anderen zusammen den Kommunistischen Arbeitskreis (KAK), der sich eher an der chinesischen Revolution als an dem russischen Post-Stalin-Sozialismus orientierte. Gleichzeitig begann Appel eine – zumindest in dieser Form – neuartige Theorie zu entwickeln, die „Schmarotzerstaatentheorie“. Die besagte, dass in den imperialistischen, hoch entwickelten Ländern auf absehbare Zeit auch die Arbeiterklasse nicht für den Sozialismus zu gewinnen sei.

 

Denn die imperialistischen Staaten beuteten insgesamt die abhängigen Länder Afrikas, Südamerikas und Asiens aus und können mit den so gestibitzten Extraprofiten die eigene Arbeiterklasse zuhause durch Zugeständnisse beispielsweise bei den Löhnen ruhigstellen. Deshalb müsse zuerst die Unabhängigkeit der vom Imperialismus unterdrückten Länder erkämpft werden, erst dann, wenn das der Fall ist und die Extraprofite wegfielen, würde auch das Proletariat der entwickelten kapitalistischen Staaten wieder aufbegehren.


Ganz neu hat er das Rad zwar nicht erfunden, denn auch bei Lenin gibt es mit der Theorie der „Arbeiteraristokratie“ – also korrumpierter Teile des Proletariats in den imperialistischen Ländern – Elemente, die in diese Richtung weisen. Aber so konsequent durchgezogen hat diese Auffassung wohl keiner wie der KAK und seine Nachfolgeorganisationen. Denn die versuchten erst gar nicht, den dänischen Malocher mittels jesuitischer Missionierungstaktiken wie man sie von so viele linken Kleingruppen kennt, eine Mitgliedschaft aufzuquatschen.


Kohle und Knarren

 

Sie konzentrierten sich vielmehr auf den materiellen Support von Befreiungsbewegungen anderswo – und zwar legal sowie illegal. Sie organisierten Komitees gegen den Vietnamkrieg, sammelten Kleidung, Medizin, Zelte für Afrika und nahmen Beziehungen zur chinesischen Regierung auf (die dann aber auch einige Jahre später wieder endeten) und zu zahlreichen Befreiungsbewegungen wie der palästinensischen PFLP oder dem südafrikanischen ANC.


Und sie – nicht alle im KAK, sondern nur ein enger Kreis – begannen Geld und Waffen zu besorgen. 1972 holten sie sich Knarren aus einem dänischen Armeedepot, 1975 überfielen sie einen Geldtransporter, 1976 ein Postamt und 1989 holten sie sich die Rekordsumme von 13 Millionen Kronen bei einem der größten Überfälle, die Dänemark je gesehen hatte. Danach wurden sie allerdings, eher durch Zufall denn durch Eigenverschulden, geschnappt.


Das ist natürlich nicht die ganze Geschichte. Die ist viel facettenreicher, beinhaltet eine Reihe politischer Wandlungen und Spaltungen und ist – auch wenn vieles eher von historischem Interesse sein dürfte als konkrete Bedienungsanleitung für heute – extrem lehrreich.

 

„Bankraub für Befreiungsbewegungen“ dokumentiert diese Geschichte sehr umfassend. Mit Zeugnissen von Mitgliedern, rückblickenden Darstellungen und Analysen und – für mich ein heimlicher Höhepunkt des Buches – einem äußerst klugen Vorwort von Klaus Viehmann, der ja auch selber schon mal in einer Organisation war, die das Gelesene nicht nur in Flugblättern verwurstet wieder ausspuckt, sondern auch ernst genommen hat. Ihm gelingt der Bogen aus dem Damals ins Heute: „Wie auch immer: Wer es wissen möchte, weiß, dass ein Ende der globalen Ausbeutung ohne eine Schwächung der imperialistischen Metropolen und ‚Sabotage‘ ihrer ökonomischen, finanziellen, militärischen Ressourcen nicht einmal ansatzweise aufscheinen wird“, schreibt er am Ende seiner Einleitung.

 

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