Konzerte und Kameradschaften: Neonazis kennen keine Grenzen

Erstveröffentlicht: 
03.09.2009

Ein Blick in die rechtsradikale Szene

 

Konzerte und Kameradschaften: Neonazis kennen keine Grenzen

Vor einer Woche hat die Polizei einen Neonazi aus Weil am Rhein festgenommen und in seiner Wohnung Material zum Bau ein Fünf-Kilo-Bombe gefunden. Ob der der 22-Jährige Helfer im Landkreis hatte, ist nicht sicher. Sicher ist jedoch, dass er Gesinnungsgenossen hat.


LÖRRACH. Rund 40 Neonazis gibt es nach Angaben des Verfassungsschutzes im Kreis, die sich immer wieder unter wechselnden Namen organisieren.

Für Aufsehen hat die Festnahme des Neonazis in Weil am Rhein gesorgt. Nach einem Hinweis der Autonomen Antifa Freiburg hat die Polizei bei ihm Material zum Bombenbau gefunden. Er ist in der Neonaziszene kein Unbekannter. Nach Antifa-Angaben trat er als Gruppenführer der Kameradschaft "Freie Kräfte Lörrach" auf. Diese neonazistische Gruppierung, ebenso wie das "Aktionsbüro Südbaden" die auch den "Autonomen Nationalisten" zugerechnet werden können, treten derzeit im Internet oder auf Demonstrationen in Erscheinung, wie das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfVBW) auf Anfrage gegenüber der Badischen Zeitung wissen ließ.

110 RECHTSEXTREME SKINHEADS IM REGIERUNGSBEZIRK

Das "Aktionsbüro Südbaden", das sich zuletzt als "AB Dreiländereck" bezeichnete, habe sich nach eigenen Angaben auf seiner Homepage am 24. August aus "taktischen Gründen" aufgelöst. Am 4. August sei als Grund für die Namensänderung das Dazukommen von Gruppierungen aus der Nordschweiz und Kontakte zu Kameraden in Frankreich genannt werden.

Im Raum Lörrach beläuft sich das neonazistische Potenzial nach Angaben des LfVBW auf rund 40 Personen, "wobei eine trennscharfe Zuordnung nicht möglich ist, da zwischenzeitlich einzelne Neonazis gleichzeitig Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) oder deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sind". Zu dem Thema schreibt die "Freie Recherche Lörrach" auf ihrer Internetseite: "Am 13. 6. 2009 wurde in Lörrach, im Südwesten von Baden-Württemberg nahe der Schweizer Grenze, ein Stützpunkt der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD, gegründet. Bei der Gründung waren neben den vier Stützpunktmitgliedern und überwiegend jugendlichen Nazis aus der Region auch führende Kader der JN, wie der Landesvorsitzende Lars Gold und Jörg Hager aus dem Landesvorstand Baden-Württemberg anwesend."

Die rechtsextremistische Skinheadszene hat laut LfVBW im Bereich des Regierungspräsidiums Freiburg rund 110 Mitglieder. Davon würden 10 im Raum Lörrach wohnen und 40 in Freiburg. Der Regierungsbezirk Freiburg sei derjenige mit den wenigsten rechtsextremistischen Skinheads in Baden-Württemberg, betont der Verfassungsschutz. Dennoch hätten von den insgesamt 26 Skinheadkonzerten des Jahres 2005 allein sieben im Bezirk Südbaden stattgefunden. Im vergangenen Jahr habe es dort lediglich zwei Konzerte gegeben (2006: zwei, 2007: drei, 2008: zwei).

SKINHEADKONZERT AUF EINEM GRILLPLATZ IM WALD

Das bislang einzige rechtsextremistische Skinheadkonzert im Regierungsbezirk Freiburg im Jahr 2009 fand am 18. Juli auf einem Waldgrillplatz zwischen Schliengen und Niedereggenen im Landkreis Lörrach mit rund 60 Besuchern statt, bei dem ein Mitglied der Band "Kurzschluss" aus dem Großraum Singen sowie die Band "Aufbruch" aus Mannheim auftraten, teilte der Verfassungsschutz der BZ mit.

Bis ins Jahr 2008 hätte außerdem im "Café 22" in Brigachtal jährlich mindestens eine Musikveranstaltung stattgefunden. Es habe sich dabei um einen beliebten Treffpunkt der rechtsextremistischen Skinheadszene im Raum Villingen-Schwenningen, gehandelt, deren Mitglieder auch regelmäßige Veranstalter dieser Konzerte gewesen seien. Neben "White Voice" aus Villingen-Schwenningen sei im Bereich des Regierungspräsidiums Freiburg noch die Band "Kurzschluss" aus Radolfzell ansässig.

Im Bereich Südbaden seien mehrere kleinere Neonazi-/Skinheadkameradschaften bekannt, die laut Verfassungsschutz "derzeit jedoch keine Außenwirkung entfalten und nur wenige Mitglieder haben". Die bislang aktivste, die "Kameradschaft Kaiserstuhl-Tuniberg", habe sich in den vergangenen Jahren nur noch gelegentlich zu internen Kameradschaftstreffen zusammengefunden. Im Jahr 2005 sei sie noch Veranstalter eines rechtsextremistischen Skinheadkonzerts am 25. Juni 2005 in Bötzingen gewesen. Aufgrund polizeilichen Eingreifens wurde das Konzert jedoch am selben Abend nach Mühlacker-Lienzingen verlegt.

GEWALTTÄTIG GEHT ES IN SÜDBADEN VERGLEICHSWEISE SELTEN ZU

Bis ins Jahr 2003 hätten regelmäßig rechtsextremistische Skinheadkonzerte im Elsass unter deutscher Beteiligung stattgefunden. "Seit jedoch die dortigen Bürgermeister hinsichtlich der konspirativen Methoden der Hallenanmietungen (unter anderem Vortäuschen von Veranstaltungsgründen, Anmietung durch bislang unauffällige Szeneangehörige) sensibilisiert wurden, haben deutsche Szeneangehörige kaum mehr eine Chance, dort eine Veranstaltungslokalität zu bekommen." Skinkonzerte im Ausland würden aber weiterhin gerne besucht, da dort die Gefahr der Auflösung weit geringer sei, als in Deutschland.

Im Vergleich zu anderen Regionen treten die Rechtsradikalen in Südbaden nur selten gewalttätig auf: "Nach unseren Erkenntnissen wurden im Jahr 2008 im Bereich des Regierungspräsidiums Freiburg zwei rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten registriert. Im Jahr 2009 sind uns bislang ebenfalls zwei Gewalttaten im Regierungsbezirk Freiburg bekannt geworden", so das LfVBW.

Auch vor Landesgrenzen macht das dumpfe Gedankengut nicht Halt. So teilt das Landesamt für Verfassungsschutz in Stuttgart mit: "Kontakte von Szeneangehörigen aus dem Bereich Südbaden zu Skinheads aus dem benachbarten Ausland (Schweiz und Frankreich) bestehen schon allein aufgrund der Grenznähe, dabei handelt es sich aber nicht um feste Verflechtungen, sondern vielmehr um private Kontakte zwischen einzelnen Personen: Institutionalisierte oder irgendwie organisatorisch gefestigte Kontakte existieren nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nicht."