Wollte Neonazi Bomben bauen?

Rasierte Köpfe sind oft das Symbol für eine rechtsextreme Gesinnung. Der Südbadener, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, passt nicht in dieses Schema.
Erstveröffentlicht: 
27.08.2009

Rechtsextremismus

 

Wollte Neonazi Bomben bauen?

 

Heinz Siebold, veröffentlicht am 27.08.2009

 

Lörrach - Die Lörracher Polizei hat die Wohnung des südbadischen "Stützpunktleiters" der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, durchsucht, Beweismittel beschlagnahmt und eine Person festgenommen. Die Lörracher Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage, dass am vergangenen Sonntag bei ihr eine anonyme Anzeige eingegangen war, die den Neonazi beschuldigt, chemische Substanzen für die Produktion von gefährlichen Sprengstoffen gekauft zu haben.

 

Die Ermittlungsbehörden prüfen jetzt, ob ein Sprengstoffattentat vorbereitet werden sollte. Genaue Einzelheiten werden demnächst bekannt gegeben. Nach Informationen, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen, hat der Stützpunktleiter der Neonaziorganisation, ein 22-jähriger Mann aus Weil am Rhein, seit Ende vergangenen Jahres systematisch und zum Teil über die Adressen von anderen Rechtsextremisten, Chemikalien wie Kalkammonsalpeter, Wasserstoffperoxid, Schwefelsäure, Nitromethan und Calciumkarbid bei verschiedenen Versandfirmen in erheblichen Mengen gekauft. Zu den Helfern soll auch der Lörracher NPD-Chef gehören.

Aus den Substanzen können zusammen mit weiteren frei verkäuflichen Stoffen wie Glycerin gefährliche Sprengmittel wie Trinitrotoluol (TNT) oder Triacetat-Triperoxid (TATP) hergestellt werden. Mit Wasserstoffperoxid wollte etwa die in Düsseldorf zur Zeit vor Gericht stehende islamistische "Sauerlandgruppe" Bomben bauen. Der Neonazi aus Weil soll sich neben den chemischen Substanzen auch eine ferngesteuerte Zündanlage und Handbücher über Sprengstoffe besorgt haben. Er soll als Mitglied eines Schützenvereins legal erworbene Schusswaffen besitzen.

Das Ziel des Bombenanschlags liegt möglicherweise in Freiburg

Über die genauen Pläne des Rechtsextremisten, der nach seiner zweijährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr derzeit eine Ausbildung als Altenpfleger in Lörrach absolviert, gibt es noch keine endgültige Klarheit. Er ist erst seit Juni dieses Jahres Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten und war zuvor Skinhead und Mitglied der militanten Neonazigruppe "Freie Kräfte" Lörrach. Anlässlich der Stützpunkt-Gründung erklärte er: "Ab jetzt prangern wir Überfremdung und Ausbeutung offensiv in der Region an. Wir werden es nicht schweigend hinnehmen, dass unsere Region immer mehr verkommt, und wir in den Gesichtern der Menschen immer weniger die unseres Volkes erkennen."

Möglicherweise läge das Ziel eines eventuellen Bombenanschlags aber gar nicht im Dreiländereck, sondern in Freiburg. Denn dort gibt es eine rege antifaschistische Szene, die Aktivitäten von Rechtsextremisten bisher erfolgreich unterbunden hat.

Eine angekündigte Demonstration der NPD vor sieben Jahren war durch eine Demonstration von rund 15.000 Freiburgern verhindert worden. Auch die Gründung von Ortsgruppen wurde jeweils vereitelt. Erst vor kurzem hatte eine Gruppe, die sich Autonome Antifa nennt, die Identität des Freiburger NPD-Vorsitzenden in allen Einzelheiten enthüllt, woraufhin sich der geheime Kreisverband komplett auflöste.

In der Neonazis-Szene kursieren seit einiger Zeit wütende E-Mails gegen die "linken Zecken" und die Lörracher Neonazis, drunter auch der Chemikalienkäufer, haben mehrfach den linken Szenetreff KTS verdeckt ausspionieren wollen. Dabei ist es auch zu Tätlichkeiten gekommen. Die Stadt Freiburg scheint für die Neonazis zu einer Prestigefrage geworden zu sein, dass sie dort nicht Fuß fassen können, empfinden sie als Schmach.