Premier Abes zweifelhafte neue Freunde

Erstveröffentlicht: 
07.01.2014

Von Christoph Neidhart, Tokio.

 

Der japanische Premier ist international zunehmend isoliert und sucht deshalb neue Verbündete. Dazu gehört neben Türkeis Ministerpräsident Erdogan auch ein weiterer umstrittener Partner.

 

Drei Gipfeltreffen in acht Monaten, das deutet auf ein sehr enges Bündnis hin. Zweimal reiste der japanische Premier Shinzo Abe voriges Jahr zu Recep Tayyip Erdogan in die Türkei, und heute Dienstag empfing er seinen Amtskollegen aus Ankara in Tokio. Nachdem Abe dem Türken vor ein paar Monaten ein Kraftwerk verkauft hatte, sprachen die beiden Regierungschefs dieses Mal über eine engere Wirtschafts- und Rüstungszusammenarbeit. Auch ein Freihandelsabkommen wollen sie aushandeln.

 

Erdogan kündigte in Tokio grossspurig an, er werde das Volumen der türkischen Wirtschaft binnen der nächsten zehn Jahre verdoppeln. Abe hat den Japanern ganz ähnliche Versprechungen gemacht. Bisher hat davon jedoch bloss die Börse profitiert. Mit seinen rechtsnationalistischen Eskapaden dürfte Abe die Wirtschaft sogar gebremst haben. Erdogan kann derweil auf zehn Jahre Wirtschaftswachstum zurückblicken. Aber er muss zunächst sein politisches Überleben sichern.

 

Auch Putin ist ein bevorzugter Partner

 

Ein anderer Partner, mit dem Abe sich mehrmals getroffen hat, ist Russlands Präsident Wladimir Putin. Moskau und Tokio haben regelmässige 2+2-Gespräche vereinbart – das sind gemeinsame Treffen der Aussen- und Verteidigungsminister. Das tut Japan bisher nur mit den USA, dem Allianzpartner. Der japanische Premier besuchte auch den König von Saudiarabien, die Scheichs von Abu Dhabi und Dubai. Er war in Kambodscha und machte den korrupten Autokraten von Laos und Vietnam seine Aufwartung. In Hanoi lobte er die «gemeinsamen Werte» von Vietnam, das kommunistisch ist, und Japan, einer Demokratie. Was er damit meinte, hat er nie erklärt. Die konservative japanische Presse las es als «gemeinsam gegen China». Nächste Woche reist Abe nach Afrika.

 

Nach Westeuropa dagegen zieht es Abe weniger, schon gar nicht nach Deutschland. Im Juni war er zum G-8-Gipfel in Grossbritannien, zuvor in Dublin. Er empfing François Hollande und Italiens Premier Enrico Letta in Japan, aber mit dem französischen Präsidenten ging es um die Atomwirtschaft, ein gemeinsames Interesse. Abe und seine Leute ärgern sich über die Entscheidung der deutschen Regierung, definitiv aus der Kernenergie auszusteigen. Sie wollen auch nichts von einer vorsichtigen Finanzpolitik hören. Die diplomatische Reserve scheint gegenseitig zu sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel war zum G-8-Gipfel 2008 zum letzten Mal in Japan.

 

Distanziertes Verhältnis zu US-Präsident Obama

 

Präsident Barack Obama hielt Abe auf Halbdistanz, als dieser Washington besuchte. Drei Monate hatte Obama «keine Zeit» für den Japaner. Als er ihn endlich empfing, verweigerte er dem wichtigsten Verbündeten eine gemeinsame Pressekonferenz. Die beiden sprachen nur kurz mit einigen handverlesenen Journalisten. Auf Abes Besuch am Yasukuni-Schrein vorletzte Woche reagierte Washington empört. Der Yasukuni-Schrein ist ein japanisches Heiligtum für Kriegstote, in dem auch Kriegsverbrecher verehrt werden – deshalb ist er umstritten. Im nächsten April will Obama nach Asien reisen. Tokio werde er dabei möglicherweise auslassen, heisst es.

 

Mit Japans wichtigsten Wirtschaftspartnern, China und Südkorea, gibt es keine Kontakte auf Ministerebene. Mit dem Yasukuni-Besuch hat Abe dafür gesorgt, dass das so bleiben wird. In Peking und Seoul gilt er seither offiziell als unerwünscht. Derweil isoliert er sich gegenüber dem Westen mit seinem Nationalismus und dem Vorhaben, mit seiner geplanten neuen Verfassung die Menschenrechte einzuschränken.

 

Japan baut an Gegengewicht zu China

 

Abes Besuchsprogramm wird in Tokio mit Japans Wirtschaftsinteressen erklärt. Der Premier tritt als Handelsreisender für die Atomwirtschaft und die übrige Industrie auf. Er bringt japanische Unternehmer mit, die dann in Russland oder Südostasien investieren. Allerdings hat die Politik bei allem, was Abe tut, den Vorrang. In Südostasien, Indien und auch in Russland versucht er, ein Gegengewicht zu China aufzubauen, auch wenn er das nicht so sagt.

 

In Afrika, das Tokio bisher eher vernachlässigt hat, macht Japans Regierungschef China Konkurrenz. Zudem verkörpern Männer wie Erdogan oder Putin seine Vorstellung vom Regieren viel eher als die Westeuropäer. Oder erst recht eine Europäerin.