Explosive rechte Mischung

Erstveröffentlicht: 
28.08.2009

Analyse

 

Explosive rechte Mischung

 

Von Volker Schmidt

Warum gibt Wolfgang Schäuble keine Pressekonferenz zu diesem Erfolg im Kampf gegen den Terror? Weil der in Weil am Rhein verhaftete Bombenbastler nicht Adem oder Kadir heißt, sondern Thomas? Weil er kein Islamist ist, sondern der Nachwuchsorganisation der NPD angehört, den Jungen Nationaldemokraten?

Die Parallelen zwischen islamistischen Anschlagsplänen, etwa denen der Sauerland-Gruppe , und der kriminellen Energie von Thomas B. und seinen mutmaßlichen Komplizen liegen auf der Hand. Selbst das im Sauerland bekannt gewordene Wasserstoffperoxid taucht in Südbaden wieder auf. Zugegeben: Thomas B. ging recht unbedarft ans Werk; Hacker verfolgten über Monate minutiös seine Internet-Einkäufe. Aber die Aussagen der Sauerland-Leute lesen sich auch nicht gerade wie die Bekenntnisse ausgebuffter Terrorprofis.

Aus Fällen wie dem im Sauerland destillieren Schäuble und seine Geheimdienste das Bild einer allgegenwärtigen islamistischen Gefahr. Die Verhaftung in Südbaden geht sang- und klanglos vorüber, kein Verfassungsschützer klopft sich an die Brust, kein Minister der Ortspolizei auf die Schultern. Dabei verweist auch das Waffen- und Chemiearsenal des JN-Stützpunktleiters über den Einzelfall hinaus auf eine reale Terrorgefahr. Denn die Rhetorik der rechten Hassprediger hat sich wieder verschärft, nach einer Phase, in der die NPD als pseudodemokratische Speerspitze der Bewegung sich bürgerlich geben wollte.

Die innerparteilichen Spannungen und die anhaltende Erfolglosigkeit der NPD im Westen lassen die Hetze gegen das "Besatzungssystem", die "Judenrepublik" und gegen "Zecken" (also Andersdenkende und alle, die so aussehen) wieder anschwellen. Durchgeknallte junge Männer, die für radikales Gerede empfänglich sind, gibt es in der rechten Szene mindestens ebenso häufig wie im Publikum von Hasspredigern. Die explosive Mischung komplettiert das Internet als unerschöpflicher Quell all dessen, was der militante Staatsfeind so zum Bombenlegen braucht - von der Chemie über die Gebrauchsanleitung dazu bis zum Ganzkörper-Anzug aus dem Sexshop, mit dem Thomas B. mutmaßlich DNA-Spuren am Tatort vermeiden wollte.

Einen Unterschied in den Gewaltfantasien der Islamisten und der Rechtsextremisten immerhin gibt es: Während unter ersteren zumindest für einige die gesamte westliche Kultur das Feindbild ist, richtet sich der Hass der Neonazis gegen klare Ziele. Der gemeine rechte Bombenbastler wird kaum vorhaben, eine Fußgängerzone in ein Schlachtfeld zu verwandeln; da träfe er ja zu viele "gute Deutsche". Er wird Anschläge planen auf linke Szenetreffs, auf Treffpunkte von Migranten, auf Moscheen, vielleicht auch auf Polizeistationen.

Vielleicht ist das ja der wahre Grund, warum Schäuble den Jagderfolg in seiner baden-württembergischen Heimat nicht höher hängt: Die Gefahr rechten Terrors eignet sich kaum, dem Durchschnittsbürger jene Angst einzuflößen, mit der sich Eingriffe in seine Rechte legitimieren lassen. Er sitzt in Vorortzügen wie denen, auf die es die Kofferbomber abgesehen hatten, nicht in einer Punk-Kneipe oder beim Anatolischen Heimatverein. Es wäre fatal, wenn auch den Ermittlern ein denkbares Anschlagsziel wie der Linken-Treff in Freiburg weniger am Herzen läge als die Discos, Flughäfen und Botschaften, auf die die Sauerländer es wohl abgesehen hatten.