Beschimpfungen, Hassmails, Hausverbot in Schulen: Wie Soldaten sich in Deutschland behandeln lassen müssen. SOLDATEN Was glaubt ihr eigentlich, wer wir sind? Beschimpfungen, Hassmails, Hausverbot in Schulen: Wie Soldaten sich in Deutschland behandeln lassen müssen
Ein Gastbeitrag von Dominik Wullers
Ich habe es satt. Immer wieder bin ich mit Beleidigungen, dummen Sprüchen und Diskriminierungen konfrontiert. Nicht weil ich halb schwarz, sondern weil ich Offizier bin. Das regt mich als Bürger auf. Ich kann nicht hinnehmen, dass Menschen, die sich dem Dienst an der Allgemeinheit verschrieben haben, dafür beschimpft werden. Gerade in diesem Moment muss ich mich wieder zurückhalten, keine schneidende Antwort auf eine dieser E-Mails zu verfassen: Ja, echt klasse, was ich für die Integration in Deutschland leiste, aber mit diesem "Verein", bitte, wolle man doch nichts zu tun haben.
Ich bin ein Soldat. Ich habe geschworen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Ich betrachte die Soldaten der Bundeswehr als Schutzschilde Deutschlands, als Bürger, die bereit sind, für den Frieden und die Freiheit zu sterben. Auch für die Freiheit, uns zu verachten. Andere müssen aber auch akzeptieren, dass ich mich wehre.
Während in den USA der Veterans Day begangen wird, bei dem man Opa noch mal dafür dankt, dass er gegen die Nazis gekämpft hat, nennt man mich einen "Berufsmörder". Warum bloß verachten viele Deutsche ihre eigenen Soldaten so sehr?
Natürlich, da sind die Weltkriege, die deutsche Schuld. Aber bleiben wir doch mal im Hier und Jetzt. Was hat die Streitmacht der seit mehr als 60 Jahren friedlichen und demokratischen Bundesrepublik mit der faschistischen Wehrmacht zu? Und warum will sich anscheinend niemand mehr daran erinnern, dass unsere Demokratie erst durch die Invasion der Alliierten möglich wurde, also selbst das beste Beispiel für die gelegentliche Richtigkeit militärischer Intervention ist?
Besonders wütend macht mich die platte Anti-Bundeswehr-Haltung an Schulen. Es sind immer wieder dieselben Behauptungen und Beleidigungen, die meine Kameraden und ich im Dienst stillschweigend hinnehmen müssen. Die Bundeswehr sei faschistisch, rassistisch, kriegsverherrlichend, verderbe also die Jugend, und versuche sie auch für das Mörderhandwerk zu gewinnen. So jedenfalls sieht die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Diese 270.000 Mitglieder starke Organisation versucht mit allen Mitteln zu verhindern, dass die 97 Jugendoffiziere der Bundeswehr Schulen besuchen und über die deutsche Sicherheitspolitik berichten.
Im September 2011 beispielsweise forderte die GEW in einem Artikel unter dem Titel Kinder im Visier, Soldaten den Zugang zu Schulen grundsätzlich zu verbieten. Für solch mutiges Engagement gibt es dann auch noch Preise – etwa den Aachener Friedenspreis, der in diesem Jahr für das Zutrittsverbot an Schulen verliehen wurde –, gefördert von SPD, Grünen, Gewerkschaften und Kirchen. Herzlichen Glückwunsch! Das heißt also: Wenn Schüler nicht mehr mit Soldaten diskutieren dürfen, herrscht bald überall Frieden auf der Welt.
Gleichzeitig kann eine dogmatische Ideologie des bedingungslosen Pazifismus mit Steuergeld verbreitet werden. Nichts anderes passiert schließlich, wenn schon die Diskussion mit Soldaten als böse und falsch verweigert wird. Der Dialog ist ein Grundelement unserer Demokratie. Ein Schulverbot für die Mehrheitsmeinung des Parlaments – denn nichts anderes vertreten die Soldaten der Bundeswehr – ist ein Skandal. Dass niemand den Soldaten beispringt und alle zusehen, wie dieses demokratiefeindliche Verhalten sich breitmacht, ist es ebenfalls. Unsere Jugendoffiziere werben übrigens nicht für die Bundeswehr, sondern sie erklären die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Das interessiert aber niemanden.
Verdammt noch mal, wir Soldaten vertreten keine Partikularinteressen, sondern den deutschen Staat! Unsere Demokratie, Einigkeit und Recht und Freiheit, kurzum: uns alle. Wir repräsentieren das gesamte deutsche Volk. Wir leben die Staatsbürgerschaft und sind bereit für Menschenrechte zu kämpfen, statt nur über sie zu diskutieren!
Ein anderes Ärgernis sind die sogenannten Zivilklauseln. Sie sollen an Universitäten jegliche Zusammenarbeit zwischen Militär und Akademikern ausschließen. Neben dem offensichtlichen Eingriff in die Freiheit der Forschung, bedeutet dies, dass Entwicklungen verhindert werden, die deutschen Soldaten das Leben retten könnten. Bei einer Diskussionsveranstaltung in der Berliner Humboldt-Universität ließ das Publikum den Verteidigungsminister nicht ein einziges Argument vorbringen, sondern schrie ihn nieder. Könnte am Ende womöglich noch ein Vorurteil kippen?
Das Schlimmste ist, dass sich die Bundeswehr gegen all das nicht wehrt. Aber ich wehre mich. Als Bürger kann ich das. Es ist unhaltbar für unsere Demokratie, dass Bürger, die sich für viele Jahre dem Dienst an der Gemeinschaft verschreiben, dafür ausgegrenzt werden.
Ich selbst habe erst erkannt, dass ich Soldat bin und bleiben möchte, als ich schon Soldat war. Meine Entscheidung für den Wehrdienst fiel aus Abenteuerlust und Trotz gegen ein pazifistisches Elternhaus. Nicht die besten Gründe. Aber die Bundeswehr hat mir viel gegeben. Ehrgeiz, Disziplin – und ein Vaterland. Als halb Schwarzer habe ich mich häufig nicht heimisch gefühlt in Deutschland. In der Schule war ich ziellos und eine Zumutung für die Lehrer. Das Militär ist keinesfalls der richtige Weg für jeden. Man muss sich über die Entbehrungen des Dienstes im Klaren sein und über die eigene Bereitschaft, in den Krieg zu ziehen.
Jeder Soldat ist gegen Krieg. Denn die Soldaten sind es, die die Folgen eines Einsatzes zu tragen haben, nicht die Abgeordneten, die ihn beschließen, oder die Kriegsgegner, die die Soldaten dafür verantwortlich machen. Meine Mutter fragt mich fast wöchentlich, ob ich denn wirklich noch nach Afghanistan müsse. Ich dürfte in meinem Leben schon mehr über Sinn und Unsinn von Krieg nachgedacht haben als mancher friedensbewegte GEW-Funktionär. Deshalb weiß ich, dass manche Kriege geführt werden müssen, um uns die Freiheit zu bewahren, gegen Kriege sein zu können.
Abschließend noch ein Kommentar zum ach so weitverbreiteten Rassismus in der Bundeswehr: Das ist Bullshit. Wie in jeder Organisation gibt es auch in der Bundeswehr Idioten und geistig Arme. Nur: Im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen geht die Bundeswehr massiv gegen rechtsradikale Kameraden vor. Unter anderem mit einem eigenen Geheimdienst, dem Militärischen Abschirmdienst, der bei dem kleinsten Nazi-Verdacht eine Kaserne auf den Kopf stellt. Und wer glaubt, dass es nach einer gemeinsam durchgestandenen Gefechtsübung noch "Ausländer" gibt, hat keine Ahnung von der zusammenschweißenden Wirkung unseres Berufs.
Natürlich kann man die Bundeswehr für alles Mögliche kritisieren, man muss es sogar. Auch ich hatte anfangs Zweifel und Vorurteile. An meinem ersten Tag, auf dem Weg zum Kasernentor, verließ mich der rebellische Mut ein wenig, und ich fragte mich: War das wirklich eine gute Idee? Sind das nicht vielleicht doch alles Nazis? Plötzlich kam ein Gruppenführer vorbei, schwarz, dann ein Zugführer, ebenfalls schwarz. Ich habe angefangen, meine Vorurteile zu hinterfragen. Mit der Zeit habe ich eine Menge weißer, farbiger, männlicher, weiblicher, hetero- und homosexueller, atheistischer, muslimischer und christlicher Soldaten kennengelernt. Sie alle sind meine Kameraden. Und sie verdienen Respekt.