Passend zum Abschluß des Jahres - wo es weltweit organisierte Knastbesuche gibt - ein kritischer Blick in deutsche Geschichten linker militanter Bewegungen mit einer Erklärung der Revolutionären Zellen und Roten Zora zur Anti-Knast-Aktion gegen Firma Kreuzer, Bonn und Firma Koch, Gütersloh aus dem Jahr 1984.
An dieser Stelle solidarische Grüße an Sonja, die nach Verurteilung im sogenannten RZ-Fall seit November endlich wieder draußen ist.
In dem Sinne: Sprengt alle Knäste, auch die in Euren Köpfen - "Knastkampf, drinnen und draußen!"
Allen damit einen Guten Rutsch mit viel Power, militanteren Protest und genug Zuckerwatte für das Jahr 2014!
Knastkampf - drinnen und draußen
Der Knastkampf in Bielefeld und Preungesheim hat uns erneut klargemacht, wie wichtig der Kampf gegen die zerstörerischen Haftbedingungen ist, für die Gefangenen, aber auch für uns hier draußen. Und das nicht nur, weil viele zunehmend vom Knast bedroht sind, sondern weil Knast und "freie" Gesellschaft immer mehr zu einem einheitlichen Geflecht von Zwang, Auspressung und Zerstörung verknüpft werden:
In den Knast kommt, wer die Normen verletzt, besonders die, die das kapitalistische Eigentum nicht respektieren und über Verweigerung und Aneignung ihr Leben reproduzieren. Ca. 60.000 Menschen hat dieser Staat zur Zeit eingeknastet und es werden immer mehr, denn in Krisenzeiten ist selbst der angepriesene Weg zur freiwilligen Ausbeutung für viele versperrt. Zudem haben Werte wie Beruf, Ausbildung, Arbeit an Bedeutung und damit an Integrationskraft verloren.
Auf diese neue gesellschaftliche Situation stellt sich auch das Knastsystem ein, der Staat baut um:
Mit Mitteln des Zwangs, mit einem abgestuften System von Belohnung und Bestrafung und nach eine genauen, nach technischen Abläufen geplanten Alltag soll die Identität der Gefangenen gebrochen werden, damit sie funktionsfähig für dieses System sind oder zumindest kontrollierbar.
Mit modernsten technischen Mitteln von Isolation, Kontrolle und Überwachung wird jede Lebensäußerung festgehalten, um sie den breit angelegten Erziehungsprogrammen zu unterwerfen. Knast ist also nicht das Ende der Repressionskette, sondern integrierter Bestandteil kapitalistischer Systeme. Der Kampf dagegen ist eine Sache von drinnen und draußen.
Auch wenn die Mauern hoch sind, Knast ist kein abgeschlossenes Gebilde, außerhalb der eigentlichen Gesellschaft, sondern kann nur funktionieren, indem gesellschaftliche Institutionen, Firmen, Personen Knast von außen aufrecht erhalten: von Ärzten, Psychologen, Bullen, Schließern, die sich nach ihrem Tagwerk in "nette" Nachbarn verwandeln und so tun, als wär nichts gewesen. Oder Architekten und Bauunternehmer, die - immer sachlich - an Verbesserungen der Einmauerung arbeiten oder modernste Kanzeln mit Schießscharten für noch bessere Kontrolle und Mord in die Mauerecken setzen. Auch die Lebensmittelhändler, die mit ihrem vergammelten Gemüse, das sie draußen nicht mehr loswerden, sich drinnen dumm und dämlich verdienen. Vor allem aber honorige Firmen, die mit unsichtbaren Abteilungen in fast alle Knäste der BRD investiert haben und sich an der Knastarbeit bereichern.
Wir haben zwei dieser Firmen angegriffen: am 5.8.84 haben wir bei Firma Kreuzer einen LKW in Brand gesteckt und am 11.8.84 haben wir bei Firma Koch einen Sprengsatz gezündet.
Firma Koch in Gütersloh läßt als Subunternehmer den größten Teil der Produktion in Knästen - besonders in Hochsicherheitstrakten - herstellen. Heimarbeit und Knastarbeit sind die Produktionsformen, aus denen die Firma Koch ihre Profite zieht.
Firma Kreuzer läßt seit Jahrzehnten in den Knästen und der Psychiatrie produzieren - Kugelschreiber zsuammensetzen ist typische Knastarbeit. Anfang des Jahres wurde Kreuzer von der Firma Toteck aus Düren übernommen. Mit der Drohung eines Konkurses konnte die Hälfte der Belegschaft draußen entlassen und die Löhne der übrigen gekürzt werden. Dadurch ist es für die jetzige Besitzerin möglich, durch die weitere Verlagerung der Produktion in Psychiatrie und Knast die Mehrwertauspressung sprungartig zu steigern!
Unter härtesten Bedingungen werden die Gefangenen zu Arbeiten gezwungen, die draußen zu teuer, zu gefährlich, zu dreckig sind. Arbeiten, die nur Menschen in äußersten abhängigen Situationen aufgezwungen werden können: Frauen, die durch Heimarbeit ihre Existenz sichern müssen. Arbeiten, wie sie die Frauen in den Weltmarktfabriken Südostasiens machen müssen. Zu diesen Arbeiten der privaten Wirtschaft werden 56% der Gefangenen gezwungen, davon 60% innerhalb und 40% außerhalb der Knäste. Durch die Beschneidung der sozialen Lebensäußerungen und der Kontakte erscheint die Arbeit oft als einzige Möglichkeit der Betätigung. Zudem ist die Zwangsarbeit im Knast für viele die einzige Möglichkeit, um überhaupt an etwas Kohle ranzukommen, für den Einkauf.
Die wenigsten Arbeiten gehören zu den begehrteren, zu denen man oder frau nur bei Wohlverhalten eingeteilt wird. In Wäschereien, Schlossereien, Büchereien und Küche gibt es die Möglichkeit, mal mit anderen zu reden und nicht nur immer allein auf der Zelle die stumpfsinnigsten Arbeiten im Akkord zu verrichten. 3.000 Stecker - oder ab in die Zelle ohne Fenster, ohne Licht, ohne Laut und Luft! Das soll dann die allerletzte Perspektive für die Überausbeutung im Knast sein. Die Firmen nützen das aus und machen sich zum Komplizen des Knastes. Nur bei Erreichung des Pensums kriegen die Knackis 5. DM bis 7, DM pro Tag, den Rest streicht die Knastverwaltung ein.
Das Arbeitszwangsystem im Knast ist der deutlichste Ausdruck, was das Kapital mit seiner "Wende " eigentlich anstrebt, es schaltet von den subtilen Zwängen des "Sozialstaates" auf ein System abgestufter Gewalt bis hin zu den Formen völliger Kontrolle und Zerstörung. Verelendung oder Zwangsarbeit auf Friedhöfen, das ist die neue Alternative für den Sozialhilfeempfänger. Überausbeutung und Deportation, das ist die Alternative für Heer illegalisierter Immigranten. Hungerlohn oder Tod im türkischen Knast, das ist die Alternative für die illegalisierten abgelehnten Asylanten.
Zwangsarbeit drinnen und draußen, Zerschlagen von kollektiven Kommunikations- und Handlungsstrukturen, Isolation und Vereinzelung im Alltag, in der Arbeit: Zellenarbeit - Heimarbeit, so daß die Menschen ihre Unterdrückung und Ausbeutung immer weniger gemeinsam erfahren, vereinzelt und gegeneinander ausgespielt werden, während die Überwachung und Kontrolle über Datensammeln und Zentralisierung immer mehr zu einem Erfassungssystem ausgebaut werden.
Der Kampf der Bielefelder Traktgefangenen hat zwei wichtige Dinge aufgedeckt. Trotz des hartnäckigen Widerstandes in verschiedenen Knästen gegen Arbeit und Überwachung, arbeitet das Knastsystem fieberhaft daran, die Techniken der Überwachung und Isolation im Hochsicherheitstrakt voranzutreiben. Dieser wird aber nicht nur gegen die "politischen" Gefangenen, sondern auch gegen die "sozialen" Gefangenen eingesetzt - als politischer Angriff gegen alle, die sich gegen die Strategien des Arbeitszwangs und der Zerstörung zur Wehr setzen.Es geht darum, diese angefangene Richtung des Knastkampfes weiterzuentwickeln - gemeinsam - drinnen und draußen!
Revolutionäre Zellen und Rote Zora