Die türkische Regierung rutscht wegen des Korruptionsskandals immer tiefer in die Krise. Überraschend treten drei Minister zurück und auch Rücktrittsforderungen gegen Regierungschef Erdogan werden laut.
Der Korruptionsskandal in der Türkei stellt die Regierung vor eine der schwersten politischen Krisen der vergangenen zehn Jahre. Drei Minister haben heute überraschend ihren Rücktritt eingereicht, nachdem ihre Söhne bei Ermittlungen festgenommen worden waren. Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, Innenminister Muammer Güler und der Minister für Umwelt und Stadtentwicklung, Erdogan Bayraktar, gaben ihre Ämter auf, wiesen aber jegliches Fehlverhalten zurück. Bayraktar legte selbst Regierungschef Recep Tayyip Erdogan den Rücktritt nahe.
Die Minister sprachen wie Erdogan zuvor von einer «dreckigen Verschwörung». Die Söhne von Caglayan und Güler gehören zusammen mit dem Chef der staatlichen Halkbank zu 24 Verdächtigen, die unter Bestechungsvorwürfen verhaftet wurden. Bayraktars Sohn wurde festgenommen, bald darauf aber entlassen. Neben den Ministersöhnen gehört auch der Chef der Halkbank zu den 24 Festgenommenen. Medienberichten zufolge wurden in seinem Haus umgerechnet 3,3 Millionen Euro Bargeld sichergestellt, das in Schuhkartons gelagert gewesen sei.
Minister: Erdogan hat Projekten zugestimmt
Eine Regierungsumbildung war erwartet worden, die Rücktritte kamen dennoch plötzlich. Bayraktar wies in einem Gespräch mit dem Sender NTV persönliche Fehltritte von sich. Er sei von Erdogan zum Rücktritt gedrängt worden, sagte er. Doch habe der Ministerpräsident selbst zahlreichen Bauprojekten zugestimmt, die nun in das Fadenkreuz der Korruptionsermittler gelangt seien. Er glaube, der «geschätzte Ministerpräsident» solle selbst zurücktreten, erklärte Bayraktar.
Cagloyan stellte die Rechtmässigkeit der Ermittlungen infrage, bei denen es um Schwarzgeldtransfer in den Iran und mutmassliche Bestechungen bei Bauprojekten geht. «Es ist klar, dass diese Operation eine dreckige Verschwörung gegen unsere Regierung, unsere Partei und unser Land ist», teilte er laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu mit. «Ich verlasse mein Amt als Wirtschaftsminister, um dieses hässliche Komplott zu vereiteln, das meine Kollegen und meinen Sohn einbezogen hat, und um die Wahrheit ans Licht kommen zu lassen.»
Erdogan spricht erneut von Verschwörung
Ministerpräsident Erdogan bekräftigte seine Entschlossenheit im Kampf gegen die Korruption. Zugleich unterstützte er Cagloyans Vorwürfe einer internationalen Verschwörung, an der sich die Medien und «Banden» in der Türkei beteiligt haben sollen.
Es gebe Medienunternehmen, Organisationen und Banden, die als Spione auf verräterische Weise arbeiteten und dabei mehr an die Interessen anderer denken würden, als an die des eigenen Landes, sagte er.
Machtprobe mit der Polizei
Die Affäre ist zu einer Machtprobe der Regierung mit Justiz und Polizei geworden, denen Erdogan vorwirft, die Affäre inszeniert zu haben, um seiner Regierung zu schaden. Erdogan entliess in der Folge der Ermittlungen dutzende Polizeichefs.
Die Erdogan-kritische Zeitung «Today's Zaman» berichtete, 400 weitere Polizisten, die in Istanbul mit den Ermittlungen befasst seien, würden versetzt. Damit seien seit den Grossrazzien landesweit mehr als 500 Polizisten ihrer Posten enthoben worden.
Machtkampf im Hintergrund
Hinter der Affäre steckt offenbar ein Machtkampf zwischen Erdogan und den Anhängern des extrem einflussreichen islamischen Predigers Fetullah Gülen, die besonders zahlreich sind in Justiz und Polizei.
Den Festgenommenen wird vorgeworfen, einem kriminellen Ring angehört zu haben, der die Bestechung von Politikern organisiert haben soll, um illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen. Die Affäre reicht weit in die politische und wirtschaftliche Elite hinein.
So sind unter den Verdächtigen der Bürgermeister des konservativen Istanbuler Stadtteils Fatih, Mustafa Demir, und der bekannte Bauunternehmer Ali Agaoglu. Mitauslöser des Konflikts waren Pläne der Regierung, ein Netzwerk von Schulen der Gülen-Bewegung zu schliessen. Die landesweite Bewegung hat bisher Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bei den Wahlen stets unterstützt.