Fackelmarsch vor Asylbewerberheim

Erstveröffentlicht: 
19.12.2013

Schneeberg ist ansteckend, der Bürgermob zündelt jetzt auch in Leipzig

Am Mittwochabend marschierten etwa 30 Nazis vor die Flüchtlingsunterkunft in Schönefeld. Mit Fackeln und Transparenten. Die Polizei ließ die Demonstration laufen.

 

Sie wollen kein Asylbewerberheim und sie seien schließlich das Volk, wurde wieder gebrüllt. Diese Botschaft wird in letzter Zeit gerne mit Fackeln vor Flüchtlingsheime getragen, wenn der Mob zeigen will, wie ernst ihm diese Sache ist und was noch passieren könnte, wenn nicht endlich der »Bürgerwille« die »Asyl-Lobby« bricht. Und es sieht wohl nicht zufällig so aus, als würden die Fackelträger etwas anzünden wollen. Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen – diese Assoziationen sind, wenn nicht gewollt, dann doch unvermeidbar. Der gemeine Deutsche ist zurück.

 

»Ganz spontan« sollen die 30 bis 40 Menschen laut Polizeiangaben am Mittwochabend vor die neu eingerichtete Notunterkunft in Schönefeld gezogen sein. Nach einer Versammlung der »Elterngemeinschaft« gegen das Asylbewerberheim hatte man also spontan Lust bekommen, noch mal vor das Asylbewerberheim zu ziehen. Fackeln und Transparente, auf denen »Kinderschutz vor Asylrecht« steht, hat der aggressive Bürger also immer in der Tasche und die NPD selbstverständlich an seiner Seite.

 

Enrico Böhm, gescheiterter Stadtratskandidat der NPD, fand sich also spontan ein, um diese Kundgebung gegen die Unterkunft anzumelden. Obwohl der ehemalige Fußballaktivist von LOK und mutmaßliches Mitglied der nazistischen Fangruppe Blue Caps bei den Leipziger Ordnungsbehörden in der Vergangenheit aufgrund seiner Vorstrafen wegen Gewaltdelikten als Anmelder gescheitert war, lief diese Veranstaltung aus seiner Sicht wahrscheinlich hervorragend.

Als seine Kundgebung an der Kreuzung Volksgartenstraße/Ecke Löbauer Straße planmäßig um kurz nach 19 Uhr beendet wurde, hatte der Mob noch einmal unter lockerem Polizeischutz die Gelegenheit, an der Frontseite des Asylbewerberheim vorbeizuziehen und lautstark Parolen zu skandieren, während sich die unterbesetzte Polizei vor allem mit den Nazi-Gegnern beschäftigte.

 

Juliane Nagel, Stadträtin der Linken, wirft der Polizei mangelndes Fingerspitzengefühl und Ignoranz gegenüber gezielten Einschüchterungs-Aktionen gegenüber den Bewohnern der Unterkunft vor. »Es ist mir unerklärlich, wie die Polizei diese Bedrohung der Asylsuchenden zulassen konnte.«

Warum die Polizei diesen Demonstrationszug laufen ließ, ist unklar, Einsatzleiter Sebastian Küchler wollte sich zu polizeitaktischen Fragen jedenfalls nicht äußern. Dass an diesem Abend nicht mehr passierte, ist wohl den Sicherheitskräften des Asylbewerberheims und nicht zuletzt den etwa 100 Gegendemonstranten zu verdanken, die sich auf der vorher angemeldeten Kundgebung der Initiative Refugees Welcome versammelt hatten. Auch nachdem die Polizei die Asylgegner in eine Straßenbahn verfrachtet hatte, blieben sie bis in den späten Abend vor Ort, weil Angriffe auf das Asylbewerberheim befürchtet wurden. Einsatzleiter Sebastian Küchler sah für diese Befürchtung keinen Anlass.

 

Die anonyme »Elterngemeinschaft« schiebt im Kampf gegen das Asylbewerberheim indes weiter ihre Kinder vor sich her. Einen Dialog zwischen den Bewohnern der Asylunterkunft und Schülern der Astrid-Lindgren-Grundschule lehnen sie ab, heißt es in einem Brief. Die Grundschule plant einen Besuch der Unterkunft, die »Elterngemeinschaft« warnt deswegen vor den mangelnden Sprachkenntnissen und fürchtet vermeintliche Krankheiten der Bewohner.