Nach langem Zögern hat sich Ankara zur Rücknahme von Flüchtlingen verpflichtet, die über die Türkei in die EU gelangen. Im Gegenzug können Türken auf Visafreiheit hoffen.
Inga Rogg, Istanbul
Die Türkei und die Europäische Union (EU) haben am Montag in Ankara ein Abkommen über die Rücknahme von Flüchtlingen unterzeichnet. Gleichzeitig vereinbarten die beiden Seiten, Gespräche über Reiseerleichterungen für türkische Staatsbürger aufzunehmen. Auf türkischer Seite hob man vor allem diesen Aspekt hervor. Die Vereinbarung sei ein Meilenstein in den Beziehungen mit der EU, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Das Tor für Reisen nach Europa ohne Visum stehe nun offen.
Seit acht Jahren verhandeln Brüssel und Ankara über einen Beitritt der Türkei zur EU. Die Verhandlungen gerieten jedoch wegen der Zypernfrage und wegen der ablehnenden Haltung Frankreichs und Deutschlands gegen eine türkische EU-Vollmitgliedschaft immer wieder ins Stocken. Erst im Oktober haben beide Seiten die Gespräche über ein weiteres Beitrittskapitel eröffnet, nachdem Paris sein Veto zurückgezogen hatte. Am Montag kündigte Erdogan an, der französische Präsident François Hollande werde im Januar die Türkei besuchen. Erdogan selbst will demnächst nach Brüssel reisen, um den Beziehungen mit der EU neuen Schwung zu verleihen. Damit deutete der Regierungschef einen möglichen Kurswechsel an, obwohl er in letzter Zeit wenig Reformeifer an den Tag legte und sich eher nach Osten als nach Westen wandte.
Die Türken können frühestens 2017 mit dem Wegfallen des Visumszwangs rechnen. Die EU hat Erleichterungen an die Erfüllung des Rücknahmeabkommens geknüpft. Für Ankara wird das eine Herkulesaufgabe. Die Türkei ist nicht nur eines der wichtigsten Aufnahmeländer, sondern auch eines der wichtigsten Transitländer für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Laut einem Bericht der EU-Agentur Frontex ist die Zahl der Bootsflüchtlinge zwischen der Türkei und Griechenland im letzten Jahr um 912 Prozent gestiegen. Bulgarien kämpft ebenfalls mit dem Zustrom vor allem von Syrern über die Türkei.
Beide Länder drängen seit längerem auf stärkere türkische Grenzkontrollen. Die EU wird die Kosten für die Rückführung sowie die Errichtung von allfälligen Auffanglagern übernehmen. Anspruch auf Asyl im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention haben die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in der Türkei jedoch nicht. Zwar fordert Brüssel seit langem eine Reform des überholten türkischen Rechts, Ankara lehnt dies aber weiterhin ab.