Seit
April diesen Jahres läuft nun unsere Kampagne gegen den
Afghanistan-Krieg, zum Bundeswehr-Bombenmassaker von Kunduz und dem
Entschädigungsprozess der Hinterbliebenen. In diesen acht Monaten
hat es viele unterschiedliche Aktionen in Bonn, Köln und
einigen anderen Städten gegeben. Aus Anlass des Unteils des Bonner Landgerichts von heute veröffentlichen wir hier eine Erklärung zum stand der Kampagne.
Erklärung zur Kampagne gegen den Afghanistan-Krieg von Antikapitalistiche Aktion Bonn und Rote Aktion Köln
„Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ Bertolt Brecht
Seit April diesen Jahres läuft nun unsere Kampagne gegen den Afghanistan-Krieg, zum Bundeswehr-Bombenmassaker von Kunduz und dem Entschädigungsprozess der Hinterbliebenen. In diesen acht Monaten hat es viele unterschiedliche Aktionen in Bonn, Köln und einigen anderen Städten gegeben.
Alle Aktionen, die stattfanden, hatten ein gemeinsames Ziel: Die Schweigemauer des Staates zu durchbrechen und die Kriegslügen der Bundeswehr und der NATO in der Öffentlichkeit zu entlarven. Die Lügen vom „humanitären“ Krieg für „Menschenrechte“ und „Demokratie“ zur „Befreiung Afghanistans“ wollten wir angreifen, indem wir das Massaker von Kunduz als Beispiel für die grausame Realität des Afghanistan-Krieges zurück in die Öffentlichkeit brachten.
Kein Krieg für Profit!
Wir nutzten die Kampagne um zu zeigen, dass NATO und Bundeswehr einen Krieg führen, der in Wahrheit hunderttausende Afghaninnen und Afghanen ermordet und in die Flucht getrieben hat, dass Afghanistan heute von einer westlichen, antidemokratischen Marionettenregierung beherrscht wird. Wir nutzten die Kampagne um deutlich zu machen, dass die NATO-Staaten den Afghanistankrieg genauso wie den Irakkrieg führen, weil sie danach streben die Reichtümer der Welt, die rohstoffreichste Region des Nahen und Mittleren Ostens zu kontrollieren und sie ganz besonders vor ihren imperialistischen Konkurrenten Russland, China und Iran zu „sichern“. Denn Rohstoffkontrolle bedeutet Maximalprofite für die Banken und Großkonzerne der Besatzer-Staaten und führt auch zu entscheidenden militärischen Vorteilen.
Im Rahmen der Kampagne zeigten wir auch, dass Banken und Großkonzerne, besonders aber die Rüstungskonzerne der NATO-Staaten etliche Milliarden Euro mit dem Afghanistan-Krieg erbeuten. Auch wenn auf Grund des Widerstands der afghanischen Bevölkerung gegen die Besatzung (der viel breiter und tiefer ist als die fundamentalistischen Taliban) weder die afghanischen Rohstoffe genutzt werden können noch sichere Transportwege geschaffen wurden: Der Afghanistan Krieg ist für westliche Banken und Konzerne ein lohnender Raubzug. Zudem haben die neuen Kolonialmächte Afghanistan in einen Truppenstützpunkt verwandelt, von dem ausgehend sie weitere Raubzüge, wie z.B. gegen den Iran führen können.
Es war uns in der Kampagne auch sehr wichtig einen Teil zur Unterstützung der Hinterbliebenen Afghanischen Opfer der Bundeswehr-Bombenmassaker von Kunduz beizutragen. Öffentlichkeit zu schaffen sahen wir als das bestes Mittel um Druck auf die Gerichte auszuüben und die Stimme der Familien der Opfer zu verstärken.
Kein Vergeben, Kein Vergessen - Mörder haben Namen und Adressen
Anfangs veröffentlichten wir einen „Steckbrief“ des Bundeswehrgenerals Georg Klein: dem Befehlsgeber des Bundeswehr-Massakers in Kunduz, dem Mörder der über 130 afghanischen Zivilisten. Auf dem Steckbrief stand der Aufruf den Wohnort des Mörders ausfindig zu machen. Solche „Steckbriefe“ gab es auch in Form von Plakaten und Transparenten und sie tauchten im Sommer und Herbst immer wieder in Köln und Bonn auf. Regelmäßig wurden sie von selbsternannten Hilfssheriffs entfernt und sogar Feldjäger der Bundeswehr waren in Bonn unterwegs und rissen Plakate ab um deren Inhalt vor der Öffentlichkeit zu verbergen.
Auch der politische Polizei trat schnell auf den Plan. Beim Plakate aufhängen wurde eine Antimilitaristin von der Polizei festgenommen und anschließend stundenlang illegal vom Staatsschutz verhört und psychisch gefoltert, eine illegale Hausdurchsuchung folgte, die nur durch das Eingreifen einiger GenossInnen in letzer Minute verhindert werden konnte. Ein großer Teil der linken Kräfte in Bonn reagierte auf diese Repression mit einer gemeinsamen öffentlichen Veranstaltung zum Thema „Deutschland auf dem Weg zum Polizeistaat“. Mit knapp 150 Teilnehmern war diese Veranstaltung in der Universität ein voller Erfolg. Aber auch stadtübergreifend gab es Solidarität. So fiel es uns leichter uns nicht einschüchtern lassen.
Aufgescheucht von den Steckbriefen tauchte die Polizei am Anfang auch bei unseren Infotischen auf, um unser Material zu beschlagnahmen. Damit wurden die Steckbriefe und Flugblätter für alle umstehenden Passanten jedoch nur noch interessanter. Relativ bald darauf musste die Bonner Staatsanwaltschaft eingestehen, dass unsere Steckbriefe legal sind. So konnte sich die Bonner Polizei im weiteren nur darauf beschränken nachts mit dutzenden Beamten die Stadt zu durchkämmen auf der Suche nach Plakatier-Teams.
Der Kunduz-Prozess vor dem Landgericht Bonn
Nach einer Reihe von Filmabenden war der Höhepunkt unserer Veranstaltungsreihe war die Podiumsdiskussion mit dem Anwalt der Opfer, Karim Popal, und einer Vertreterin der KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten in der Universität.
Der blutige Krieg wurde für die Bonner Bevölkerung auch farblich sichtbar gemacht. Zahlreiche Markierungen und Graffitis tauchten im Stadtgebiet auf, z.B. am Bonner Landgericht und in der Godesberger Bahnhofsunterführung. Diese Aktionen fanden ein breites Medienecho und trugen so dazu bei, dass die Verbrechen, die der deutsche Staat begeht, ein Stück mehr in die Öffentlichkeit getragen wurden. Zynischerweise halten einzelne Behörden und Medienvertreter die „Sauberkeit“ so mancher Gebäudefassade für schützenswerter als die Leben der mehr als 130 in Kunduz bei lebendigem Leibe verbrannten Afghaninnen und Afghanen. Sofort trat wieder der Staatsschutz in Aktion, diesmal mit Unterstützung der Presse: Der Bonner Generalanzeiger veröffentlichte gleich zweimal eine Staatsschutz-Hotline zur „Ermittlung der Täter“.
Zum
Prozesstag am 30.10. organisierten wir gemeinsam mit vielen anderen
Anti-Kriegs-Initiativen eine Kundgebung
vor dem Bonner Landgericht.
Obwohl der Termin mitten unter der Woche und mitten in der
Kernarbeitszeit lag, beteiligten sich mehr als 120 Menschen an dem
Protest vor dem Landgericht. Auch die Medienaufmerksamkeit war groß.
Auf großen Transparenten waren die drei Forderungen des Bündnisses
nach „Entschädigung
für die Opfer des Kunduz-Massakers“,
„Strafverfolgung
deutscher Kriegsverbrecher wie General Klein“
und nach „Abzug
aller Bundeswehr- und Nato-Truppen aus Afghanistan“
deutlich zu sehen.
Denjenigen verurteilen, über den die Deutsche Justiz schweigt
Das Entfernen und die Konfiszierung unserer Plakate, sowie die Verfolgung durch Polizei und Staatsschutz konnte nichts daran ändern, dass wir schließlich doch Hinweise auf den Wohnort des Kriegsverbrechers Georg Klein bekamen: Er wohnt am Rathenauplatz 31a in Köln und arbeitet in der Lüttich-Kaserne in Köln-Longerich.
Gemeinsam mit einem breiten Bündnis gegen den Afghanistankrieg trugen wir am 30.11. schließlich den Protest direkt vor die Haustür des Kriegsverbrechers. Sein Namensschild war mittlerweile entfernt worden. Für uns ist es ein Erfolg, dass der Mörder sich vor der Öffentlichkeit verstecken muss, das bestärkt uns darin, dass wir mit unserer Kampagne einen wunden Punkt der deutschen Kriegspolitik getroffen haben. Vor seiner (ehemaligen?) Wohnung hielten wir mit einem „Tribunal gegen den Krieg“ symbolisch Gericht wo die deutsche Justiz schwieg. Wir wiesen hier auf die Rolle von Georg Klein hin, ebenso wie auf die Rolle von anderen deutschen Kriegstreibern und Kriegsprofiteuren. Am Ende der Kundgebung wurden die Namen der afghanischen Opfer des Massakers verlesen. Wir wollten zeigen, dass die Opfer ebenfalls keine Unbekannten sind, sondern dass sie einen Namen, eine Familie und eine Gesicht haben. Wir wollten zeigen, dass deutsche Kriegsverbrecher keine Unbekannten sind, dass sie sich nicht verstecken können, dass man sie finden kann und sie den Opfern und der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig sind.
Bei einer angemeldeten Kundgebung in Köln-Kalk, bei der eine handvoll KriegsgegnerInnen Flugblätter verteilten, um zu dieser Aktion vor Kleins Wohnung einzuladen, tauchten zwei Polizeibeamte auf - nach eigener Angabe Angehörige der Staatsschutzabteilung. Sie nahmen die Personalien aller anwesender AktivistInnen auf und konfiszierten ein Transparent, mit Georg Kleins Gesicht und der Aufschrift "WANTED - Mörder an 150 afghanischen ZivilistInnen". Der Anmelderin der Kundgebung wurde ein Strafverfahren aufgrund von § 89 StGB angedroht.
Wir zitieren aus dem
Gesetzestext:
"Wer auf Angehörige der Bundeswehr oder eines öffentlichen Sicherheitsorgans planmäßig einwirkt, um deren pflichtmäßige Bereitschaft zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung zu untergraben, [...] wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." (§ 89 StGB, Abs. 1)
Dass der Staatsschutz bereits behauptet, unsere politische Arbeit wirke zersetzend und sei dazu geeignet, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr "zu untergraben" betrachten wir als großes Lob von unerwarteter Seite.
Klein und der deutsche Staat reingewaschen - der Widerstand wird fortgesetzt
Am 11.12.2013 wurde das Urteil verkündet: Das Bonner Landgericht hat die Klage der Hinterbliebenen der Opfer auf Schadensersatz abgewiesen.
Nachdem die deutschen Gerichte alle Versuche, Georg Klein strafrechtlich zu verfolgen, unterbunden haben, hat auch das Bonner Landgericht die Kriegsverbrecher des deutschen Staates aus der Schusslinie genommen. Der Richter konnte kein "schuldhaftes Verhalten" bei Bundeswehrgeneral Georg Klein erkennen. Um diese juristische Einschätzung zu rechtfertigen, musste das Bonner Landgericht heute verschiedene Beweise zurecht biegen, beispielsweise wurde die dokumentierte Anweisung Kleins "Wir wollen versuchen die Leute zu treffen." ignoriert und behauptet, dass Klein lediglich auf die Tanklaster gezielt habe.
Außerdem berief sich das Gericht darauf, dass Völkerrechtsverletzungen nicht als Grundlage für die Klagen und "Ansprüche" von Einzelpersonen wie den Familien der Getöteten dienen könne. Das Gericht führte abgewiesene Klagen von Angehörigen der in Griechenland bei dem SS-Massaker von Distomo Ermordeten als einschlägige Urteile an. Diese Rechtssprechung hat also lange Tradition in Deutschland.
Dieses Urteil ist ein politisches Urteil, um die Moral der Bundeswehrsoldaten im Kriegseinsatz nicht zu untergraben, um die Fassade eines sauberen Krieges für Menschenrechte an der Heimatfront aufrecht zu erhalten und um juristisch den Weg für die nächsten straflosen Kriegsverbrechen der Bundeswehr zu ebnen.
Die Anwälte der afghanischen Familien haben bereits angekündigt, dass das Verfahren fortgesetzt wird. Die nächste Instanz ist das Oberlandesgericht in Köln. Wie wir wissen, können wir uns nicht auf die bürgerlichen Gerichte verlassen und es bleibt unsere Aufgabe, den Kampf gegen imperialstische Kriege und ihre unvermeidlichen Früchte wie das Kunduz-Massaker zu führen.
Mit unserer Kampagne haben wir gezeigt, dass der Afghanistan Krieg hier in Deutschland vor unserer Haustüre beginnt, hier geführt wird und wir diesem Krieg auch hier in Deutschland etwas entgegensetzen können.