Seit Montag finden sich auf dem Bochumer Uni-Campus Plakate, Flyer und Aufkleber, die auf einen bekannten Neonazi aufmerksam machen, der seit diesem Semester an der Ruhr-Universität studiert. Die Linke Liste begrüßt es, wenn über neonazistische Tendenzen an der Hochschule aufgeklärt wird. Gleichzeitig fordert sie die Uni-Leitung auf, dem Vorbild der Universität Bielefeld zu folgen und ein Programm gegen Neonazismus an der Uni aufzulegen.
In einer ersten Stellungnahme hat der Fachschaftsrat Jura die Aktivitäten des Neonazis Michael Brück mit der abstrakten Formulierung "parteipolitisches Engagement" verharmlost. Das geschah, obwohl Michael Brück selbst vom Innenministerium NRW als "stellvertretende Führungsfigur" der inzwischen verbotenen militanten Nazi-Gruppe "Nationaler Widerstand Dortmund" bezeichnet wird. In der Verbotsverfügung vom 10.08.2012 nennt das Innenministerium Brück auf Seite 24 namentlich und führt anschließend auf, welche weiteren Funktionen er für die inzwischen verbotene Organisation übernommen hat: "Redner, Anmelder von Demonstrationen und Standkundgebungen, Handzettelverteilaktionen, jetztiger Verantwortlicher des Resistore-Verlages". Heute betreibt Michael Brück den neonazistischen Internet-Versandhandel antisem.it und versorgt so bundesweit militante Rechte mit Propagandamaterial und Waffen (Reizgas). Ihm wird die Teilnahme an mehreren gewalttätigen Übergriffen zur Last gelegt.
Welche Verbindungen der "Nationale Widerstand Dortmund" zu der rechten Terrorzelle NSU unterhalten hat, ist bis heute nicht endgültig aufgeklärt. Vor diesem Hintergrund und angesichts ansteigender rechter Gewalt insgesamt halten wir es für gefährlich, die Aktivitäten von Neonazis als „parteipolitisches Engagement“ zu bagatellisieren. Rechte Politik und mörderische Gewalt lassen sich angesichts von 184 rechten Morden seit den 1990ern nicht trennen. Die Neonazi-Partei „Die Rechte“, in der Brück in erster Reihe aktiv ist, ist der offensichtliche Versuch, dem verbotenen und gewalttätig militanten „Nationalen Widerstand Dortmund“ einen legalen Anstrich zu verpassen.
Internet-Video scheint Professor zu belasten
Während wir also froh sind, dass wir über die Anwesenheit von Nazi-Kadern informiert worden sind, bedauern wir es sehr, dass es während der Outing-Aktion zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kam. Dabei weisen wir darauf hin, dass die bisher verfügbaren Videos keineswegs das Bild von angreifenden Demonstrant_innen bestätigen. Im Internet kursierende Handy-Videos von der Aktion legen die Deutung nahe, dass es der Jura-Professor Georg Borges und einzelne Studierende sind, die zuerst Gewalt gegen die als Weihnachtsmänner verkleideten Teilnehmer_innen des Flashmobs einsetzten. Bisher deutet alles darauf hin, dass ein Aushalten dieser kurzen Seminarunterbrechung die Gewalt sogar ganz hätte verhindern können. Wir bedauern, dass die Berichterstattung über diesen Zwischenfall die Auseinandersetzung mit der Anwesenheit eines führenden Neonazis an der Ruhr-Universität in den Hintergrund rückt.
Keine Vertuschung - Rektorat muss handeln!
Anstatt mit Maßnahmen gegen Neonazismus auf die jetzt vorliegenden Informationen zu reagieren, gibt sich das Rektorat der Ruhr-Uni aktuell alle Mühe, die aufklärenden Plakate und Flugblätter vom Campus zu entfernen - obwohl Michael Brück als Kandidat und Vorstandmitglied der Neonazi-Partei "Die Rechte" eine "Person des öffentlichen Lebens" darstellt, und eine Berichterstattung in Wort und Bild über ihn damit berechtigt ist. Die Linke Liste kritisiert, dass das Rektorat Brücks gut belegte und sogar vom Innenministerium NRW bestätigten Aktivitäten zu bloßen Mutmaßungen erklärt und statt von Neonazismus abstrakt von "Extremismus" spricht. Wir halten es für zynisch, dass sich die Forderung, „dass sich jeder auf dem Campus sicher fühlen und frei bewegen kann“, primär auf einen militanten Neonazi bezieht, und nicht auf die, die von Neonazis wie Brück bedroht und angegriffen werden.
Es geht auch anders
Die Linke Liste fordert, dass die Uni-Leitung ein Programm gegen Neonazis an der Hochschule auflegt. Dabei kann sie sich ein Beispiel an der Universität Bielefeld nehmen. Nachdem dort durch eine Outing-Aktion die Anwesenheit von Neonazis bekannt geworden ist, finden an der Hochschule Schulungen für Mitarbeiter_innen und Studierende statt, um Neonazis die Bühne in Seminaren zu entziehen. Das Ziel: Menschenfeindliche Gedanken sollen frühzeitig erkannt werden, damit aktiv interveniert werden kann. Außerdem hat das Bielefelder Rektorat in einem Begrüßungspaket zum Start des Wintersemesters eine Postkarte an Studienanfänger_innen verteilt. Die Botschaft auf der Vorderseite: "Ich will eine Uni ohne Nazis!" "Uni ohne Nazis" kann als Anstecker abgenommen und als Bekenntnis an der Kleidung getragen werden. Nicht nur, aber auch, wenn Neonazis im eigenen Hörsaal sitzen. Wir fordern das Rektorat auf, einen ähnlichen Plan für die Ruhr-Universität Bochum vorzustellen.
Wir wollen an einer Uni studieren, die nicht vor der extremen Rechten einknickt und Nazis schützt, sondern die klar Stellung gegen Neonazismus bezieht. Wir als Linke Liste unterstützen dies als Teil des Engagements gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen menschenverachtender Gesinnung ausdrücklich!