BRÜSSEL – Die EU ringt mit einer Antwort auf die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa im Oktober. Nach dem Unglück setzt die EU auf mehr Kontrollen und Abkommen mit Drittstaaten. Von Peter Riesbeck.
Die Priorität, die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Lampedusa-Berichts setzte, war überraschend. Als erstes nannte sie Abkommen mit Drittstaaten. Mit andern Worten: Die Flüchtlinge sollen draußen bleiben. Für den Schutz der Außengrenzen sollen insgesamt 50 Millionen Euro bereitgestellt werden, allein 30 Millionen soll Italien erhalten.
Im Entwurf für ihr Fünf-Punkte-Programm hatte Malmström die Abkommen noch an die hinterste Stelle gesetzt. Aber die Mitgliedstaaten machten Druck. So reagierte Malmström und setzte neue Prioritäten. Mit Marokko gibt es bereits einen entsprechenden Vertrag über das Abfangen von Flüchtlingen, mit Tunesien wurde er am Mittwoch besiegelt. Mit Libyen soll verhandelt werden. Stolz berichten EU-Diplomaten davon, dass Flüchtlingslager in Nordafrika schon UN-Standards erfüllten, schrittweise sollen die Unterkünfte auf EU-Niveau angehoben werden. „Die Kommission hat aus der Katastrophe von Lampedusa nichts gelernt“, rügte die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller.
Debatte um humanitäre Visa
Nach dem Flüchtlingsunglück vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa Anfang Oktober hatte die EU eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Malmström stellte nun die Ergebnisse der sogenannten Taskforce Lampedusa vor. So setzt die EU künftig auf stärkere Patrouillen zwischen Zypern und Spanien, allein diese Maßnahme soll rund 14 Millionen Euro kosten. Anfang Dezember hatte das Grenzsystem Eurosur in den südlichen Mitgliedstaaten seine Arbeit aufgenommen, das die Außengrenzen mit Drohnen und Satelliten überwacht.
Malmström regte an, in Krisenfällen wie in Syrien humanitäre Visa auszugeben. Auch soll geprüft werden, ob Asylanträge aus dem Ausland gestellt werden können. Allerdings regt sich dagegen Widerstand in den Mitgliedstaaten. So hatte Österreich mit einem entsprechenden Verfahren einst keine guten Erfahrungen gemacht.
An diesem Donnerstag sollen die EU-Innenminister über die Vorschläge beraten. Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber regte an, die Frontex zu einer EU-Küstenwache auszubauen. „Heute tragen in erster Linie die Mitgliedstaaten selbst die Verantwortung für die Sicherung der Außengrenze. Dieser Aufgabe müssen sie endlich vollumfänglich nachkommen, auch unter humanitären Gesichtspunkten“, forderte Weber. Die Grünen-Abgeordnete Keller ist skeptisch. „Statt mehr für die Rettung von Flüchtlingen zu tun, setzt die Kommission auf immer mehr Grenzüberwachung und Abschottung.“