Dynamo Dresdens Noch-Aufsichtsrat Geert Mackenroth warnt: „30, 40 Hardliner steuern den Verein“

Erstveröffentlicht: 
13.11.2013

Sachsens früherer Justizminister Geert Mackenroth verlässt nach drei Jahren den Dynamo-Aufsichtsrat. Er geht mit einer dringenden Warnung.


Dresden. Vor drei Jahren wurde Sachsens früherer Justizminister Geert Mackenroth in den Aufsichtsrat von Dynamo Dresden gewählt. Auf der Mitgliederversammlung am kommenden Sonnabend bewirbt sich der 63-jährige CDU-Landtagsabgeordnete nicht erneut um ein Mandat. Gegenüber den DNN erklärt der gebürtige Kieler seine Beweggründe und lässt dabei erahnen, dass die neuen Aufsichtsräte starke Nerven für ihre zukünftige Arbeit brauchen werden.

Frage: Ihre Amtszeit geht zu Ende, Sie treten nicht zur Wiederwahl an. Warum?

Mackenroth: Niemand hat mich gefragt. Das stört mich grundsätzlich nicht, aber es zeigt schon das Dilemma: Keiner führt diesen Verein, keiner macht sich Gedanken etwa darum, welchen Zuschnitt ein Aufsichtsrat haben muss, welche Sponsoren oder gesellschaftlich relevanten Gruppen dort vertreten sein müssen. Personalauswahl bleibt Zufall. Aber auch wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich nein gesagt: Ich kann diesem Verein nicht weiterhelfen. Reiner Calmund hat versucht, eine Professionalisierung anzuschieben. Ich habe mit zwei, drei anderen versucht, eine vernünftige Satzung hinzubekommen, doch das ist ebenfalls gnadenlos gescheitert, galt als Majestätsbeleidigung, ich bin sogar bedroht worden. Dynamo müsste sich zunächst selbst über seine Ziele und den Weg dahin klar werden – daran fehlt es.

Welches ist aus Ihrer Sicht das größte Strukturproblem des Vereins?

Dass wir amateurhaft und unprofessionell aufgestellt sind. Es ist keiner da, der die Sache regelt, der den Kahn lenkt, der den Karren aus dem Dreck zieht. Wir haben stattdessen eine Art Pseudodemokratisierung, es reden und entscheiden viele Anhänger und unsere zahlreichen Gremien mit, in Foren, sozialen Netzwerken, in Kneipen und im Stadion, entschieden wird nicht dort, wo die Entscheidungen fallen sollten und für die die Entscheidungsträger sich hinterher natürlich auch zu verantworten haben. Und die meisten haben Angst vor 30, 40 Hardlinern, die diesen Verein geschickt – übrigens ohne jede Legitimation – aus dem Hintergrund in die Richtung steuern, die sie für richtig halten. Ihre Botschaft lautet: Geld ist Mist, Erfolg und Professionalisierung sind  Mist, weil mit Geld verbunden. Profifußball ist Kapitalismus. Und: Niemand darf uns unsere schönen Erinnerungen kaputt machen. Dass sich die schweigende Mehrheit, die Mitglieder, die tollen Fans dies auf Dauer gefallen lassen, wundert mich. Jedenfalls kann man so einen Verein nicht zielgerichtet steuern, so kann man auch nicht aufsteigen – wenn man es denn will. Das Scheitern des Führungspersonals ist damit vorprogrammiert, personelle Kontinuität seit Jahren Fehlanzeige.

Wie könnte der Weg aus der Krise aussehen? Geht es nur über eine Ausgliederung der Profi-Abteilung?

Nein, es gibt Mittelwege, aber dass wir an die Satzung ran müssen und dass wir diesen vielstimmigen Chor zu einer Erfolgsmelodie zusammenführen müssen, das ist klar. Zu Beginn meiner Amtszeit hat es klare Problemanalysen und entsprechende Prüfaufträge gegeben – passiert ist nichts. Wir haben in der Satzung verankert eine Tätigkeit des Aufsichtsrates, die ins operative Geschäft hineinragt. Das darf nicht sein. Das operative Geschäft muss bei der Geschäftsführung und der sportlichen Leitung liegen, der Aufsichtsrat die strategische Richtung vorgeben. Die Satzung legt auch dem Ehrenrat Fesseln an, er sollte nur tätig werden, um Schaden vom Verein abzuwenden, nicht aber aus kleinlicher Rechthaberei instrumentalisiert werden dürfen. Wenn der Aufsichtsrat mal eine Tagung fünf Minuten zu spät angefangen hat, dann war das schon wieder ein Satzungsverstoß. Wir kümmern uns immer noch viel zu wenig darum, dass dieser Verein auch repräsentiert werden, dass er in der Gesellschaft seine Ziele verdeutlichen, ankommen und das Verhältnis zu Politik, Wirtschaft, Sponsoren und Hinterland verbessert werden muss.

Auch der Aufsichtsrat wurde in der Öffentlichkeit als zerstrittenes Gremium wahrgenommen. Wie haben Sie den Umgang der Mitglieder untereinander empfunden?

Es hat ja kürzlich noch einmal eine Veränderung gegeben, als ein Mitglied nachgerückt ist. Bis dahin war die Arbeit deutlich entspannter, als es in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Ich finde, dass der Aufsichtsrat im Großen und Ganzen kollegial zusammengearbeitet hat, auch wenn unser Vorsitzender nicht immer die notwendige Loyalität erfahren hat. Natürlich sind diejenigen, die auf Professionalisierung bedacht sind, und die strukturkonservativen Traditionalisten nicht immer einer Meinung, aber das ist normal.

Es sind zuletzt wiederholt Informationen nach außen durchgesickert, die Verwirrung gestiftet haben. Kann man so erfolgreich arbeiten?

Das geht überhaupt nicht. Manche im Aufsichtsrat haben sich nicht an die verabredete Vertraulichkeit gehalten, persönliche Eitelkeiten haben dazu geführt, dass die Dinge durchgestochen wurden. Teilweise geschah das übrigens aus den Sitzungen heraus, denn wir wissen, dass manchmal die Ergebnisse schon bei Redaktionsschluss da lagen, während wir uns noch beraten haben. Am Ende kam etwas anderes heraus als das, was bei Redaktionsschluss bei der Presse angekommen war. Das war mitunter schon recht lustig, aber seriös arbeiten kann man so nicht.

Noch ist offen, ob der Verein im Streit mit dem DFB um den Pokalausschluss vor ein Zivilgericht zieht oder das Friedensangebot des Verbandes annimmt. Wie würden Sie in dieser Frage entscheiden?

Ich halte es für einen Irrglauben zu meinen, durch Klagen könne man Nachhaltiges für den Verein erreichen. Wer sich auf den juristischen Weg begibt, lässt sich auf lange, teure und auch die Atmosphäre vergiftende Verfahren ein. Wenn das Angebot des DFB stimmt, dann würde ich das annehmen. Aber der DFB muss etwas auf den Tisch legen und kann nicht sagen: Herrschaften, jetzt machen wir mal Friede, Freude, Eierkuchen! Da muss schon was kommen – und zwar substanziell. Der letzte DFB-Bundestag hat die Weichen dahin gestellt, dass die verschuldensunabhängige Haftung der Vereine beseitigt wird. Das ist ja unser Ziel. Aber auch in dieser Frage ist bei Dynamo viel Rechthaberei dabei, die 30, 40 Hardcore-Fans haben alle Gremien soweit eingenordet, dass sich kaum einer traut, von der Konfrontation mit dem DFB abzuweichen. Und wer es tut, findet sich beim nächsten Heimspiel auf Schmähplakaten wieder oder Schlimmeres.

Wie sind Sie ansonsten mit der wirtschaftlichen und sportlichen Entwicklung des Vereins zufrieden?

Sportlich haben wir manches erreicht. Aber eine langfristige wirtschaftliche Konsolidierung wurde bisher nicht angepackt. Die Altlasten sind praktisch unverändert geblieben, dabei hat sich die Gesamtsituation in Sachsen verändert: Wir haben mit Red Bull Leipzig einen Verein, der nur darauf wartet, dass Dynamo sich weiter zerlegt. Dann wird Red Bull auch das wunderbare Hinterland von Dynamo für sich okkupieren. Der Vater mit dem Sohn oder der Opa mit der Enkelin aus Oschatz oder Freiberg werden dann lieber nach Leipzig fahren, wenn es da Bundesliga-Fußball gibt. Dynamo hat nicht mehr viel Zeit, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Wenn wir unsere Position halten und vielleicht sogar ausbauen wollen, dann muss die Professionalisierung jetzt kommen, jetzt für den nachhaltigen sportlichen Erfolg gearbeitet werden, jetzt mit der Stadt über neue Stadionverträge und unseren Gläubigern über die Darlehensstreckung oder -rückzahlung verhandelt werden. Alle müssen sich diesem Ziel unterordnen, aber dieses Ziel ist im Verein eben noch nicht Konsens. Die eben schon angesprochenen Leute wollen dieses Ziel torpedieren. Das ist traurig. Ich sehe für mich keine Möglichkeiten mehr zu helfen. Ich wünsche aber den neuen Aufsichtsräten, dass sie es packen, Dynamo in diesem Sinne voranzubringen.

Wie sind Sie mit der Bekämpfung des Gewaltproblems im Verein zufrieden? Was kann der Verein noch tun?

Dynamo gilt bundesweit zu Unrecht als Krawallverein, hat in der letzten Zeit Vorbildliches geleistet. Die Brisanz und die Notwendigkeit von Prävention sind erkannt worden, die Gefahr rechtsextremer Einflussnahme auch. Dies lobt mittlerweile sogar der DFB. Die meisten Fans im Stehplatzbereich sind sich bewusst, dass ihnen Gewalt und Rechtsextremismus nicht weiterhilft, sondern dass das dem Verein schadet. Randale ist übrigens ein Druckmittel derjenigen, die die Professionalisierung hintertreiben wollen. Bei den Heimspielen hat man das gut im Griff. Der Ehrenrat sollte sich allerdings die wenigen Krawallbrüder vornehmen und mit Stadionverboten belegen – da fehlen mir noch die klaren Signale nach außen.

Wo sehen Sie den Verein in fünf Jahren?

Wenn nichts in Sachen Professionalisierung passiert, dann spielt in fünf Jahren Red Bull in der ersten Liga, Dynamo in der vierten.