DORTMUND Am Freitagmorgen hat vor dem Dortmunder Amtsgericht der mit Spannung erwartete Prozess gegen zwei führende Neo-Nazis begonnen, die den Überfall auf den Demonstrationszug des DGB am 1. Mai 2009 angezettelt haben sollen. Die Angeklagten gaben sich unschuldig.
Von Peter Bandermann und Martin von Braunschweig
Aktualisierung 17.32 Uhr
Am
ersten Prozesstag wurde klar: In der Verhandlung kommt es
entscheidend auf das Erinnerungsvermögen von Augenzeugen an. Die
wichtigste Frage lautet: Haben die Angeklagten Dennis G. und
Alexander D. – beides Rädelsführer und einflussreiche Köpfe der
Dortmunder Neonazi-Szene – die Krawalle organisiert und sich damit
strafbar gemacht?
Die Angeklagten schüttelten am Freitag
heftig die Köpfe. Nein, sie wollen ja selbst völlig überrascht
gewesen sein, als sich der Neonazi-Aufmarsch um kurz vor 11 Uhr
plötzlich in Richtung Fußgängerzone in Bewegung setzte. Alexander
D.: „Ich bin nur mitgegangen, um eventuell Schlimmeres zu
verhindern. Aber ich hatte keinen Einfluss auf die Gruppe.“
Ganz
anders sieht das der damalige Dienstgruppenführer der Polizei. Um 9
Uhr habe er Meldung davon erhalten, dass sich eine Gruppe Rechter auf
dem Bahnhofsvorplatz sammeln würde. „Ich hatte von Anfang an ein
schlechtes Gefühl“, sagte der Beamte als Zeuge. Er habe
befürchtet, dass die Neonazis nicht wie behauptet in den Zug nach
Siegen steigen würden, sondern etwas ganz anderes im Schilde
führten.
„Ich habe noch schnell versucht, so viel wie
möglich Verstärkung zu organisieren“, sagte der Polizist. „Aber
wir waren den Angreifern zahlenmäßig heillos
unterlegen.“
Aktualisierung 9 Uhr:
Der
Gerichtssaal ist nach Ausweiskontrollen bei allen Besuchern jetzt
voll besetzt. Um kurz nach 9 Uhr hat die Verhandlung begonnen.
Aktualisierung 8.10 Uhr:
Etwa
50 Mitglieder der Grünen und des DGB sind vor dem Amtsgericht und
der Staatsanwaltschaft versammelt. Mit Transparenten erteilen sie
Nazis eine Absage.
Der frühere DGB-Vorsitzende Eberhard Weber
kritisierte erneut die Justiz, weil das Verfahren erst drei Jahre
nach der Tat eröffnet wird. "Man muss den Eindruck haben, dass
ein Stillstand der Rechtspflege eingetreten ist", so Weber. Er
forderte das Justizministerium auf, die Amtsgerichte zu entlasten und
wie das Innenministerium im Kampf gegen den Rechtsextremismus
eindeutig Farbe zu bekennen.
Die beiden Angeklagten stehen
ebenfalls vor dem Gerichtseingang. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen
Landfriedensbruch vor. Sie sollen am 1. Mai 2009 den Angriff von 400
Neonazis auf DGB-Demonstranten gesteuert haben.
Der ursprüngliche Bericht:
Der
sogenannte "1.-Mai-Prozess" beginnt fast genau drei Jahre
nach den Ereignissen am Tag der Arbeit. Dennis G. und Alexander D.
werden Landfriedensbruch und ein Verstoß gegen das
Versammlungsgesetz vorgeworfen.
Sie sollen die Anstifter dazu
gewesen sein, dass am 1. Mai 2009 mitten in der Innenstadt mehrere
hundert Neonazis den Demonstrationszug des Deutschen
Gewerkschafts-Bundes (DGB) angriffen. Bei den Zusammenstößen hatte
es mehrere Verletzte gegeben. Die Polizei hatte zusätzliche Kräfte
organisieren müssen, um die Lage unter Kontrolle zu
bringen.
Schwieriger Prozess
Der Vorfall hatte
bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil er eine neue Qualität rechter
Gewalt offenbarte. Eine friedliche Kundgebung wurde aus dem Nichts
heraus zur Zielscheibe blinder Gewalt. Laut Staatsanwaltschaft
handelte es sich bei dem Angriff durch die Rechtsextremisten jedoch
keineswegs um eine spontane Idee, sondern um eine geplante und
organisierte Tat. Initiatoren sollen Dennis G. und Alexander D.
gewesen sein.
Das Amtsgericht richtet sich schon jetzt auf
einen langen und schwierigen Prozess ein. Bisher sind sechs
Verhandlungstage angesetzt.
Sorgen um
Sicherheit
Besonderes Augenmerkt gilt der Sicherheit vor
und im Gerichtssaal. Denn hier könnten Rechtsextremisten mit
Anhängern des linken Spektrums zusammentreffen. Bei Demonstrationen
auf der Straße muss die Polizei diese Gruppen aus Sicherheitsgründen
strikt trennen – die Justiz steht vor der Aufgabe, auf engstem Raum
für maximal 50 Zuschauer einen geordneten Ablauf zu organisieren.
Die Sicherheitsvorkehrungen gehen deshalb über den Einsatz von
Wachtmeistern und Polizei hinaus.
Vor dem
Gerichtsgebäude protestieren Vertreter der Grünen seit 7 Uhr mit
einer Mahnwache gegen rechte Gewalt und gegen rechtes Gedankengut.
Mit dabei ist auch die Grünen-Landesvorsitzende Monika Düker.